Die Professionalisierung der Psychoanalyse
Nicht nur Ärzte und Psychiater, auch Psychologen, Pädagogen und Pfarrer fanden sich unter den ersten Psychoanalytikern in der Schweiz. Seit der Pionierzeit prägen Konflikte um die Festlegung des Berufsbildes sowie um die Ausbildung und Institutionalisierung die wechselvolle Geschichte der Psychoanalyse.
Die Professionalisierung der Psychoanalyse erwies sich von Anfang an als konfliktträchtiger als diejenige anderer Berufe und ist es bis zum heutigen Tag geblieben. Prozesse des Ein- und Ausschliessens sind in diesem Beruf, in dem die Person des Analytikers eine so zentrale Rolle spielt, besonders heikel. Ein Verzicht auf Zulassungsbestimmungen und formelle Selektion ist aber nicht minder problematisch. So dauerte es zu Beginn des letzten Jahrhunderts einige Zeit, bis sich auch in der Schweiz eine dauerhafte Organisation strukturierte, die sich der Aus- und Weiterbildung von Psychoanalytikern und der Verbreitung psychoanalytischer Einsichten annahm.
Die eigentliche Gründung einer «Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse» (SGPsa) erfolgte 1919 in Zürich als Zweiggesellschaft der «International Psychoanalytical Association IPA». Unter den Gründungsmitgliedern befanden sich der langjährige Direktor der Psychiatrischen Klinik Königsfelden, Arthur Kielholz, der bekannte Zürcher Pfarrer Otto Pfister, und als Vizepräsident der Schöpfer des weltbekannten Rorschach-Tests (Tintenkleckstest) Hermann Rorschach. Die damaligen Schweizer Analytiker beschäftigten sich hauptsächlich mit der Anwendung der Psychoanalyse auf Nachbargebiete. Der wissenschaftlich äusserst produktive Otto Pfister – er veröffentlichte über 270 Schriften und etliche Bücher – begründete eine psychoanalytische Pädagogik. Der Volksschullehrer Hans Zulliger und später auch Jacques Berna entwickelten sie weiter und verschafften ihr internationale Anerkennung. Viele Anregungen gingen von Heinrich Meng aus, der 1933 von Frankfurt nach Basel übergesiedelt war und als Arzt an der Universität lehrte. Er beschäftigte sich mit Psychosomatik («Psyche und Hormon»), vor allem aber mit der Psychohygiene («Seelischer Gesundheitsschutz»).
Um den dynamischen Pfarrer Pfister wurde ein Grundsatzproblem deutlich, das Problem der «Laienanalyse», der Ausübung der Psychoanalyse durch Nichtärzte, der Freud 1926 eine bedeutende Arbeit gewidmet hatte. Freud unterstrich, dass die Analyse mehr sei als eine Form medizinischer Therapie: «Als ‹Tiefenpsychologie›, Lehre vom seelisch Unbewussten, kann sie all den Wissenschaften unentbehrlich werden, die sich mit der Entstehungsgeschichte der menschlichen Kultur und ihrer grossen Institutionen wie Kunst, Religion und Gesellschaftsordnung beschäftigen.» Um dieses umfassende Ziel zu erreichen, brauchte es unter den Psychoanalytikern nebst den Medizinern auch Vertreter der Nachbarwissenschaften. Im Gegensatz zur heutigen weltweiten Tendenz, den Zugang zu diesem Beruf auf Fachärzte für Psychiatrie und auf Psychologen zu beschränken, kamen in den Pionierzeiten die Interessenten aus allen möglichen Kreisen. Dieser Entwicklung standen besonders die Ärzte unter den Analytikern mit Argwohn gegenüber. Sie befürchteten Quacksalberei und mangelhaften Schutz der Patienten. Daher gründete 1928 der damalige Präsident der «Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse», Emil Oberholzer, eine psychoanalytische Ärztegesellschaft, in der es für so bedeutende Mitglieder wie Pfister und Zulliger, den Pfarrer und den Volksschullehrer, keinen Platz mehr gab. Die Vereinigung hatte keinen dauerhaften Bestand, machte aber schon früh deutlich, dass es unter den Psychoanalytikern gegensätzliche Hauptinteressen gab.
