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«Die Langsamkeit  der Politik nervt mich»
Daniel Peter, fotografiert von Daniel Jung.

«Die Langsamkeit
der Politik nervt mich»

Der Reformstau bewirke, dass die Leute mehr für die eigene Vorsorge täten, sagt der Gründer des Säule-3a-Anbieters Viac, Daniel Peter. Er erklärt, warum er sich freut, wenn die Konkurrenz von seiner Firma abkupfert.

 

Gemäss dem Jugendbarometer der Credit Suisse ist die ­Altersvorsorge die grösste Sorge junger Leute in der Schweiz. Gleichzeitig hat weniger als die Hälfte der unter 30-Jährigen ein Säule-3a-Konto. Wie erklären Sie sich das?

Wir sehen das auch bei unserer Kundschaft. Wir haben zwar relativ viele junge Kunden, aber nicht so viele, wie man bei einer digitalen Lösung erwarten würde. Wenn man volljährig wird, hat man in der Regel andere Prioritäten. Man macht eine Ausbildung oder hat sie gerade erst abgeschlossen, das Einkommen ist noch nicht so hoch, gerade wenn man studiert. Absolviert man eine Berufslehre, braucht man den Lehrlingslohn vielleicht eher für die Miete der ersten eigenen Wohnung. Man möchte vielleicht auch einen Sprachaufenthalt machen, die Welt entdecken und so weiter. Viele motiviert eher der Ärger über die ansteigende Steuerrechnung, ein 3a-Konto zu eröffnen, als der Wunsch, fürs Alter vorzusorgen. Dabei wäre eine Einzahlung mit 18 Jahren so wertvoll wie keine darauf – der Zinseszinseffekt ist krass.

 

Es ist also vor allem ein Problem der Prioritäten und nicht, dass die Möglichkeiten zu wenig bekannt wären?

Wenn ich mich in meinem Umfeld umschaue, bin ich positiv überrascht, wie gut junge Leute zumindest über die Grundzüge des Vorsorgesystems Bescheid wissen. Vielleicht sind gewisse Aspekte zu wenig bekannt, etwa wenn es um Optimierungen geht. Letztlich ist es aber eine Frage der Eigenverantwortung, sich auf den Ruhestand vorzubereiten.

Der 3a-Markt hat sich verändert, es sind neue Anbieter ­aufgetaucht. Fördert dies das Vorsorgesparen?

Was sich sicher verändert, ist die grundsätzliche Abwägung, ob man sein Geld privat investieren oder auf ein 3a-Konto einzahlen soll. Früher gab es die Möglichkeit noch nicht, das 3a-Vermögen zu 100 Prozent in Aktien anzulegen – wir waren die ersten, die das angeboten ­haben. Ich denke schon, dass durch die neuen Angebote gewisse Kundensegmente, die zuvor skeptisch waren, die Säule 3a für sich entdeckt haben. Es entsteht auch ein Konkurrenzkampf, der Kunde hat plötzlich eine viel grössere Auswahl.

 

Wie gross ist der durchschnittliche Aktienanteil Ihrer ­Kunden?

Wir weisen das nicht genau aus, aber er ist hoch. Das hat vielleicht auch mit dem Zinsniveau zu tun, das lange Zeit sehr tief war. Jetzt ändert sich das.

 

Was heisst das für die Anleger?

Wer in Obligationen investiert hat, hat durch die gestiegenen Zinsen Geld verloren. Wir hatten nie Obligationen im Portfolio, immer Cash und Realwerte, also Aktien, Immobilien und Gold. Wir wussten: Irgendwann müssen die Zinsen steigen, sie können nicht noch tiefer in den negativen Bereich rutschen.

 

Wie beeinflusst die aktuelle Entwicklung mit höherer ­Inflation, höheren Zinsen und Börsenbaisse Ihr Geschäft?

Unternehmerisch gesehen war 2022 ein unterdurchschnittliches Jahr. Die Zahl der Kunden wächst zwar weiter, aber nicht mehr ganz so schnell. Auch bei den Einzahlungen beobachten wir eine gewisse Zurückhaltung. Angesichts des Ukrainekrieges und der Inflation ist es auch verständlich, dass die Leute ein Sicherheitspolster behalten wollen. Positiv finde ich, dass viele an ihrer Strategie festhielten – auch in dieser unsicheren Phase.

 

Die Reform AHV 21 ist an der Urne angenommen worden, weiterhin besteht aber erheblicher Reformbedarf. In der zweiten Säule soll der Umwandlungssatz sinken. Beeinflussen diese Entwicklungen die Nachfrage nach 3a-Lösungen?

