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Die Mühen  grenzüberschreitender Liebe
Angelika Overath: Unschärfen der Liebe. München: Luchterhand, 2023.

Die Mühen
grenzüberschreitender Liebe

Angelika Overath: Unschärfen der Liebe. München: Luchterhand, 2023.

In Angelika Overaths neuem Roman begleiten wir den gehobenen Tagelöhner Baran auf einer Zugfahrt, die von Chur über den Balkan nach Istanbul führt. Die ständig wechselnde Landschaft vor dem Fenster bildet die Kulisse für die innere Reise der Hauptfigur, auf der die Grenzen zwischen Realität, Traum, Erinnerung und Introspektion zunehmend verschwimmen. Barans Gedanken, zwar inspiriert von seiner Umgebung, schweifen selten von seiner implizit gehaltenen Dreiecksbeziehung mit Alva und Cla ab. Beide sind Schweizer – Alva lebt mit ihrer Tochter in Graubünden, während Cla sich als gefragter Intellektueller in Istanbul mit Baran die Wohnung teilt. Eine permanente Fremdheitserfahrung – als Arbeiterkind in Düsseldorf, griechischer Türke, ortslos Liebender – scheint durch, ebenso Unsicherheiten, Liebeskummer und andere Sorgen.

Diese kontinuierliche Innenschau führt dazu, mit Baran zu fremdeln. Das heute übliche Verhalten während Zugreisen auf bekannten Strecken, wie sich von der Unterhaltungselektronik oder Büchern mitreissen zu lassen, Junkfood zu konsumieren, ab und zu gedankenverloren oder gelangweilt zu sein – all das fehlt. Baran hat es und macht es sich schwer. Selbst Cla wundert sich über die Eigenheit seines Liebhabers, die anstrengende mehrtägige Zugfahrt schlechtgelaunt dem günstigeren und deutlich schnelleren Flug vorzuziehen. Vielleicht erteilt Baran sich damit gar eine Strafe dafür, Alva mit Kind ferner- und Cla näherzukommen.

«Unschärfen der Liebe» ist nicht irgendein Liebesroman mit einem skurrilen Protagonisten. Barans Trübsal, die den Leser zunächst irritiert, lädt zunehmend zur Beschäftigung mit den eigenen Gefühlen und Erfahrungen ein. Der so fantastische wie infernale Schluss bleibt lange im Gedächtnis haften. Das wirklich Besondere aber ist, mit welcher Leichtigkeit es Overath gelingt, dem Fluss der Reise gleich, unterschiedliche Ebenen der Handlung miteinander zu verweben. Form und Inhalt korrespondieren bei einfacher Lesbarkeit grandios. Ihr neuer Roman ist deshalb auch denjenigen zu empfehlen, die keine Ader für die Mühen «grenzüberschreitender » Liebe haben.

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