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Die Kopfkissen-Gans
Hugo-Loetscher-fotografiert-von-Sabine-Dreher

Die Kopfkissen-Gans

Mach deine Augen zu und horch am Kopfkissen. Die Kopfkissen-Gans wartet. Hau ruhig drauf aufs Kopfkissen, bevor du den Kopf hineinlegst. Das tut der Gans nicht weh. Solange du die Augen offen hast, spürt sie nichts. Erst wenn du schläfst, holt sie ihre Federn. Du hast einmal eine Feder aus dem Kissen gezogen und sie durch die Luft geblasen, das war recht unbedacht, denn sie ging verloren. Du solltest die Gans hinterher nicht noch einmal rupfen, sie ist gerupft; sie braucht die Federn, und zwar alle und gerade die feinen, die Daunen. Schliess also die Augen und horche, was die Kopfkissen-Gans vorhat, wenn sie die Federn aus deinem Kissen rupft und sie auf ihren Scheitel, an den Hals und an die Innenseite der Schenkel steckt. Natürlich macht sie sich sofort bemerkbar. Du musst begreifen, sie wartet den ganzen Tag, bis du deinen Kopf aufs Kissen legst und die Augen zumachst, dann beginnt ihre Stunde, dann kommt sie zu den Federn, die ihr einst gehörten, und sie ist für eine Nacht wieder eine volle Gans, von den Zehen über ihren gedrungenen Körper bis zum Kopf. Sie fängt auch gleich zu schnattern an, das machen die Gänse, wenn sie zufrieden sind. Die Kopfkissen-Gans hat warten gelernt. Es kann draussen längst dunkel sein, deswegen bist du noch lange nicht im Bett, und du fängst an, deine Sachen aufzuräumen, nur um noch nicht unter die Decke schlüpfen zu müssen, auch wenn du vor Müdigkeit fast umfällst, du würdest lieber auf dem Teppich einschlafen. Die Kopfkissen-Gans hat Geduld, auch wenn sie schon an ihrer Bürzeldrüse drückt, denn unterm Schwanz hat sie eine Tube, daraus quetscht sie Öl und reibt sich damit ein. Die Federn müssen halten, mindestens so lange, wie du schläfst, also eine gute Nacht lang, und diese gute Nacht kann nicht nur lang, sondern auch sehr tief sein.

Du brauchst nicht zu blinzeln. Die Kopfkissen-Gans sieht man nur mit geschlossenen Augen. Also zieh die Decke bis zum Kinn und tu nicht, als ob du nicht geblinzelt hättest. Gib auf den Bären acht, damit er nicht erstickt. Es muss dir doch an ihm liegen, es hat jedenfalls gedauert, bis du dich entschieden hast, ihn ins Bett mitzunehmen und nicht die Puppe mit dem echten Haar, die man kämmen kann. Sie alle, das Kaninchen mit dem Kaninchenfell und das Kamel, das auf drei Beinen steht, die geschnitzte Kuh, auf die du Flecken gemalt hast, die Katze aus Plastik, die mit dem Kopf wackelt, und die Schildkröte aus Gummi, die ich dir einmal mitgebracht habe, sie alle haben die Kopfkissen-Gans gesehen. Vor diesen Tieren, die zum Spielen da sind, und vor den Puppen, welche die Menschen nachmachen, schämt sich die Kopfkissen-Gans nicht. Sie kommt gerupft, sie zeigt ihre blosse Haut, jene Gänsehaut, die auch wir Menschen kriegen, wenn wir frieren oder der Schreck uns in die Glieder fährt.

Wir aber, wir sehen die Kopfkissen-Gans nicht, auch nicht wir Erwachsenen, auch nicht ich, obwohl ich ein Onkel bin, der dich zu Bett bringt, es sei denn, wir schliessen die Augen. Wenn du jetzt die Augen schliesst und wir für einen Moment still sind, können wir vielleicht wenigstens hören, wie die Gans auf das Zimmer zuwatschelt. Mag sein, dass sie schon im Treppenhaus ist. Du kennst die Gangart der Gänse, du hast im letzten Sommer ein paar im Wylermoor gesehen, und du bist erschrocken, weil sie mit ihren gestreckten Hälsen drohten. Das waren Hausgänse, enge Verwandte der Kopfkissen-Gans, aber die Kopfkissen-Gans ist ein Zugvogel, am ehesten der Graugans ähnlich, sie braucht die Aschenfarbe, um nicht zu verraten, wie bunt es in ihrem Kopf zugeht.