Bei einigen Leuten gibt es wohl schon ein grösseres Bewusstsein, dass sie selbst mehr tun müssen. Früher war eine gute Altersvorsorge normal und wurde an den ­Arbeitgeber respektive die Pensionskasse «delegiert». Heute muss man sich selber aktiver um die Vorsorge kümmern, schlicht deshalb, weil die Politik zu langsam ist. Das nervt mich. Es fehlt an echten Lösungsansätzen – auch die Erhöhung der maximalen Säule-3a-Einzahlung oder die Möglichkeit, sich für verpasste Einzahlungen auch in der Säule 3a einkaufen zu können, lösen keine Probleme. In meinen Augen sollte man viel weiterreichende Reformen prüfen.

 

Was wäre denn Ihr ideales Vorsorge­system, wenn Sie es auf der grünen Wiese ­entwerfen könnten?

Ich finde es grundsätzlich gut, den Leuten Wahlfreiheit zu geben. Es ist eine spannende Idee, diese Wahlfreiheit auch in der zweiten Säule zu vergrössern. Wieso soll nicht jeder seine Pensionskasse selbst wählen können? Wer eine Familie hat, dem ist vielleicht eine hohe Risikoleistung wichtiger. Ein anderer bevorzugt einen möglichst hohen Sparanteil. Die individuelle Flexibilität sollte möglichst hoch sein. Das setzt aber natürlich auch ein gewisses Know-how voraus. Es bräuchte eine gute Standardlösung für jene, die sich nicht mit dem Thema befassen wollen. Das System sollte sehr durchlässig sein, so dass man einfach wechseln kann, und komplette Flexibilität bei den Anlagen bieten. Das wäre meine Wunschvorstellung. Ich finde es gut, dass der Staat gewisse Leitplanken setzt. Denn die meisten wären mit der totalen Wahlfreiheit überfordert. Wichtig ist die Fairness, vor allem über die Generationen, aber auch dem System gegenüber. Es ist richtig, dass man sich Pensionskassengelder auszahlen lassen kann. Wenn man aber alles verprasst und dann auf Kosten Dritter lebt, ist das auch nicht fair.

Ihr Unternehmen Viac ist 2017 entstanden.
Wie kam es dazu?

Ich arbeitete früher bei einer Privatbank, zusammen mit Christian Mathis, einem meiner Mitgründer. Wir merkten: Die Altersvorsorge ist in Schieflage, unsere Generation wird ein Problem haben, wenn nichts passiert. Es war uns auch klar, dass die Säule 3a eigentlich grosse Vorteile bietet, diese aber vielfach gar nicht genutzt werden. Zugleich ist es ein Geschäft, das sich einfach digitalisieren lässt. Hier sahen wir die Möglichkeit, mit einem effizienten System eine Lösung anzubieten: Es gibt keine Einstiegshürden, der Kunde erhält einen einfachen Zugang per App und kann ab einem Franken investieren. Das war der Anfang.

 

Wie viele Kunden haben Sie heute?

Wir haben rund 75 000 Kunden und verwalten rund 2,1 Milliarden Franken. Wir sind nicht nur relativ schnell gewachsen, sondern haben als erster digitaler Anbieter auch Bewegung in den Markt gebracht. Es war cool zu sehen, wie unsere Innovationen von der Konkurrenz aufgenommen worden sind.

 

Was ist Ihre Vision? Als Unter­nehmer wollen Sie ­natürlich Geld verdienen, aber hinter dem ­Geschäftsmodell scheint auch eine Überzeugung zu stecken.

Als wir Viac gründeten, hatten wir nicht das Ziel, möglichst schnell gross zu werden und die Firma zu verkaufen. Es ist uns wichtig, ein gutes Produkt anzubieten. Deshalb wollen wir auch Kostenvorteile weitergeben. Wenn man effizient aufgestellt ist und Prozesse automatisiert, kann man an der Preisschraube drehen und behält trotzdem noch eine attraktive Marge.

 

Das klingt fast so, als würden Sie aus reiner Grosszügigkeit die Preise senken.

So würde ich es vielleicht nicht formulieren. Aber den Markt auf den Kopf zu stellen, ist für mich die grössere Motivation als die Aussicht, am Ende des Tages mehr Geld auf dem Konto zu haben. Automatisierung und ­effiziente Prozesse sorgen für eine tiefere Kostenbasis. Wenn wir diese Vorteile weitergeben, verdienen wir nicht zwingend weniger, denn der Kunde hat ein besseres Produkt und empfiehlt uns weiter. Wir wollen den Finanzplatz bewegen. Meine grösste Sorge ist, dass die Schweiz stark im Hintertreffen ist, was die Digitali­sierung angeht.

Wieso?

Wenn ich die grösseren Veränderungen anschaue, beispielsweise im Retail-Banking, ist man in der Schweiz meistens am Kopieren. Die ganzen digitalen Konto-­Karten-Lösungen etwa sind nichts anderes als ein ­Abklatsch aus dem Ausland. Klar gibt es auch regulatorische Hürden. Aber ich fände es schön, wenn wir in der Schweiz zukunftsfähigere Modelle bauen und Innovation stärker pushen würden.

