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Die Krisenpolitik der  Zentralbanken geht einem  bösen Ende entgegen
Thorsten Polleit, zvg.

Die Krisenpolitik der
Zentralbanken geht einem
bösen Ende entgegen

Die Geldmengenausweitung hat den Ressourcenverbrauch und die Verschuldung in die Höhe getrieben. Die Lösung liegt darin, den Menschen die Freiheit bei der Wahl des Geldes zu geben.

Man kennt es aus der Medizin: Medikamente, die Leiden lindern sollen, haben oftmals unerwünschte Nebenwirkungen. Oder es stellt sich sogar heraus, dass ein Medikament ursächlich für ein Leiden ist. Auch Zentralbanken werden heutzutage als unverzichtbar angesehen, wenn es gilt, für «stabiles Geld» zu sorgen und Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Und wenn es Finanz- und Wirtschaftskrisen gibt, dann wird im geldpolitischen Handeln die Rettung, die Krisenlösung erblickt. Doch was wäre, wenn sich herausstellen sollte, dass es die Geldpolitik selbst ist, die die Ursache für immer wiederkehrende, immer grössere Krisen ist? Dass sie die von ihr verursachten Krisen nicht lösen kann?

Zu genau diesem Schluss kommt die monetäre Konjunkturtheorie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, die mit Namen verbunden ist wie zum Beispiel Carl Menger (1840–1921), Ludwig von Mises (1881–1973) und Friedrich August von Hayek (1899–1992). Ihr zufolge führt die Ausweitung der Geldmenge durch Kreditvergabe (man spricht hier von «ungedecktem Geld» oder «Fiatgeld») zu einem künstlichen Absenken der Marktzinsen. Dadurch wird ein konjunktureller Aufschwung («Boom») in Gang gesetzt, der aber in sich zusammenbrechen und in einem Abschwung («Bust») enden muss. In der Stunde der Not werden dann Rufe laut, die Zentralbank solle die Krise mit noch niedrigeren Zinsen und noch mehr Geld «bekämpfen».

Fehlallokation von Kapital

Das ein oder andere Mal mag es den Zentralbanken zwar gelingen, den Bust in einen neuerlichen Boom zu überführen. Doch im Zuge der damit verbundenen Zinssenkungen und Kredit- und Geldmengenvermehrung nimmt die Fehlallokation von Kapital zu. Die niedrigen Kreditzinsen ziehen die Kapitalkosten nach unten, und unproduktive Unternehmen («Zombiefirmen») werden am Leben gehalten. Guten Firmen wird es erschwert, Marktanteile hinzuzugewinnen. Die niedrigen Zinsen verhindern nicht nur, dass sich aufgelaufene Fehlentwicklungen korrigieren, sie sorgen auch für noch mehr Fehlallokationen. Knappe Mittel wandern nicht mehr zum besten Wirt, und die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft schwindet.

«Das Heruntermanipulieren der Zinsen hat weitreichende Folgen

für die Werte der Menschen.»

Das Heruntermanipulieren der Zinsen durch die Zentralbanken hat weitreichende Folgen für die Werte, die Moral der Menschen. Es treibt ihre «Zeitpräferenz» in die Höhe: Das Gegenwärtige, das sie ohnehin höher wertschätzen als das Zukünftige, erscheint nun noch dringlicher. Geduld, Nachsicht, Verzicht sind out. Man konsumiert vermehrt, auch wenn das auf Kosten der künftigen Versorgung geht. Dadurch wird der Ressourcenverbrauch in die Höhe getrieben im Vergleich zu einer Situation, in welcher der Zins nicht künstlich abgesenkt worden wäre. Auch wird die Ausbildung der Menschen hastiger, man nimmt sich weniger Zeit zu reifen.

In der Überschuldungsfalle

Das Umfeld niedriger Zinsen lässt vor allem den Bankenapparat immer grösser werden, und die Steuerzahler müssen ihn auf Gedeih und Verderb finanzieren, weil die Öffentlichkeit meint, sich den Bankrott von Grossbanken nicht mehr leisten zu können («Too Big to Fail»). Vor allem verleiten die niedrigen Kreditkosten auch Konsumenten und Produzenten, insbesondere die Staaten, ihre Ausgaben verstärkt auf Pump zu finanzieren. Weil dabei die Schulden schneller anschwellen, als die Einkommen der Volkswirtschaft zulegen, steigt die Schuldenlast der Volkswirtschaften an. Anders gesagt: Das Festhalten der Zentralbanken an einer Politik der Zinssenkungen und der Kredit- sowie Geldmengenvermehrung treibt die Volkswirtschaften in eine Überschuldungsfalle.

Die Datenlage erhärtet diese Befürchtung. So schätzt das Institute of International Finance (IIF), dass im dritten Quartal 2022 die globale Gesamtverschuldung bei 290 Billionen US-Dollar lag – und damit etwa 343 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung betrug. Es ist daher vermutlich gar nicht mehr möglich, die Zinsen wieder auf normale Niveaus anzuheben, ohne die Kreditpyramide zusammenbrechen und mit ihr Produktion und Beschäftigung in den Abgrund stürzen zu lassen. Zumal die Verschuldung, die in den letzten Jahren aufgetürmt wurde, mit extrem niedrigen Zinsen finanziert wurde, teilweise sogar mit Nominalzinsen, die niedriger lagen als die Güterpreisinflation.