Den einen erschien die Psychoanalyse vor allem als Therapie bedeutsam, und sie versuchten tendenziell die Qualität in Übereinstimmung mit dem medizinischen Ausbildungsmodell zu garantieren. Die anderen warnten vor einer Medizinalisierung der Psychoanalyse und befürchteten, dass sie in Ausbildungsinstituten ihre emanzipatorische Wirkung sowie ihre kultur- und gesellschaftskritische Potenz verlieren würde und gar in hierarchisierten Ausbildungsmodellen durch Verschulung und Internalisierung autoritärer Strukturen neuen Unfreiheiten Vorschub leisten würde.
In der weiteren Entwicklung verstärkten sich die Tendenzen zur Separation unter den einzelnen Gruppierungen. Die welschen Mitglieder der «Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse» orientierten sich stark nach Paris, und in der deutschen Schweiz, und nach der Sezession von C.G. Jung, gingen mehrere Mitglieder eigene Wege. Gegen die Entwicklung einer gemeinsamen Theorie und Praxis wirkte sich auch die Tatsache aus, dass kaum Anstrengungen für eine systematische psychoanalytische Weiterbildung jüngerer Interessenten unternommen wurden. Sie wurden vorwiegend der Autodidaktik überlassen.
Während des Zweiten Weltkrieges wanderten viele Psychoanalytiker aus Deutschland, Österreich und Ungarn in die USA und nach Grossbritannien und nicht in die Schweiz aus, da diese als zu wenig sicher erachtet wurde. Nach 1945 wurde in Zürich das Interesse an der Psychoanalyse und der Psychotherapie erneut von der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli angeregt, wo Manfred Bleuler – der Sohn und Nachfolger von Eugen Bleuler – Gustav Bally und Medard Boss mit der Ausbildung der Assistenzärzte in Psychotherapie beauftragte. Gleichzeitig beschäftigten sich Gaetano Benedetti und Christian Müller in der Klinik intensiv mit der Psychotherapie Schizophrener. Vor diesem Hintergrund entstand ein «Institut für ärztliche Psychotherapie», in dem vor allem im Rahmen von Arbeitstagungen, die Fritz Meerwein mit international bekannten Analytikern organisierte, unabhängig von der «Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse» eine jüngere Gruppe von Psychotherapeuten ausgebildet wurde. Mit Medard Boss’ Hinwendung zur Daseinsanalyse zerfiel diese Gruppe. Fritz Meerwein, der sich mit psychosomatischen Forschungen, später insbesondere auch mit Psychoonkologie beschäftigte, an der Universität Zürich lehrte und eine Stiftung für Psychoonkologie gründete, wandte sich der «Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse» zu. Das Schicksal des «Instituts für ärztliche Psychotherapie» ist ein Beispiel dafür, dass die Weitergabe der Psychoanalyse über mehrere Generationen hinweg kaum ohne nationale und internationale Anbindung gelingen konnte – eine Erfahrung, die durch zahlreiche ausländische Beispiele erhärtet wird.
In Zürich wurde zu jener Zeit die «Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse» durch einen kleinen Kreis von Personen vertreten, die seit Jahren freundschaftlich verbunden waren und sich im Rahmen eines «Kränzli» regelmässig trafen. Unter ihnen waren Fritz Morgenthaler, Paul Parin und Goldy Parin-Matthèy, die alle von Rudolf Brun analysiert worden waren – einem bekannten Neurologen und Psychoanalytiker in Zürich – sowie Jacques Berna, der bei Bally eine Analyse machte. Zwischen diesem elitären Kreis, dessen prominenteste Mitglieder nach Freudschem Vorbild Neurologen und Psychoanalytiker waren, und der Zürcher Psychiatrie bestand erhebliche Distanz. Erst 1958 wurde schliesslich ein «Psychoanalytisches Seminar für Kandidaten» gegründet.
Die nachfolgende Entwicklung, die auch heute noch die Situation der Freudschen Analyse in Zürich entscheidend beeinflusst, kann nur verstanden werden, wenn man zwei Besonderheiten der Psychoanalyse und der psycho-analytischen Ausbildung in Betracht zieht, die sie von allen anderen Berufen unterscheiden. Dazu gehört einmal das spezifische «psychoanalytische Setting», der Rahmen, in dem die Psychoanalyse stattfindet. Zwei Menschen sehen sich Dutzende oder Hunderte von Stunden. Der Analysand lernt, mit der Methode der freien Assoziation, rückhaltlos alles in Worte zu fassen, was in ihm vorgeht. Ganz gleich, was er über die intimsten, beschämendsten, verbotensten Gedanken, Wünsche und Ängste äussert, die auch seine Beziehung zu der Analytikerin oder dem Analytiker betreffen, tut er dies im Wissen und Vertrauen darauf, dass sich die therapeutische Situation um kein Jota verändert, dass es also unter gar keinen Umständen zwischen ihm und dem anderen zu Handlungen etwa sexueller oder aggressiver Art kommt.
