Die Meinungsfreiheit in Europa ist am Ende, selbst die Schweiz schlägt sich auf die Seite der Autoritären
Europa verliert den Mut zur Wahrheit. Wer das Offensichtliche ausspricht, riskiert heute Strafe statt Widerspruch. Doch Freiheit überlebt nur dort, wo man sie auch dann verteidigt, wenn sie unbequem wird.
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Die Schweiz ist berühmt für Uhren, Schokolade, die praktischen, wenn auch leicht absurden Taschenmesser – und vor allem für ihre unerschütterliche Neutralität. Doch im Jahr 2025, angesichts des Aufstiegs eines neuen Autoritarismus, ist die Schweiz nicht länger neutraler Zuschauer. Die Schweiz hat sich entschieden, Stellung zu beziehen. Sie hat sich auf die Seite der Autoritären geschlagen.
Im Dezember wird Emanuel Brünisholz, ein Blasinstrumente-Fabrikant aus Burgdorf, eine zehntägige Haft antreten. Sein Vergehen? Er schrieb auf Facebook die wissenschaftlich korrekte Aussage, dass Skelette nicht transgender sein können. Im Dezember 2022, als Antwort auf einen Facebook-Beitrag des Nationalrats Andreas Glarner, schrieb Brünisholz: «Wenn man die LGBTQI nach 200 Jahren ausgräbt wird man anhand der Skelette nur Mann und Frau finden alles andere ist ne Psychische Krankheit, die durch den Lehrplan hochgezogen wurde!»
Im August 2023 wurde er von der Berner Kantonspolizei vernommen, die ihn zu den Absichten seines Kommentars befragte. Danach erhielt er Post von der Staatsanwaltschaft: Er sei wegen Hassrede angeklagt – gemäss der neuen Kategorie «sexuelle Orientierung» im Strafgesetzbuch. Verurteilt wurde er zu einer Busse von 500 Franken. Seine Berufung blieb erfolglos, und zusätzlich wurde er zu 600 Franken Gerichtskosten verurteilt.
Weil Brünisholz sich weigert, diese absurde Strafe zu zahlen, droht ihm nun, wie einst Galileo, das Gefängnis. Die Schweiz, die kein Problem damit hatte, Nazi-Gold zu waschen, zieht eine scharfe Linie, wenn es um das Misgendern von Skeletten geht. Und, um das klarzustellen: Emanuel Brünisholz hat recht. Ein Skelett kann nicht transgender sein. Anders als beim Schweizer Taschenmesser sind bei Frauen keine Werkzeuge zwischen den Beinen versteckt.
«Die Schweiz, die kein Problem damit hatte, Nazi-Gold zu waschen, zieht eine scharfe Linie, wenn es um das Misgendern von Skeletten geht»
Ideologisierte Wissenschaft
Ich empfinde gegenüber Männern, die sich als Frauen bezeichnen, dasselbe wie gegenüber Leuten, die immer noch von ihren NFTs sprechen: Ich respektiere ihr Recht darauf, aber ich tue nicht länger so, als wäre es ernst zu nehmen. Geschlechtsdysphorie ist ernst – aber sie ist eine psychische Störung.
Das ist kein moralisches Urteil, keine Hassrede, sondern eine Tatsachenfeststellung. Die vierte Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-4) klassifizierte die Geschlechtsidentitätsstörung als psychische Krankheit unter den Störungen der Sexual- und Geschlechtsidentität. Das DSM-5, zweifellos von Ideologen beeinflusst, änderte diese Klassifikation. Doch wenn die Realität wieder die Oberhand gewinnt – und das wird sie –, wird man diese Änderung rückgängig machen.
Brünisholz hat auch recht, dass dieser Unsinn über den Lehrplan verbreitet wird – nicht nur an Schweizer Schulen, sondern in der gesamten entwickelten Welt.
Fakten werden zu Hassrede
Die dystopische Behandlung von Brünisholz ist kein Einzelfall. In ganz Europa werden Menschen für ihre Online-Äusserungen bestraft. In Deutschland etwa wurde vergangenes Jahr die Wohnung eines 64-jährigen Rentners durchsucht, sein Computer und Handy beschlagnahmt. Sein Vergehen? Er hatte den damaligen Vizekanzler Robert Habeck in einem Meme auf X als «Schwachkopf professional» bezeichnet. Als jemand, der 14 Jahre lang professionell Banjo gespielt hat, kann ich sagen: Professionelle Schwachköpfe spielen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft – auch wenn der Vizekanzler das anders sieht.