Auf dem Boden setzt sie wie die anderen den ersten Fuss vor den zweiten und genau in der Mitte, wo sie am schwersten ist; bevor sie torkelt, setzt sie den zweiten Fuss vor den ersten, balanciert und kippt von einem Schritt in den nächsten. Aber für dich ist nicht das Watscheln wichtig, sondern dass sie zum Flug ansetzt.

Den Segelflug beherrscht die Kopfkissen-Gans nicht, auch wenn sie es zwischendurch versucht, aber den braucht sie gar nicht für die Entfernungen, welche sie zurücklegt. Sie macht in der Stunde mehr als die achtzig oder neunzig Kilometer der übrigen Gänse. Denn unter Umständen fliegt sie mit dir in einer einzigen Nacht rund um die Welt und dies ein paarmal; sie muss am andern Morgen wieder zurück sein und alle Federn in dein Kissen tun, bevor du erwachst. So schnell jetet kein Flugzeug; wenn du mitfliegen willst, dann musst du zunächst einmal die Augen schliessen, damit es dir nicht schwindlig wird.

Die Kopfkissen-Gans kommt herum, das macht sie nach der Gänse Art, die nicht nur an einem Ort zu Hause sind – die tschechischen Gänse gehen nach Griechenland und die aus Sibirien an die Ostsee, dänische Gänse verbringen den Winter in Südfrankreich und die aus Island gehen nach England. Man müsste eine Karte haben, auf der nicht die Linien eingetragen sind, welche die Länder trennen, sondern wo man die Linien sieht, welche die Züge der Gänse anzeigen; Gänse glauben nicht an Grenzen, das ist wohl der Grund, weshalb einige Menschen der Gans sagen, sie sei eine dumme Gans.

Weil die Kopfkissen-Gans herumkommt, hält sie es wie alle, die herumkommen, sie will gleich erzählen. Das kennst du von deinem Onkel. Aber als du mit deiner Schulklasse zum ersten Mal eine Fahrt in die Berge unternahmst, hast du hinterher auch noch tagelang davon gesprochen. Die Kopfkissen-Gans, die ist an ganz anderen Orten gewesen, aber sie erzählt nicht nur, weil sie herumkommt.

Ganz nackt und völlig gerupft erscheint sie nämlich nicht, sondern sie hat sich vorgesehen. Bevor sie zu dir kam, war sie schon anderswo und hat andere Federn eingesammelt. Sie holt alle Gänsekiele, die erreichbar sind, diese Gänsekiele, die einst geschnitzt und gespalten wurden und in den Tintenfässern gesteckt haben. Diese Kiele tut die Kopfkissen-Gans als Schwungfedern in die Flügel, alle jene Federn, die einmal eine menschliche Hand geführt hat, mit denen Urkunden aufgesetzt und Schulaufgaben gemacht worden sind, mit denen Briefe geschrieben und Rechnungen aufgestellt wurden oder was immer man sonst mit einem in Tinte getauchten Gänsekiel zu Papier bringen kann.

Wenn die Kopfkissen-Gans zum Flug ansetzt, und sie kann senkrecht starten, wenn es sein muss, sind ihre Flügel ob all der Gänsekiele voll von Geschichten, ehe sie den Schnabel auftut.

Und sie tut den Schnabel auf. Sie hat schon im Ei reklamiert, als das nicht richtig warm war; sie hat mit einem Weinlaut angefangen, da sie als kleine Gans eben noch nicht selber die Hindernisse wegtun konnte, so weinte sie, das kennst du auch, sie müsste lernen, die Kraft, die man fürs Weinen brauchte, in die Flügel und in den Hals zu stecken, um das Hindernis selber wegzuschaffen. Ich weiss, die jungen Gänse geben einen Laut von sich, damit teilen sie den Eltern und den Geschwistern mit, wenn sie müde sind und schlafen gehen wollen.