Eine solche Garantie der absoluten Stabilität des Rahmens, über eine so grosse Anzahl von Stunden in einer derart intimen Arbeitsbeziehung, existiert in keiner anderen menschlichen Zweierbeziehung. Sie ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass der Analysand die Widerstände und Ängste vor dem Kennenlernen seiner selbst zu überwinden vermag.
Die menschliche und professionelle Stabilität, die für eine derartige Arbeit notwendig ist, kann nicht mit der hastigen Akquisition einer Technik erworben werden, sondern verlangt eine umfassende, sorgfältige, jahrelange, auch theoretische Ausbildung mit Selbsterfahrung in einer eigenen Analyse und Erfahrungen in mehrjährigen Supervisionen. Die potentiellen Gefahren der Psychoanalyse als regressionsinduzierenden Verfahrens für Analysanden und Analytiker ohne angemessene Ausbildung werden bis zum heutigen Tag unterschätzt.
Neben den Besonderheiten des psychoanalytischen Settings gibt es in der Ausbildung zum Psychoanalytiker, im Unterschied zu anderen Berufen, ein besonderes Selektionsverfahren. Bei der Beurteilung von Kandidaten müssen die Prüfer auch entscheiden, ob der Geprüfte bei seiner Arbeit mit Analysanden noch in unzulässiger Weise von ihm unbewussten Problemen beeinträchtigt wird.
Die Unterscheidung von «genügend Analysierten» einerseits und «noch zu wenig Analysierten» andererseits kann Hierarchisierungstendenzen in psychoanalytischen Organisationen begünstigen und zu gerontokratischen Strukturen führen. Diese Probleme sind in den Zweigorganisationen der «International Psychoanalytical Association», die alle eine vereinsdemokratische Grundstruktur besitzen, ein immer wieder diskutiertes Thema. Je nachdem, wie gut die überall vorhandenen demokratischen Möglichkeiten genutzt werden, kommt es zu unterschiedlich befriedigenden Lösungen.
Nach den Jugendunruhen von 1968 in Zürich forderten die Kandidaten zunehmend «demokratischere» Strukturen, Mitsprache und Mitbestimmungsrecht bei der Administration der Institution. Diese Forderungen waren vom damaligen marxistischen Gedankengut mitgeprägt, insbesondere auch von der Institutionskritik der Studentenbewegung in Frankreich. Die Dozenten des Seminars hatten für die Anliegen ein offenes Gehör. So ordnete Fritz Morgenthaler 1970 in einem Memorandum an: «Das psychoanalytische Seminar Zürich soll als erstes Ausbildungsinstitut einer psychoanalytischen Gesellschaft der International Psychoanalytical Association von den Studenten selbst übernommen und geführt werden.»
In der Folge führten die Kandidaten nach Modellen der 68er Bewegung eine Organisationsstruktur ein, nach der in einer «Teilnehmerversammlung aller Gleichberechtigten», ohne Zulassungsbestimmungen für [sic?] Analytiker, Analysanden und Gäste, alle administrativen Probleme gelöst werden sollten. Nach einiger Zeit zeigte es sich, dass diese unstrukturierte Gruppe von einer Untergruppe der politisch Erfahrensten, im linksradikalen Umfeld Tätigen, unter der Protektion einiger der bekanntesten Zürcher Analytiker, völlig dominiert wurde.
Kritiker dieser Situation wurden entweder als «nützliche Idioten» oder als hinderliche, restaurative, kleinbürgerliche Dummköpfe oder McCarthyaner behandelt, die ausserstande seien zu begreifen, wie die Welt funktioniere. Sie gerieten unter nicht mehr akzeptablen Druck, der sich auch in Ausbildungssituationen direkt bemerkbar machte.
