Die Konsumenten wollen nicht auf Fleisch verzichten
Michael Siegrist, zvg.

Die Konsumenten wollen nicht auf Fleisch verzichten

In der öffentlichen Diskussion ist der Trend hin zu pflanzlicher Ernährung allgegenwärtig. Im Verhalten der Konsumenten ist er aber kaum sichtbar: Der Fleischkonsum bleibt hoch. Auch Laborfleisch wird es gegen das Original schwer haben.

Vegetarische und vegane Ernährung scheinen im Trend zu sein: Immer mehr Restaurants bieten vegetarische Menüs an, die Zeitschriften sind voll mit Rezepten für fleischlose Gerichte und bei den Grossverteilern standen noch nie so viele pflanzen­basierte Fleischalternativen in den Regalen wie heute. Steuern wir also auf eine Gesellschaft zu, in der kaum mehr Fleisch gegessen wird?

Bleiben wir zuerst bei den Fakten, die gar nicht so recht zu einer Zukunft ohne Fleisch passen wollen. In der Schweiz verzichtet nur eine Minderheit der Konsumenten konsequent auf den Genuss von Fleisch. Wobei der durchschnittliche Fleischkonsum bei ungefähr einem Kilogramm pro Woche liegt, was einem Tagesverbrauch von etwa 150 Gramm pro Kopf entspricht. Dieser Konsum ist deutlich höher als die von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung empfohlene Konsummenge von maximal 100 bis 120 Gramm an 2 bis 3 Tagen pro Woche. Am häufigsten wird Schweinefleisch gegessen, gefolgt von Geflügel- und Rindfleisch. In den letzten Jahren war der Konsum von Schweinefleisch rückläufig, doch wurde dies durch eine Zunahme beim Geflügelkonsum kompensiert. Der Wunsch der Konsumenten nach weniger Fett im Essen dürfte sich in diesem Trend widerspiegeln.

Weltweit steigt der Konsum

Da die meisten Menschen sehr konservativ sind, wenn es ums Essen geht, können wir deshalb auch keine raschen Veränderungen für den Fleischkonsum in der Schweiz erwarten. Denn dieser hat sich auf einem hohen Niveau stabilisiert. Dennoch könnte der Fleischkonsum in den folgenden Jahren leicht zurückgehen, weil in Mensen, Kantinen und Altersheimen weniger Fleischgerichte angeboten werden und bei der Jugend die Fleischabstinenzler etwas stärker vertreten sind als bei der älteren Generation. Betrachten wir aber den weltweiten Fleischkonsum, dann sieht die Situation ganz anders aus. Die Nachfrage nach Fleisch wird nämlich immer grösser und ein Ende ist nicht abzusehen. In vielen Ländern essen die Menschen heute kein oder wenig Fleisch, weil sie es sich schlicht und einfach nicht leisten können. Würde die Kaufkraft in diesen Ländern zunehmen, dann würde auch die Nachfrage nach Fleisch steigen. Denn das erste, was sich diese Menschen neben den über­lebenswichtigen Dingen leisten, ist der Luxus von Fleisch.

Skeptische und unwissende Konsumenten

Die pflanzenbasierten Fleisch­alternativen hatten in den letzten Jahren grosse Zuwachsraten, obwohl es sich dabei immer noch um Nischenprodukte handelt. Zudem ist die Idee, den Leuten «Pflanzenfleisch» zu verkaufen, alles andere als neu. Bereits 1908 machten die Obodo-Werke in Mannheim Werbung für das Pflanzenfleisch «Obodo», welches als vollständiger Ersatz für Tierfleisch angepriesen wurde, ein laut Firmenversprechen «garantiert reines Naturprodukt», welches einen hohen Nährwert habe und um die Hälfte billiger sei als Fleisch. Heute verfolgen «Impossible Burger» und Co. ein ähnliches Ziel. Ausser beim Preis, denn ihre Imitate sind keinesfalls billiger als Fleisch. Doch werden diese neuen Produkte erfolgreich sein oder das gleiche Schicksal erleiden wie «Obodo»?

Die Schweizer Konsumenten stehen diesen neuen Produkten eher skeptisch gegenüber. Sie glauben nicht, dass pflanzliche Fleischersatzprodukte so gut wie Fleisch schmecken. Neben dem Geschmack ist für die Konsumenten natürlich auch der Preis wichtig, und dieser ist im Vergleich zu Fleisch nach wie vor sehr hoch. Studien zeigen zudem, dass die Wahrnehmungen der Konsumenten über den tatsächlichen Umwelteinfluss zum Teil stark auseinanderklaffen. So unterschätzen die Verbraucher den Umwelteinfluss von rotem Fleisch, und sie überschätzen den Umwelteinfluss von pflanzenbasierten Fleischalternativen. Darüber hinaus werden die Fleischimitate auch nicht als besonders gesund wahrgenommen.

«Studien zeigen, dass die Wahrnehmungen der Konsumenten über den tatsächlichen Umwelteinfluss zum Teil stark aus­einanderklaffen.»

Unsichere Zukunft für das Laborfleisch

Fleischkonsum ist mit einem moralischen Dilemma ­verbunden, denn es müssen Tiere getötet werden, was Unbehagen auslösen kann. Es dürfte deshalb auch kein Zufall sein, dass heute die meisten Schlachthöfe weit weg von den Konsumenten sind. Diese blenden die Fleischproduktion und den Schlachtprozess aus. Viele Fleischerzeugnisse…