Die Gänsesprache aber, die verstehen all die Kinder, welche der Kopfkissen-Gans für eine Nacht die Federn überlassen. Auch wenn die Kopfkissen-Gans nicht den letzten Laut verrät, die Kinder brauchen sich nicht so merkwürdige Dinge einfallen zu lassen wie gewisse grosse Leute; die haben einer weissen Schlange den Kopf abgeschlagen, ihn geteilt und eine Erbse hineingetan und das Ganze vergraben, und als eine Erbsenstaude wuchs, da haben sie die erste Schote gegessen, um die Gänsesprache zu verstehen.

Nun geht die Kopfkissen-Gans nicht nur an den Nil oder sonst einen grossen Fluss wie den Orinoko in Südamerika, um dort andere Gänse zu besuchen. Sie geht vor allem zu jenen, die bedroht sind, und fliegt mit deinen Federn auch nach Hawaii. Du kennst die Insel, du hast sie einmal im Fernsehen gesehen. Aber die Kopfkissen-Gans sucht dort die Sandwich-Gänse auf. Die heissen nicht so, weil man sie zwischen zwei Scheiben Brot steckt, sondern nach einer gleichnamigen Insel, die man auch nicht essen kann.

Auf Hawaii laufen die Gänse auf der Lava herum und richten sich auf den Abhängen der Vulkane ein. Nicht nur der Mensch hat sie gejagt, sondern auch verwilderte Hunde und Schweine, es wurden Schleichkatzen eingesetzt, die hörten die Gänse nicht, und als sie schrien, da hatten die Raubtiere die Gänse bereits zwischen den Zähnen.

Die Kopfkissen-Gans sucht die Welt auf, die einst den Gänsen gehörte. Das führt sie bis in eine Riesenstadt wie New York, dort liessen sich in Long Island Wolkenkratzer nieder, aber keine Gänseschar mehr, dabei gibt es Gänse, die bauen auch in die Höhe, die nisten auf Ästen und in Gabelungen von Weiden.

Und so leuchtet es ein, dass die Kopfkissen-Gans die entwässerten Moore aufsucht und die trockengelegten Seen, jene Kanäle, in denen viele junge Gänse nicht mehr weiterkamen, weil sie die harten Kanten nicht hinaufklettern konnten. Die Kopfkissen-Gans nimmt Richtung auf die Hafenstädte. Gewöhnlich steigen die Gänse, wenn sie sich den Städten nähern, und fliegen nur tief in der freien Natur. Die Kopfkissen-Gans aber geht von der Höhe hinab fast zu den Kaminen, Türmen und Fernsehantennen, weil sie das Land ausmisst, das einst den Gänsen zur Verfügung stand. Wo einst Nest neben Nest lag, da steht nun Schuppen neben Lagerhaus. Denn viele Gänsearten gibt es gar nicht mehr, und nicht alle hatten Glück wie die Schopfkasarke. Von ihnen haben sich ein paar auf das Bild eines Künstlers gerettet. Die flogen zwar nie mehr weg von der Seide, auf die ihre Flügel und ihr Flügelschlag gemalt worden war. Es war aus mit dem grossen Zug an den Küsten entlang, aber ein paar fliegen immer noch, nicht dank ihrer Flügel, sondern dank eines japanischen Pinsels.

Wie ich als Kind einmal die Augen schloss, berichtete mir die Kopfkissen-Gans von den Flamingos, den rosaroten, die am Mittelländischen und Schwarzen Meer wohnen und die sich auch auf den Inseln des grünen Vorgebirges niederlassen. Noch heute, wenn ich die Augen schliesse, sehe ich sie dastehen, diese Soldaten-Vögel in Kolonne und Kompanie, ihre Köpfe eingezogen auf dem Körper und der lange Hals eingerollt, verknotet, als ob sie etwas nicht vergessen wollten, und nun ihr Leben verbringen, um darüber nachzudenken, was sie nicht vergessen sollten; aber dann setzen sie zum Flug an, ihre Hälse strecken sich ganz gerade, und sie vergessen, darüber nachzudenken, was sie nicht vergessen sollten.