2024 durchsuchte das deutsche Bundeskriminalamt im Rahmen eines «Aktionstags gegen Frauenhass im Internet» 45 Wohnungen in elf Bundesländern. Die AfD-Politikerin Marie-Thérèse Kaiser wurde im Mai 2024 wegen Volksverhetzung verurteilt – für einen Facebook-Beitrag aus dem Jahr 2021, in dem sie die Aufnahme von 200 Afghanen kritisierte und auf Kriminalstatistiken des Bundeskriminalamts verwies, die belegten, dass Afghanen 70-mal häufiger Gruppenvergewaltigungen begehen als Deutsche. Das Gericht wertete ihren Beitrag als Hassrede.
Ein anderer Deutscher erhielt 5000 Euro Busse, weil er eine Richterin als «offensichtlich geistig gestört» bezeichnet hatte – nachdem diese einem syrischen Vergewaltiger eines 15-jährigen Mädchens eine milde Strafe auferlegt hatte. Die Busse war fast doppelt so hoch wie jene für den Täter selbst.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul sagte dazu: «Digitale Brandstifter dürfen sich nicht hinter ihren Handys oder Computern verstecken können. Wer glaubt, im Social Media sei alles erlaubt, irrt gewaltig.» Offenbar, so scheint es, haben die Deutschen den Unterschied zwischen Hass und Meinung vergessen – und, möchte man hinzufügen, auch zwischen Hass und Fakten.
«Offenbar, so scheint es, haben die Deutschen den Unterschied
zwischen Hass und Meinung vergessen – und, möchte man hinzufügen, auch zwischen Hass und Fakten»
Laut Bundeskriminalamt gab es im vergangenen Jahr über 10 000 Delikte im Zusammenhang mit Online-Äusserungen. Die Franzosen sind kaum besser. Thierry Breton, EU-Kommissar und oberster Zensor des Digital Services Act – treffender: Digital Censorship Act –, schrieb im Vorfeld eines Gesprächs zwischen Elon Musk und Donald Trump auf Twitter einen offenen Drohbrief an Musk, in dem er «wirksame Massnahmen zur Eindämmung schädlicher Inhalte» verlangte und androhte, «das volle Instrumentarium der EU» einzusetzen, sollte Musk nicht spuren.
Diese Zensurinstinkte sind europaweit verbreitet. Selbst in meinem Heimatland Grossbritannien, der vermeintlichen Wiege der Freiheit, werden Komiker verhaftet. Im September wurde Graham Linehan am Flughafen Heathrow von fünf bewaffneten Polizisten festgenommen – wegen drei Witzen über Transgender auf X, einer davon lautete: «Ein Foto, das man riechen kann.»
Und er ist nicht der Einzige. 2017 verbrachte der Komiker Count Dankula eine Nacht in der Zelle, weil er ein Video gepostet hatte, in dem sein Mops den Hitlergruss zeigte – als Scherz, um seine Freundin zu ärgern. Schottlands Hate Crime and Public Order Act erlaubt mittlerweile, Theaterstücke, Podcasts, Social-Media-Beiträge und sogar Privatgespräche strafrechtlich zu verfolgen.
Nach den schrecklichen Morden von Southport im vergangenen Sommer liess Premierminister Keir Starmer nicht nur Demonstranten auf den Strassen, sondern auch in sozialen Medien verfolgen. Ein Mann erhielt acht Wochen Haft für das Teilen dreier Memes. Eine Frau neun Monate, weil sie auf Tiktok die Nachwirkungen der Unruhen filmte. Am härtesten traf es Lucy Connolly, die Ehefrau eines konservativen Politikers, die für einen Wutausbruch auf X – sie hatte in einem Post «Massendeportation jetzt!» gefordert – 31 Monate Haft erhielt.
Ein geschmackloser Post, gewiss, doch stellt sich die Frage, ob das eine zweieinhalbjährige Haftstrafe rechtfertigt. Besonders, wenn man sie mit den milden Urteilen für Pädophile und Vergewaltiger vergleicht.
