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Die moralisch einwandfreie
Ausschaltung der Konkurrenz

Hinter der ideologischen Verengung an den Universitäten stehen handfeste Interessen.

Die moralisch einwandfreie  Ausschaltung der Konkurrenz
Claudine Gay bei ihrer Ansprache nach ihrer Amtseinführung als 30. Präsidentin der Harvard University am 29. September 2023.

Sprechver- und -gebote, Antisemitismus, Plagiate: Womit US-Eliteuniversitäten in jüngster Vergangenheit Schlagzeilen machen, hat mit Bildung und Erkenntnisgewinn wenig zu tun. Es wäre aber falsch, Universitäten bloss als Opfer einer allgemeinen woken Politisierung zu sehen. Die Universitäten selbst sind es, die – von der Gender- bis zur Klimaideologie – linksbewegte Themen fördern, wie jeder weiss, der schon einmal einen Blick in das «UZH-Magazin» geworfen hat.

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Universitäten selbst sind es, die ihren Bildungsauftrag für maoistische Struggle Sessions eingetauscht haben. Seit gut einem Jahrzehnt werden immer mehr an den Universitäten entstehende Randgruppenideologien, von «Intersektionalität» bis zur Transgender-Ideologie, breit gesellschaftsfähig gemacht und fliessen als «Lehrinhalte mit Aktualitätsbezug» wieder in die akademische Verwertung zurück.

Das ist auch das Ergebnis der neoliberalen Restrukturierung in der höheren Bildung, die als links («gut») und woke auftritt, um Konkurrenzdruck und Privatisierungsbrei schmackhafter zu machen. Im Zuge dessen sind Dozenten zu Dienstleistern und Studenten zu Kunden geworden. Die Universität hat schon lange aufgehört, für höhere Bildung zu stehen – von kritischem Bewusstsein ganz zu schweigen.

Stattdessen geht es um Kundenzufriedenheit. Die meisten Studienanfänger der Philosophie beispielsweise interessieren sich mehr für «Mechanismen der Unterdrückung» und weniger für Hegel, von dem man schlechterdings etwas zu diesem Thema lernen könnte. Da der Kunde bekannterweise König ist, werden entsprechend Seminare zur «Klimagerechtigkeit» angeboten, zur «Genderfrage», zur «Critical Whiteness». Der neue politische Universitätsaktivismus, der als «Widerstand» gegen weisse Vorherrschaft oder den bösen Kapitalismus auftritt, bedient sich dabei eines neuen Autoritarismus, der genau die Verhältnisse zementiert, die man angeblich bekämpfen will. Nichts soll «binär» sein, alles fluid, man will mehr Kindness, Respekt und Empathie, und wehe, man macht bei der allgemeinen Verblödung nicht mit.

Universitäten fördern unkritisches Denken, da es ihnen nützt. Unter dem Deckmantel von «Diversity, Equity, Inclusion» (DEI) wird moralische Unangreifbarkeit suggeriert, während ein niederträchtiger Konkurrenzkampf um knappe Ressourcen tobt. Dazu gehört, den Ethnien- und Gesinnungsfragebogen an der richtigen Stelle anzukreuzen und sich unliebsame Konkurrenz vom Hals zu schaffen.

Wie inzwischen bekannt geworden ist, hat die des Plagiarismus überführte und aus dem Präsidium von Harvard ausgeschiedene Claudine Gay als Konkurrenten empfundene Kollegen (ebenfalls Afroamerikaner) systematisch zum Abschuss freigegeben, gecancelt und canceln lassen.

Das ist der wahre Kern des woken Dogmatismus: die moralisch einwandfreie Entschlackung des Arbeitsmarkts. Niemand darf etwas dagegen haben, dass nun die Minderheiten das Sagen haben, Qualifikation hin oder her. Der Zuwachs fähiger, reflektierter Denker muss auf ein Minimum reduziert werden, weisse heteronormative Männlichkeit (oder Weiblichkeit) gilt als Ausschlusskriterium, die falsche Gesinnung sowieso.

Die Rechnung, die Universität in einen unternehmerischen Akteur zu verwandeln, geht nicht auf, wie die Vorfälle um Gay zeigen. Ökonomische Entschlackung und Kundenzufriedenheit gehören genauso wenig an die Universität wie das Mittel ihrer Durchsetzung, links-wokes Gesinnungsdenken.

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