Wenn du die Augen zumachst, dann wird dir die Kopfkissen-Gans vielleicht auch von den stelzbeinigen Flamingos erzählen. Oder vielleicht hat sie heute ein ganz anderes Programm und geht an den Südpol. Zu den Pinguinen, die Schnee trinken. Zu den Eisfeldern, auf denen niemand Schlittschuh läuft. Dort stehen die Pinguine hübsch nach ihrer Grösse geordnet. Eine unwirtliche Gegend, aber sie war auch für die Feinde unwirtlich, den meisten Jägern froren die Finger ab. So konnten die Pinguine langsam aufs Fliegen verzichten, und da sie sich viel im Wasser aufhielten, taten sie sich Federn zu, die fast Schuppen sind. Wenn die kleinen Pinguine besonders lustig sind, mag das vielleicht damit zusammenhängen, dass ihre Eltern die Eier auf den Füssen tragen und mit diesen jonglieren.

Es sind nicht nur Verwandte, welche die Kopfkissen-Gans aufsucht, sondern sie sucht auch die auf, die gänseartige Enten und die entenartige Gänse sind, und es ist auch nicht immer so einfach zu sagen, wie sie miteinander verwandt sind. Eine Urgrossmutter der Kopfkissen-Gans war zum Beispiel gar keine Gans, sondern eine Ente, und zwar eine ganz berühmte, denn sie konnte Französisch. Als sie starb, das heisst, als sie geschlachtet wurde, hat ein ebenso berühmter Mann eine weisse Schürze vorgebunden und eine weisse steife Mütze aufgesetzt und der Ente ein glänzendes Begräbnis bereitet; natürlich wurde auch diese Ente gerupft, aber das gehört zum Familienschicksal der Enten- und Gänsevögel.

Bei der Beerdigung dieser französischen Entengrossmutter benutzten die Anwesenden das teuerste Besteck, Messer und Gabel aus Silber, die Ente war immer ein bisschen eingebildet gewesen. Knusprig lag sie auf der Platte, neben ihr ein Schüsselchen mit einer Sauce aus Orangensaft und geriebener Orangenschale; deswegen wurde die Urgrossmutter für die Nachwelt die Orangen-Ente.

Die Kopfkissen-Gans ist recht stolz auf diese Urgrossmutter. Diese Vorfahrin hat den Weg unzähliger Enten- und Gänsevögel zurückgelegt. Von den bewachsenen alten Flussarmen, feuchten Wiesen und Waldbrüchen über die Rast- und Nistplätze zu jenem Friedhof, der auch der Bauch des Menschen genannt wird und von dem die Menschen sagen, es sei ein Enten- und ein Gänsehimmel.

Aber die Kopfkissen-Gans hat noch eine ganz andere Verwandte, und das wissen die wenigsten. Jetzt, nachdem du die Augen geschlossen hast, will ich dir das verraten, bevor du einschläfst. Das war eine richtige Gans, die sprach allerdings nicht Französisch, sondern Englisch, eine Gans, die sich in eine Frau verwandelt hat. Niemand durfte wissen, dass sie aus einem Ei geschlüpft war, dass sie eines Morgens herumrannte und als kleines Kind gar kein kleines Kind war, sondern ein Büssel, ein Gänsejunges, das seine Eltern suchte und überall angefaucht wurde, bis es auf die Gänsemagd zulief, aus ihr die Mutter machte und bei ihr lebte, nicht nur auf der Weide, sondern in deren Kammer.

Eines Tages verlor die kleine Gans alle Federn; es wuchsen keine neuen nach; als sie sich vor den Spiegel stellte, bemerkte sie, wie sich ihre Haut glättete, sie verkroch sich; als sie sich wieder vor den Spiegel stellte, merkte sie, dass sie immer grösser wurde; sie sah, dass ihr Schnabel verdorrte und abfiel und dass darunter Lippen hervorkamen, wie die von Menschen; eines Tages hatte sie einen Mund, sie glich immer mehr einem Mädchen und wurde der Gänsemagd ähnlicher; als die Bauernleute die Mädchen-Gans entdeckten, meinten sie, es sei ein Kind der Gänsemagd und jagten beide davon.

