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Die Kohäsions­milliarde

Jeden Morgen werfen US-Bürger einen angstvollen Blick auf ihr Smartphone, um zu erfahren, welch Irrsinn ihr Regierungschef nun wieder auf Twitter ausgespuckt hat.

Von wegen: Good Morning, America! Jeden Morgen werfen US-Bürger einen angstvollen Blick auf das Smartphone, um zu erfahren, welch wirren Unsinn ihr Regierungschef nun wieder auf Twitter ausgespuckt hat, während er, in einen Bademantel gehüllt und von Cheeseburger-Packungen umgeben, vor fünf TV-Bildschirmen im Bett sitzt. Nervenaufreibend. Peinlich.

Nun könnte man frohlocken: Zum Glück hat die Eidgenossenschaft eine so stabile Regierung! Zu Recht? Mindestens Brüssel scheint derzeit auf die Schweizer Regierung zu schauen wie die US-Bürger auf ihr Smartphone: Sieben Bundesräte, neun Meinungen – und fast jeden Tag kommt eine neue hinzu. Da verhandelt der Bundesrat seit geraumer Zeit ein «Rahmen­abkommen» mit der EU, dessen Zweck jenseits von Bern niemand versteht. Kommissionspräsident Juncker bezeichnet das Abkommen bei einem Besuch schlicht als «Freundschaftsabkommen», woraufhin Bundesrätin Leuthard ihm gerührt eine «Kohäsionsmilliarde» verspricht. Davon wussten dummerweise die Bundesratskollegen nichts, die National- und Ständeräte ohnehin nicht. Die Folge: ein Rauschen im Blätterwald – das an Lautstärke zunimmt, als bekannt wird, dass die EU für die Milliarde keinerlei Gegenleistung erbringen wird. Nun ist auch Bundesrätin Leuthard von ihrem Verhandlungs­geschick enttäuscht und droht, die eigene Zusage noch mal zu überdenken.

Das wiederum missfällt dem eigentlich für äussere Beziehungen zuständigen Bundesrat Cassis, der die Milliarde daraufhin in eine denkbar polarisierte Vernehmlassung schickt: Forderungen nach einem Referendum sind gewiss – gegen die Milliarde ebenso wie gegen das Abkommen. In dieser Gemengelage kann man Brüssel nicht verdenken, dass auch dort niemand mehr so genau weiss, ob die Schweiz nun etwas zahlen wird – und wenn ja, wofür. Der Haken an der Sache: die US-Bürger können immerhin auf Twitter nachlesen, was ihre Regierung gerade will. Aber wohin schaut eigentlich Brüssel? Wohin schauen Herr und Frau Schweizer?

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