«Meine grösste Sorge ist, dass die Schweiz stark im Hinter­treffen ist, was die Digitalisierung ­angeht.»

 

Hat die Schweiz dafür die richtigen Rahmenbedingungen?

Man muss zwischen zwei Formen von Rahmenbedingungen differenzieren. Auf der einen Seite geht es um Wagniskapitalgeber und Netzwerke. Hier gab es in den letzten Jahren positive Entwicklungen, aber im Vergleich zu angelsächsischen Ländern ist es noch immer schwierig, geeignete Investoren zu finden, die nicht nur Geld mitbringen, sondern auch Know-how und Netzwerke. Auf der anderen Seite stehen die regulatorischen und steuerlichen Rahmenbedingungen. Gerade die ­regulatorischen Rahmenbedingungen sind seit der Finanzkrise deutlich restriktiver geworden. Dies ist zwar nachvollziehbar, da die Finanzindustrie in dieser Zeit viel Vertrauen verspielt hat. Allerdings kann dies zu ­hohen Eintrittshürden für neue Anbieter führen. In der Vorsorge waren wir davon aber weniger betroffen. Auch die steuerlichen Rahmenbedingungen sind nicht optimal für Gründer. Hat man Erfolg, steigt die Firmen­bewertung stark an und man ist gezwungen, Liquidität aus der Firma zu entnehmen, um Steuern zu bezahlen, anstatt zu investieren.

 

Was sind Ihre weiteren Pläne mit Viac?

Wir haben unsere Produktpalette laufend ausgebaut und bieten heute etwa Freizügigkeitslösungen für die zweite Säule, Hypotheken oder eine Todesfall- und ­Invaliditätsabsicherung an. Ein Teil der Produkte ist ­allerdings nur in der Web-App, also über PC und Tablet, verfügbar. Der nächste Schritt ist, dass die Kunden auf allen Plattformen durchlässig alle Produkte nutzen können. Unser langfristiges Ziel ist der Vorstoss ins ­private Sparen. Dort gibt es auch einen Bedarf, einen einfachen Zugang zu schaffen mit einer transparenten, verständlichen Lösung.

«Unser lang­fristiges Ziel ist der ­Vor­stoss ins ­private ­Sparen.»

 

Wie könnte man den Zugang zur Säule 3a und allgemein zur privaten Vermögensbildung verbessern?

Wie schon erwähnt hat nicht jeder das nötige Know-how. Ich denke, hier hat auch der Staat eine Verantwortung, im Rahmen der Schulbildung das Finanzwissen zu stärken. Dabei sollte es nicht nur um die Vorsorge gehen, sondern beispielsweise auch darum, wie man eine Steuererklärung ausfüllt oder für ein Eigenheim spart.

Ist finanzielle Bildung nicht Privatsache?

Grundsätzlich schon, aber wenn einer Person das Wissen über den Umgang mit Geld fehlt, fällt das Problem auf die Allgemeinheit zurück. Wenn jemand seine Pensionskassengelder verprasst, ist es nicht die Privatwirtschaft, die ihn unterstützt. Mit einer gewissen Grundbildung lassen sich potentielle Kosten in der Zukunft vermeiden.

 

Wie verändert die Digitalisierung die Altersvorsorge?

Grundsätzlich wird die Altersvorsorge zugänglicher. Sie wird zudem günstiger und somit besser, weil man dank dem Zinseszinseffekt mehr Geld im Alter hat. Und sie ermöglicht, etwa im Säule-3a-Markt, mehr Wettbewerb und mehr Auswahl.

 

Beschränkt sich dieser Vorteil auf die dritte Säule, oder könnte man sich auch bei der zweiten Säule eine stärkere Digitalisierung vorstellen?

Ich wurde auch schon gefragt, ob es nicht eine umfassende Vorsorgeplattform geben sollte, mit AHV, zweiter und dritter Säule. Doch frage ich mich, was der Mehrwert ist, wenn ich mich in meinen Pensionskassenplan einloggen kann, wo ich doch nichts verändern kann. Bei der zweiten Säule müsste man die Flexibilisierung des ganzen Topfs diskutieren. Dann ergibt Digitalisierung Sinn, weil man mehr Interaktion hat. Wenn man mehr selbst bestimmen kann, ist man auch eher gewillt, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

 

Wie haben Sie Ihr eigenes Vorsorgevermögen angelegt?

Ich habe einen Dauerauftrag eingerichtet, mit dem ich jeden Monat auf mein 3a-Konto einzahle, wie wir das auch unseren Kunden empfehlen. Ich bin sehr sportlich investiert, habe also einen hohen Aktienanteil.

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