Die Mädchen-Gans war ein richtiges Mädchen geworden. Nur, wenn es den Mund auftat, kamen Verse heraus; was immer die Mädchen-Gans sagte, es reimte sich. Deswegen lachten sie alle anderen aus; so zog sie vom Dorf in die Stadt, wo man die Mädchen-Gans auch auslachte, nur war sie den Leuten rascher gleichgültig. Aber die Kinder bekamen nicht genug von den Versen, wollten immer neue Reime hören und schrien: «Tu den Schnabel auf!» Wenn sie zuhörten, waren sie ganz still, so wie du jetzt. Aus dem Gänsemädchen wurde eine Frau, die Mutter Gans, welche Reime erfand, wie sie dein Onkel nie zustande brächte. Der Gänsekiel aber, mit welchem Mutter Gans die Reime aufschrieb, der steckt im rechten Flügel der Kopfkissen-Gans.

Darum gibt es einige, die behaupten, die Kopfkissen-Gans dichte mit fremden Federn. Aber das ist gleichgültig, denn sie braucht die Verse für ihren Kampf. Wenn sie auf dem Nachtflug den Fuchs erwischt, der sich zu den Gänsen schleicht, dann jagt und verfolgt sie ihn mit dem Kampfruf: «Fuchs, du hast die Gans gestohlen, gib sie wieder her…»

Denn eines ist sicher, die Kopfkissen-Gans wird stark, wenn sie wieder zu ihren Federn kommt. Ihr Schnabel ist schon kräftig, er hat auf den Seiten Hornzähne, mit denen die Gans ein Rohr brechen kann. Aber wenn die Kopfkissen-Gans wieder zu ihren Federn kommt, kann sie auch jene Gitter und Drahtgeflechte brechen, gegen welche die Gänse getrieben werden und worin sie sich dann verfangen. Die Kopfkissen-Gans geht auf ihrem Nachtflug auch zu den Lockvögeln, jenen Gänsen, die eingefangen und abgerichtet wurden, damit sie die anderen Gänse vom Himmel herunterholen; diese meinen, wenn eine Gans ruft, könne man sich unbesorgt niederlassen, aber sie gehen in die Falle.

Die Kopfkissen-Gans ist wachsam; das ist auch für dich gut, wenn du einmal nachts im Traum aufbrichst. Ein so junger Vogel wie du verfliegt sich nur allzu rasch und findet dann nicht mehr heim, weil er nur dem Schnabel nachläuft. Aber solange es die Kopfkissen-Gans gibt, wirst du kein Irrling. Sie bringt dich in jenes Nest zurück, wo man aus ihren Federn dir ein Kissen bereitet hat.

Wenn du am Morgen aufwachst, ist dein Kissen zerdrückt; nicht nur weil die Kopfkissen-Gans manchmal kaum Zeit findet, ihre Federn wieder hineinzustopfen. Der Zipfel, der herausragt, ist ein Hügel, über den die Kopfkissen-Gans flog; die Beulen und Einbuchtungen sind nicht nur die Stellen, wo du deinen Kopf hineingelegt hast, das sind die flachen Meere und Tümpel, wo die Kopfkissen-Gans sich mit den anderen Gänsen aufhielt; was zerknautscht und zerknüllt ist, das sind die Spuren von den Flügen, zu denen die Kopfkissen-Gans aufbrach, nachdem du eingeschlafen bist.

Lass also die Augen geschlossen. Der Onkel wird das Licht ausmachen. Er möchte wissen, wie das aussieht, ein Kind, das einschläft, ohne dass es hungrig ist, und das ein Bett hat, in dem es liegen darf, und das atmet, ohne Angst, irgendeine Bombe werde seinen Schlaf zerreissen. Mindestens von einem Kind möchte er wissen, dass dies der Fall ist. Auch dein Onkel möchte schlafen gehen.


Erschienen: Schweizer Monatshefte: Zeitschrift für Politik, Wirtschaft, Kultur, Band (Jahr): 55 (1975-1976), Heft 5

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