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«Die politische DNA der Schweiz wird sich grundlegend verändern»
Bild: bod.ch

«Die politische DNA der Schweiz wird sich grundlegend verändern»

In seinem neu erschienenen Buch unterzieht Oxford-Historiker Oliver Zimmer das geplante EU-Vertragspaket einer kritischen Überprüfung. Er warnt: Der Schweiz drohen eine Aushöhlung der Volksrechte und ein schleichender Verlust ihres Wohlstands.

«Formal bleibt die demokratische Teilhabe nach Schweizer Tradition bestehen, faktisch wird sie jedoch entkernt.» Diese Ansicht vertritt der Thalwiler Historiker Oliver Zimmer. Seit Jahren warnt er eindringlich davor, dass eine Annäherung an die EU die Souveränität und Demokratie der Schweiz aushöhlen würde. Die EU-Debatte hat zuletzt wieder an Schärfe gewonnen: Diesen Juni schickte der Bundesrat das Vertragspaket in die Vernehmlassung, im Oktober sorgte die Delegiertenversammlung der FDP für Furore – sie stimmte dem Paket zu, lehnte jedoch das Ständemehr ab.

Zimmer will mit seinem neuen Buch eine offene und ehrliche Debatte über die künftigen Beziehungen zu Brüssel anstossen. In «Brüssel einfach?» versammelt er zehn Essays – grösstenteils in der Tagespresse erschienen –, die sich mit der institutionellen Anbindung der Schweiz an die EU befassen. Zimmer ist überzeugt: «Das EU-Vertragspaket wird die politische DNA der Eidgenossenschaft grundlegend verändern». Die halbdirekte Demokratie sei nach wie vor zeitgemäss – ein EU-Beitritt hingegen liege nicht im Interesse der Schweiz.

Würde das Vertragspaket angenommen, blieben Referenden und Initiativen zwar formal trotz Drohkulisse aus Brüssel bestehen –würden so aber zu blossen Ritualen ohne echte Substanz verkommen. Zimmer spricht von einer «DINO» – einer Democracy in Name Only. Die politische Gestaltungsmacht der Schweiz wäre derart eingeschränkt, dass ein späterer Beitritt in die EU wohl die logische Konsequenz wäre.

Ein möglicher Wegfall der Personenfreizügigkeit beunruhigt ihn nicht. Solange die Schweiz Wohlstand und Lebensqualität biete, werde sie weiterhin Arbeitskräfte anziehen. Von der Personenfreizügigkeit profitiere ohnehin nur eine kleine Minderheit – die oberen fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung. Denn die steigende Nachfrage treibe Boden- und Immobilienpreise, wovon vor allem Eigentümer profitierten. Der Grossteil der Bevölkerung hingegen zahle den Preis in Form von immer höheren Lebenshaltungskosten. Die hohe Nettozuwanderung liege vor allem im Interesse bestimmter Politiker, der Spitzen von Wirtschaftsverbänden und einzelner Unternehmen. Für die breite Bevölkerung hingegen zeige sich ein anderes Bild: Das BIP pro Kopf, ein zentraler Wohlstandsindikator, stagniert seit Längerem.

Mit «Brüssel einfach?» ist es Oliver Zimmer gelungen, die Argumente, die gegen eine EU-Anbindung sprechen, in destillierter und verständlicher Form darzulegen. Besonders Leser, die dem Vertragspaket kritisch gegenüberstehen, sich in der EU-Debatte aber noch nicht ganz sattelfest fühlen, kommen hier auf ihre Kosten. (Michael Straumann)

Oliver Zimmer: Brüssel einfach? 10 Essays zum Verhältnis Schweiz-EU, Books on Demand, 2025.

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