Ein von mir beruflich und persönlich hochgeschätzter Supervisor, der keineswegs zu extremen Ideen neigte, überraschte mich eines Tages in einer Supervisionsstunde mit dem wohlgemeinten, freundschaftlichen Ratschlag, ich solle mich doch etwas mehr mit Marxismus befassen. Darauf versuchte ich zu erklären, dass ich schon zu Gymnasialzeiten, nach der Beschäftigung mit Marx, Engels, Lenin und Stalin, zur seither nicht mehr veränderten Überzeugung gelangt sei, dass marxistische Vorstellungen nur sehr beschränkt zur Erkenntnis der Welt beizutragen vermöchten. In dieser Einsicht fühlte ich mich später auch durch Sigmund Freuds beeindruckende skeptische Voraussicht bestätigt, was Marxismus im allgemeinen und die Zukunftsmöglichkeiten der sowjetischen Variante im speziellen anlangte. Die Begeisterung, die einige besonders einflussreiche Kollegen für das rote Büchlein Mao Tse-tungs, das Kuba Fidel Castros und für linksextreme politische Gruppierungen und ihre internationalen Vernetzungen im Zürich der 70er Jahre aufbrachten, war für mich unverständlich.
Schon damals war klar, dass einige der bekanntesten Zürcher Analytiker den Nutzen und die Vereinbarkeit marxistischer Vorstellungen mit der Psychoanalyse überschätzten und das Ausmass von Problemen einer von den Studierenden geleiteten Ausbildungsinstitution für Psychoanalytiker unterschätzten. Fritz Meerwein beschrieb die Situation treffend: «Lange Zeit blieb unausgesprochen oder unbemerkt, dass sich unter den Teilnehmern zwei voneinander völlig verschiedene Demokratisierungsvorstellungen gegenüberstanden. Während für die einen Demokratie Führung durch eine beschlussfähige Mehrheit bedeutete, ging es den andern darum, diese Mehrheit als antidemokratisch zu denunzieren, einzuschüchtern und durch die Minderheit zu kontrollieren… So drohte, was scheinbar harmlos und jugendbewegt begann, dem einen zur Freud und dem andern zum Leid bald in Chaos und Anarchie zu versinken, und jede geordnete Ausbildungstätigkeit, auch Selbstausbildung mit Hilfe des Seminars, musste damit zu einem Ende kommen.»
In einem derartigen institutionellen Umfeld war es absurd zu behaupten, Analytiker vermöchten noch mit dem analytischen Hauptinstrument, mit «Übertragung und Gegenübertragung», zu arbeiten und sie könnten verhindern, dass sich Analysanden in undifferenzierter Weise mit laut verkündeten politischen Haltungen ihrer Analytiker identifizierten.
Unübersehbar war auch, dass eine psychoanalytische Ausbildungsorganisation, in der eine linksradikale Gruppierung dominierte, die eine Organisationsform anstrebte, in der es keine institutionell verordnete Beschränkung der Zulassung gab und keine formelle Selektion in der Ausbildung geben sollte, unausweichlich in unlösbare Konflikte mit der «Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse» und vor allem mit der «International Psychoanalytical Association» (IPA) geraten musste. Denn für diese Organisationen gehören gewisse Zulassungsbestimmungen (etwa dass der Analytiker von Kandidaten ein Mitglied der IPA sein muss) und eine formelle Selektion – wie in allen qualifizierten Berufen – seit je zu den Grundpfeilern einer Ausbildung, deren Qualität gegenüber der Öffentlichkeit garantiert werden soll.
Ebenso vorauszusehen war, dass spätestens zum Zeitpunkt des Inkrafttretens gesetzlicher Regelungen für die Ausübung des Psychotherapeutenberufes für alle diejenigen, die sich nicht mit Kultur- und Gesellschaftskritik begnügen, sondern therapeutisch arbeiten wollten, kaum lösbare Probleme auftreten würden, weil der Gesetzgeber, wie für alle therapeutischen Berufe, gewisse Zulassungs- und Ausbildungsbestimmungen erlassen würde.
In Anbetracht der unhaltbaren Situation schloss die «Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse» 1977 nach gescheiterten langwierigen Verhandlungen das Psycho-analytische Seminar in Zürich, worauf sich die marxistisch dominierte Mehrheit unter Beanspruchung des traditionsreichen Namens «Psychoanalytisches Seminar Zürich» (PSZ) abspaltete und eigene Räumlichkeiten bezog. Die «Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse» führte ihre Ausbildungsstätte unter dem Namen «Ausbildungszentrum der SGPsa» und später unter der Bezeichnung «Freud-
Institut Zürich» weiter.
Die linksradikale Kerngruppe des Psychoanalytischen Seminars löste sich nach der Spaltung in einem Kampf aller gegen alle auf, erlitt also dasselbe Schicksal wie diejenigen Splittergruppen der 68er Bewegung, die sich – im Gegensatz zu andern – nicht in einen echt demokratischen Prozess einzubringen vermochten.