Europas lange Geschichte der Zensur
Über 12 000 Verhaftungen pro Jahr wegen Online-Äusserungen – das ist das heutige Grossbritannien. Zum Vergleich: Russland bringt es auf rund 400. Seit 2014 wurden dort über 250 000 sogenannte «nichtkriminelle Hassvorfälle» registriert – einer betraf ein Kind, das eine Mitschülerin «nach Fisch riechend» genannt hatte, ein anderer einen autistischen 14-Jährigen, der versehentlich einen Koran fallengelassen hatte.
De-facto-Blasphemiegesetze sind auf dem Vormarsch. Labour-Abgeordnete fordern offen ihre Wiedereinführung. Und dann gibt es Fälle wie jenen des Armee-Veteranen Adam Smith-Connor, der verhaftet wurde, weil er still vor einer Abtreibungsklinik gebetet hatte.
In Europa und Grossbritannien ist die Meinungsfreiheit auf dem Rückzug. Doch vielleicht hatten wir sie nie in jener Form, wie die Amerikaner sie kennen. Denn auch Grossbritannien kannte Blasphemiegesetze – bis 2008. Selbst D. H. Lawrences «Lady Chatterley’s Lover» war einst verboten. Europas Geschichte ist eine Geschichte der Zensur, von Sokrates bis Galileo, von der Inquisition bis Napoleon.
Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert Meinungsfreiheit – und hebt sie im nächsten Absatz gleich wieder auf, durch eine endlose Liste von Ausnahmen. Die Themen mögen sich geändert haben, die Zensur nicht.
«Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert
Meinungsfreiheit – und hebt sie im nächsten Absatz gleich wieder auf, durch eine endlose Liste von Ausnahmen»
Es war gerade Europas desaströse Geschichte der Zensur, die James Madison in den USA zur Formulierung des First Amendment inspirierte. Zensur dient immer dem Machterhalt – heute einer Elite, die ihr Weltbild auf Globalismus, Progressivismus, Diversität und Nachhaltigkeit gründet.
Aber so offensichtliche Lügen wie «Männer sind Frauen» oder «Skelette sind transgender» brauchen juristischen Schutz, um der Realität zu entkommen. Wie einst in den Twitter-Files offengelegt, versucht das Establishment verzweifelt, abweichende Meinungen zu unterdrücken. Barack Obama nannte das Internet «die grösste Bedrohung für unsere Demokratie».
«So offensichtliche Lügen wie «Männer sind Frauen» oder «Skelette sind transgender» brauchen juristischen Schutz, um der Realität zu entkommen»
Das neue Zeitalter der digitalen Kontrolle
Und doch: Es wird schlimmer werden. Digitale Identitäten, Gesichtserkennung, digitale Zentralbankwährungen (CBDC) – diese Kombination eröffnet eine neue Ära der Kontrolle. Wenn Staaten bereit sind, jemanden ins Gefängnis zu schicken, weil er sagt, Skelette hätten kein Geschlecht, wie werden sie solche Instrumente erst nutzen?
Doch es gibt Hoffnung. Satoshi Nakamoto schrieb, mit Kryptografie könne man einen wichtigen Sieg im Wettrüsten erringen und ein neues Territorium der Freiheit schaffen. Solche Territorien brauchen wir heute dringender denn je.
Die Schweiz mag kein solches Territorium mehr sein. Bitcoin ist es. Wir wissen nicht, welche Gestalt die Autoritären der Zukunft annehmen werden. Wer hätte gedacht, dass man in der netten, neutralen Schweiz zwei Wochen im Knast landen kann, wenn man sagt, dass Skelette nicht transgender sein können? Doch sicher ist: Es wird auch in Zukunft Autoritäre geben.
Europa und Grossbritannien ringten Jahrhunderten um die Freiheit. Aber hier wurde sie geboren. Und wenn wir nun in eine neue, sanfte Dystopie hineingezogen werden, müssen wir uns an jedem kleinen Rest von Freiheit festhalten, den wir noch zu greifen bekommen.
Dieser Essay basiert auf einer Rede, die Winston Marshall im Oktober 2025 am Plan ₿ Forum in Lugano gehalten hat.