Die Kryp-to-do-Liste
Wer ist gefordert, damit eine Schweizer Kryptowirtschaft entsteht und überlebt?
1. Die Banken
Dass sich viele Schweizer Banken schlicht weigern, Konten für Unternehmen im Kryptobereich zu eröffnen, ist arrogant und fahrlässig. Die entstehende Marktlücke besetzt dann etwa die Bank Frick, eine kleine aufstrebende Firma in Liechtenstein mit rund 90 Mitarbeitern, die sich geschickt positioniert. «Wie sich die etablierten Banken gegen diese neuen Entwicklungen stemmen, tut fast schon weh», sagt vision&-CEO Lidia Bolla. Wo sind die Schweizer Banken, die hier Chancen sehen und nicht nur Bedrohungen?
2. Die Regulierungen
Nach Ankündigungen von Regierungspolitikern, Kryptowährungen regulieren zu wollen, sind die Preise schon mehrmals eingebrochen (und haben sich immer wieder davon erholt). Viele Kryptofirmen suchen allerdings regelrecht nach Regulierungen, denn sie streben, wie jede andere Firma auch, nach Rechtssicherheit. Als First Mover hat die Schweiz die Chance, kluge Standards mit möglicherweise weltweiten Auswirkungen zu setzen. Wo sind die Politiker, die sich dieses Themas ernsthaft annehmen und so falsche und unnötige Regulierungen verhindern?
3. Die Briefkästen
«Im Crypto Valley Zug gibt es mehr Briefkastenfirmen als eigentliche Start-ups. Wären die Rahmenbedingungen hier durchwegs grossartig, dann wären die Firmen alle mit ihren Mitarbeitern hier und hätten nicht nur eine Domiziladresse», sagt Kryptounternehmer André Wolke. Natürlich hat er recht: eine nachhaltige Wirtschaft besteht nicht nur aus Briefkästen. So wie sich Google für den Standort Zürich entschieden hat und so wie sich Novartis immer wieder für einen Verbleib in Basel entscheidet, so müssen sich die Kryptounternehmen aktiv für die Schweiz entscheiden. Es geht jetzt und in den nächsten Jahren darum, aufstrebende Kryptofirmen (und nicht nur ihre Briefkästen) dazu zu bringen, sich in der Schweiz anzusiedeln und hier Steuern zu zahlen. Was treiben die Standortförderer?
4. Das Sozialleben
Als ich Anfang Februar in Zug unterwegs war, war die Fasnacht in vollem Gange: Konfetti, Kostüme, Menschen mit roten Nasen. Gut möglich, dass sich auch Softwareentwickler Davit aus Tiflis oder Kryptografieexpertin Sandy aus Miami für die Fasnacht begeistern können. Damit diese Menschen in Zug bleiben wollen, braucht es jedoch mehr, sagt Patrick Schilz, ein Deutscher, der nach Stationen in Singapur und Palo Alto ins Crypto Valley gezogen ist und in Zug wohnt. Es sei zwar lobenswert, dass von der Vermietung bis zur Krankenversicherung alles auf internationale Kundschaft ausgelegt sei: wer Englisch spreche, komme problemlos an in Zug. Was es aber brauche, sei eine «Millennial-Infrastruktur», also ansprechende Orte, um zusammenzuarbeiten und Kaffee zu trinken, aber auch, um auszugehen und Parties zu feiern. Berlin kann hier Nachhilfeunterricht geben. Wer bewirtet die neuen Unternehmer?
5. Die Migrationsbestimmungen
In einer Umfrage unter 400 Expats1 gaben fast 70 Prozent an, sie hätten in der Schweiz Schwierigkeiten, Freunde zu finden. Rund die Hälfte von ihnen war vor allem mit anderen Expats befreundet. Neben der Sprache und der Kultur gibt es Probleme mit der Aufenthaltsbewilligung. Wer nicht aus dem Schengenraum kommt, muss alle drei Monate wieder ausreisen – eine Spanne, die auch auf sechs oder zwölf Monate verlängert werden könnte. Die Personenfreizügigkeit im Schengenraum nützt hier wenig, schliesslich sitzt die Konkurrenz vor allem in Singapur, Hongkong, Dubai und im Silicon Valley. Soll die Schweiz nicht ein Land sein, das die besten Talente weltweit anziehen und auch halten kann?
6. Die Wirtschaftspolitik
Schrumpfen die Banken künftig zu einem marginalen Wirtschaftszweig, so braucht die Schweiz eine Branche, die sie im Finanzbereich (und darüber hinaus) ersetzt. Was eignete sich also besser als eine neue Technologie, deren Entwickler und Benutzer weltweit als «schweizerisch» bekannte Werte wie Verlässlichkeit und Sicherheit suchen? Von Mining in Gondo mit kostengünstigem Strom aus Wasserkraft über das Aufbewahren von privaten Schlüsseln bis zum sicheren Serverstandort stehen der hiesigen Wirtschaft Hunderte von Möglichkeiten offen. Wann wird dem – im Hinblick auf neue Technologien weitgehend ahnungslosen – National- und Ständerat diese Erkenntnis verklickert? Und von wem?