Die Lage ist jüngst noch prekärer geworden, weil jetzt die Inflation der Konsumgüterpreise in vielen Ländern in die Höhe geschossen ist. Die Geldentwertung verursacht vielen Menschen akute Not, befördert politische Proteste, und die Inflation droht, wenn sie anhält, das Vertrauen in die ungedeckten Währungen – also US-Dollar, Euro & Co. – zu zersetzen. Die grossen Zentralbanken der Welt haben sich daher aufgemacht, die Zinsen anzuheben, um die ­Güterpreisinflation zu reduzieren. Folgt man aber der Theorie der Österreicher, wird das absehbar einen neuerlichen Bust auslösen: Die wirtschaftlichen und politischen Strukturen, die sich im Zuge der Niedrig- und Negativzinspolitik aufgebaut haben, lassen sich bei steigenden Zinsen nicht mehr aufrechterhalten.

Die Geldpolitik der Zen­tralbanken, die darin besteht, neues ungedecktes Geld (Fiatgeld) per Kreditvergabe zu drucken, hält die Volkswirtschaften nicht nur im «Boom-und-Bust-Zyklus» gefangen. Sie treibt auch einem sprichwörtlich bösen Ende entgegen: Die Erfahrung lehrt, dass Regierende und Regierte in Zeiten der Bedrängnis in der ungehemmten Geldmengenvermehrung zur Bezahlung offener Rechnungen das kleinste Übel erblicken, um einem vermeintlich noch grösseren Übel zu entkommen. Gegenwärtig reduzieren die Notenbanker die Zentralbankgeldmengen; sollten allerdings – wie Anfang 2020 – die Kreditmärkte in die Knie gehen, dürften sie diesen Kurs schnell verlassen. Oder aber der Staat schaltet nach und nach das freie Marktsystem ab – vor allem durch Höchstpreise (bei knappen Gütern) und Mindestpreise (für reichlich vorhandene Güter). So entsteht eine Befehls- und Lenkungswirtschaft, in der der Staat bestimmt, wer was wann und unter welchen Bedingungen zu produzieren hat und wer was wann konsumieren darf.

Menschen wählen gutes Geld

Was also kann man tun, wenn man den chronischen Geldwertschwund abwehren, den Gang in die Unfreiheit von Wirtschaft und Gesellschaft abwehren will? Die Lösung besteht nicht darin, eine «bessere» Geldpolitik zu betreiben, nicht darin, weisere Zentralbankräte zu berufen. Sie besteht vielmehr darin, das Geld wieder zu dem zu machen, was es währungshistorisch die längste Zeit gewesen ist: ein Phänomen des freien Marktes. Das hat stets sehr gut funktioniert. Man denke nur etwa an das Goldgeld «Florin» im Spätmittelalter, das von 1252 bis 1533 im Einsatz war, oder an die silberne Recheneinheit «Marc Banco», auf welche die Hamburger Kaufleute und ihre Geschäftspartner von 1621 bis 1875 mit Erfolg bauen konnten.

Was man aus der Währungsgeschichte lernen kann, ist ganz einfach: Man muss den Menschen die Freiheit bei der Wahl des Geldes zugestehen. Ihnen muss erlaubt sein, dasjenige Gut frei wählen zu können, das ihren Bedürfnissen am besten entspricht. Und den Menschen muss es ebenso offenstehen, ihren Zeitgenossen ein Gut anzubieten, das diese freiwillig als Geld nachzufragen wünschen. Letztlich sind es dann die Geldnachfrager, die entscheiden, was als Geld Verwendung findet. Sie werden «gutes Geld» wählen – genauso wie sie gute Turnschuhe, gute Urlaubsreisen und gute Computer und nicht schlechte nachfragen. Was dabei als Geld gewählt wird, lässt sich vorab nicht mit Sicherheit sagen – schliesslich ist der freie Markt ein «Entdeckungsverfahren». Aus heutiger Sicht könnten jedoch Edelmetalle, Gold und Silber, aber auch Kryptoeinheiten (Bitcoin) das Rennen machen. In einem freien Markt für Geld gibt es keine Zentralbank, keine Politik der Zins- und Geldmengenvermehrung. Die monetär getriebenen Krisen hören auf, knappes Kapital kann besser als im ungedeckten Geldsystem in die dringlichsten Verwendungen gelenkt werden, und die Prosperität der breiten Bevölkerung wird erheblich befördert. Der Staat kann nicht mehr still und heimlich immer mächtiger werden – auf Kosten der Freiheit von Bürgern und Unternehmern. Vor allem verteuern sich Kriege, werden weniger, die Welt wird friedvoller.

Wenn mit Blick auf Zentralbanken, ihre Zinspolitik und das von ihnen ausgegebene ungedeckte Geld die Unschuldsvermutung fällt, wenn die Wahrheit über das Fiatgeld ans Licht kommt, dann wird der Aufruf, einen freien Markt für Geld zu schaffen, überzeugend, unwiderstehlich und ermutigend sein – weil er den Weg zu einem besseren Geld weist, das eine bessere Welt verspricht.

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