In den darauffolgenden Jahren erhöhte sich die Teilnehmerzahl des «Psychoanalytischen Seminars Zürich» rasch auf mehrere hundert. Ein derart exponentielles Wachstum ist überall dort möglich, wo Analysanden, bald nach Beginn ihrer Analyse, «sich selbst autorisierend», sich mit dem ungeschützten Titel «Psychoanalytiker» bezeichnen.
Demgegenüber dauert die Weiterbildung von Fachärzten für Psychiatrie und von Psychologen zum Psychoanalytiker, gemäss den Richtlinien der «International Psychoanalytical Association», mindestens acht bis zehn Jahre. So nehmen sich denn die heute nach diesen Richtlinien ausgebildeten drei Dutzend Zürcher Mitglieder des Freud-Institutes bescheiden aus. Sie stehen in enger Verbindung mit der «Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse», der weitere Ausbildungszentren in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Lugano angehören.
Erst mit dem Erwerb der Mitgliedschaft der «Schweizer Gesellschaft für Psychoanalyse», die einer Abschlussprüfung entspricht, ist automatisch eine Mitgliedschaft in der «International Psychoanalytical Association» und in der «Europäischen Psychoanalytischen Föderation» verbunden. Wegen der international nicht geschützten Berufsbezeichnung «Psychoanalytiker» hat die «International Psychoanalytical Association» bis heute die Aufgabe, anspruchsvolle Ausbildungsrichtlinien und hohe professionelle Standards festzulegen, die für alle Mitglieder verbindlich sind. 2007 umfasst sie 70 Zweigorganisationen in 33 Ländern und zählt 11’500 Mitglieder.
Zur «Europäischen Psychoanalytischen Föderation» haben sich alle europäischen psychoanalytischen Gesellschaften zusammengeschlossen, die Zweiggesellschaften der «International Psychoanalytical Association» sind. Die «Europäische Psychoanalytische Föderation» vertritt rund 3’900 Mitglieder aus 19 Ländern, in denen 16 verschiedene Sprachen gesprochen werden. Sie hat die Aufgabe, ein Ort des Austausches und ein geistiges Forum für die psychoanalytischen Gesellschaften in Europa zu sein.
Psychoanalytiker haben zum Glück schon vor Jahrzehnten erkannt, dass es für die Ausübenden dieses einsamen Berufes von grösster Wichtigkeit ist, sich lebenslänglich international mit Kollegen auszutauschen, um der Gefahr der Provinzialität und sektiererischer Entwicklungen entgegenzuwirken.
Die «Schweizer Gesellschaft für Psychoanalyse» selbst ist schon eine kleine internationale Gesellschaft, weil besonders in der welschen Schweiz viele Mitglieder etwa aus Frankreich, Belgien, Italien, Spanien und Griechenland stammen, die zur Ausbildung oder als Emigranten in die Schweiz gekommen und hier geblieben sind. Die Entwicklung in der welschen Schweiz verlief ruhiger und konstanter als in Zürich, da es kaum andere tiefenpsychologische Richtungen gab und über Jahrzehnte die wichtigsten Stellen in der Psychiatrie von Psychoanalytikern besetzt waren.
Der Genfer Olivier Flournoy hat die «Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse» als deren Präsident in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts mit folgenden, heute immer noch gültigen Worten charakterisiert: «Die Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse vereint deutsch-, französisch- und italienischsprechende, die sich gelegentlich gezwungen sehen, sich auf englisch zu verständigen – ein vielversprechendes, aber recht gewagtes Unternehmen. Dass die Mitglieder sich darüber hinaus auch dann noch gegenseitig zu tolerieren vermögen, wenn sie Signifikant und Signifikat, allesverschlingende Mutter, Ichpsychologie, Alphafunktionen, imaginären und illusionären Raum durcheinander würfeln, grenzt an ein Wunder. Trotz alledem versetzt einen die Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse mit ihrem dauerhaften Zusammenhalt, der sich auf eine derartige Vielgestalt von Sprachen und theoretischen Ansichten gründet, in Erstaunen – und dies wird, wie ich hoffe, weiterhin so bleiben.»
ALEXANDER MOSER, geboren 1936, ist Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH und Psychoanalytiker in eigener Praxis in Zürich. Er ist ehemaliger Präsident der «Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse».