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Die Männerfrage

Fakten und Fiktionen: Einige Gedanken zum vergessenen Geschlecht der Emanzipationsverlierer

Die feministische Doktrin von der Unterdrückung des weiblichen Geschlechts lässt sich schon seit Jahren nur noch ideologisch aufrechterhalten. Die Ideologen und ihre Fürsprecher in den Medien haben in der Tat ganze Arbeit geleistet. Aufmerksame Soziologen und Statistiker hingegen wissen längst: Die Frauen sind die eigentlichen Gewinnerinnen der Modernisierung. Ihr Aufstieg im Laufe der vergangenen dreissig Jahre ist eklatant. Sie machen die besseren Schulabschlüsse, studieren häufiger, dominieren ganze Fachbereiche und stellen die Mehrheit der kompetenten Berufsanfänger.

Die Emanzipationsverlierer sind heute Jungen und Männer. Das lässt sich selbst in der Arbeitswelt dokumentieren, wo angeblich die Dominanzen der Männer verankert sind. Die Entwicklung der Wirtschaft tendiert seit geraumer Zeit in Richtung des «weiblichen» Dienstleistungsgewerbes und zur sukzessiven Schrumpfung der «männlichen» Industriearbeit. Dementsprechend steigt die weibliche Erwerbstätigkeit, während die männliche ebenso kontinuierlich abnimmt. Seit einigen Jahren ist die männliche Arbeitslosenquote in Industriestaaten höher als die weibliche.1 Es ist klar, dass dies die Zukunftsperspektiven der nachwachsenden männlichen Generation nicht gerade beflügelt, ebenso wenig wie der immer wieder kolportierte Slogan «Die Zukunft ist weiblich». In den USA ist die Botschaft bereits angekommen. Dort spricht man mittlerweile nicht mehr von Rezession, sondern von «Hecession» – vom Rückgang des «Er».

Entgegen solchen Trends werden weiterhin nur Mädchen und Frauen systematisch gefördert. Was zunächst unter dem Label der Frauenpolitik vertreten wurde, wird seit einigen Jahren als Gleichstellung oder auch Geschlechterpolitik dargestellt. Die neutralere Begrifflichkeit hat allerdings nichts an den alten Inhalten geändert. Was einst als Frauenförderung historisch richtig und wichtig war, ist heute bloss noch falsch und kontraproduktiv. 

Die Gewaltfrage

Ein deutliches Beispiel für die selektive Wahrnehmung ist die Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt. Nach herrschender Lehre sind grundsätzlich Frauen die Opfer gewalttätiger Männer. Besonders krass hat dies im vergangenen Jahr die österreichische Frauenministerin mit einer Plakataktion dokumentiert: Eine Frau und zwei Kinder sitzen – mit Schutzhelmen ausgestattet – verschreckt vor ihrem Ehemann und Vater. Die Realität hingegen sieht anders aus. Frauen sind in gleichem Masse gewalttätig wie Männer; Gewalt hat also kein Geschlecht. Buben werden beispielsweise signifikant häufiger von ihren Müttern körperlich gezüchtigt als von ihren Vätern. Insgesamt sind in den westlichen Ländern Männer zu 75 Prozent Opfer von Gewalt, Frauen nur zu knapp 25 Prozent.2

Diese Befunde kommen nicht überraschend. Schon vor rund vierzig Jahren haben in den USA Forscher gezeigt, dass Gewalt zwischen den Geschlechtern annähernd gleich verteilt ist. Dafür wurden sie von Feministinnen verleumdet, angegriffen und terrorisiert. Die Gründe für die Angriffe liegen auf der Hand – sie sind ideologisch und pragmatisch zugleich. Wird Frauen ebenso wie Männern Gewalt nachgewiesen, zerbricht der Mythos vom «friedfertigen Geschlecht», zerfällt mithin die konstruierte Kluft zwischen weiblichen Opfern und männlichen Tätern. Pragmatisch betrachtet lässt sich dann auch die Einseitigkeit der Schutzpolitik gegenüber Frauen nicht mehr aufrechterhalten.

Damit verlöre auch die Diabolisierung des Männlichen ein seit langem zementiertes Vorurteil. Galten Männer noch bis tief in die 1960er Jahre primär als Schöpfer der Kultur, Entdecker, Weise oder Staatenlenker, so setzte mit dem Beginn des Feminismus eine grundlegende Umwertung von Männlichkeit ein. Männer werden seither vorgestellt als Zerstörer der Natur, Kriegstreiber, Gewalttäter, Kinderschänder oder – in der Werbung – als Trottel. In ihrem Buch «Pornographie» postuliert die amerikanische Radikalfeministin Andrea Dworkin ebenso schlicht wie dezidiert: «Terror strahlt aus vom Mann, Terror erleuchtet sein Wesen, Terror ist sein Lebenszweck.» Das Dworkinsche Lösungsrezept ist konsequent: «Ich möchte einen Mann zu einer blutigen Masse geprügelt sehen.»

«Male Bashing» nennt man das in den USA. Tatsächlich scheint die Abwertung von Männern inzwischen so selbstverständlich geworden zu sein, dass auch niemand mehr aufmerkt, wenn zum Beispiel die Air France alleinreisende Männer nicht mehr neben Kindern sitzen lässt. Im Klartext geht diese Massnahme von der Annahme aus, dass jeder Mann – bloss weil er Mann ist – unter dem Generalverdacht steht, ein Kinderschänder zu sein.

Wenn man präzis verfolgt, wie männliche Eigenschaften in den vergangenen vier Jahrzehnten dargestellt worden sind, wird ein drastischer Perspektivenwechsel deutlich. Wurden früher zum Beispiel Mut, Leistungswille oder Autonomie von Männern hochgelobt, so werden heute diese einstigen Qualitäten als Aggressivität, Karrierismus und Unfähigkeit zur Nähe stigmatisiert.

Der Basler Zoologe Adolf Portmann hat schon vor Jahrzehnten eindringlich darauf hingewiesen, dass wir uns als biologische Mängelwesen Bilder selber erschaffen müssten, um uns in der Welt überhaupt orientieren zu können. Die moderne Neurobiologie geht noch weiter und definiert menschliches Leben als bildergenerierenden Prozess. Das Bild, das wir von uns als gemachtes Bild haben, ist identitätsstiftend. Ist dieses Bild negativ und verächtlich, führt es zu Identitätsstörungen. Diverse Arbeiten belegen mittlerweile den engen Zusammenhang zwischen der Erosion des Männerbildes auf der einen Seite und der dramatischen Zunahme von Jungengewalt andererseits3. Nach dem soziologischen Gesetz der «self fulfilling prophecy» exerzieren Buben, was ihnen zugeschrieben wird. Werden sie als Gewalttäter dargestellt, sehen sie sich irgendwann als Gewalttäter und handeln wie solche.

Zwischen Frauen und Männern besteht inzwischen eine tiefe gleichstellungspolitische Gerechtigkeitslücke. Die Folgen sind beträchtlich, das belegen zahlreiche Studien und Publikationen: Jungen sind zum Problemgeschlecht geworden. Psychische Störungen treten bei ihnen achtmal häufiger auf als bei Mädchen. Der Anteil von Jungen in Förderschulen beträgt zwei Drittel. Dreimal so viele Jungen wie Mädchen sind heute Klienten von Erziehungsberatungsstellen, und in der Pubertät bringen sich achtmal so viele Buben um wie Mädchen. 

Vaterlos und weiblichkeitsüberfrachtet

So vaterlos die junge Generation heute erzogen wird, so weiblichkeitsüberfrachtet ist sie zugleich. Jungen werden in einem engen Frauenkäfig von Müttern, Omas, Tanten, Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen und Sozialarbeiterinnen gross. Sie werden mit weiblichen Werten, Verhaltensmustern und Anpassungsforderungen zugeschüttet; aber sie sind angehende Männer, möchten und müssen wissen, was Männlichkeit bedeutet und wie sie gelebt werden kann. Wenn das von Frauen abstrakt oder manchmal auch abfällig vermittelt wird, entsteht ein Unbehagen, das Aggression erzeugen kann. In Kindergärten, Ganztagseinrichtungen, Schulen und Beratungsinstanzen stossen Jungen ständig an weibliche Grenzsetzungen. In ihrer Motorik und Renitenz drücken sie dann häufig ihren Widerstand gegen die Erziehungseinrichtungen als weibliche Bastionen aus. Die amerikanische Philosophin Christiana Hoff Sommers hat das sarkastisch kommentiert: Tom Sawyer und Huckleberry Finn würden heute in der Frauenschule Ritalin verordnet bekommen, um ruhiggestellt zu werden.

Das Weibliche ist heute – zumindest ideologisch und normativ – mehr wert als das Männliche. Das Weibliche ist in vielen Bereichen inzwischen auch selbstverständlich geworden, ohne dass es als solches reflektiert würde. Dementsprechend zeigen sich junge Männer heute geplagt von der Angst, als Geschlecht bald überflüssig zu werden4. Inzwischen ist die Situation so weit gediehen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit feministischen Postulaten schon als antidemokratisch diffamiert wird. Ein eklatantes Beispiel dafür ist die Schrift «Geschlechterkampf von rechts», die die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegeben hat; sie konnotiert in schlichtem Denken die Kritik am Feminismus mit Rechtsextremismus.5

Das hat Folgen, die sich für das Gemeinwesen als überaus schädlich erweisen. Verunsicherte Männer wagen sich zum Beispiel immer später in die Welt hinaus; die Hälfte der 25jährigen wohnt noch zu Hause; bei den über 30jährigen leben noch 14 Prozent im «Hotel Mama». Verunsicherte Männer sind auch zögerlich, eine Partnerschaft ein­zugehen und sich auf eine feste Beziehung einzulassen. Viele junge Männer trauen es sich einfach nicht mehr zu, für Familie und Kinder verantwortlich zu sein. Arbeitgeber klagen über ihre männlichen Auszubildenden. Ihnen fehle es an Disziplin, Wille zur Kontinuität, Standfestigkeit und Frustrationstoleranz. Das bestätigt auch das Lehrpersonal. Der prototypische Problemschüler ist heute männlich.

Insofern wäre es gesellschaftlich produktiv, sich an ein Umdenken über die reale Wertigkeit des Männlichen zu wagen. Die historische Fehlleistung der bisherigen Gleichstellungspolitik besteht darin, dass sie Männer grundsätzlich nur als Sündenböcke erkennt, aber nicht als Ansprechpartner wahrnimmt. Das ist – objektiv betrachtet – ein Skandal. Um das zu ändern, müssten aber die Männer mutig für ihre eigenen Belange einstehen.

 

 


 

1 Steffen Kröhnert, Reiner Klingholz: «Not am Mann. Von Helden der Arbeit zur neuen Unterschicht?». Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, 2009.

2 Peter Döge: «Männer – die ewigen Gewalttäter? Gewalt von und gegen Männer in Deutschland». Wiesbaden: VS-Verlag, 2011.

3 Vgl. Anthony Clare: «Männer haben keine Zukunft». Bern, Scherz, 2002; Susan Faludi: «Männer – das betrogene Geschlecht». Rowohlt: Reinbek, 2001; Dan Kindlon, M. Thompson: «Raising Cain: Protecting the Emotional Life of Boys». New York: Ballantine Books, 1999.

4 «20jährige Frauen und Männer heute». Studie von Sinus Sociovision, 2007.

5 Thomas Gesterkamp: «Geschlechterkampf von rechts». WISO-Diskurs, 2010.

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