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Die Ironie des Ernstfalls
Andreas Thiel © Studiojeker.ch

Die Ironie des Ernstfalls

In den Notfallplänen, die Behörden derzeit befolgen, fehlt die Möglichkeit eines Fehlalarms. Wenn ein solcher nicht erkannt werden kann, muss die Realität dem Plan angepasst werden.

 

Das luzernische Wauwilermoos wäre heute eine russische Exklave, hätte es zu Zeiten des Kalten Krieges keine Radfahrertruppen gegeben. Wenn man als ehemaliger Radfahrer auf etwas stolz sein kann, dann auf das Verdienst, das Wauwilermoos WK für WK von einfallenden Luftlandetruppen befreit zu haben. Und natürlich wäre dabei keiner auf die Idee gekommen, nachzuschauen, ob da wirklich Russen im Wauwilermoos gelandet sind, denn es gab keinen Grund, anzunehmen, dass sich die Übungsleitung irrt.

Nach dem WK tauschte ich meine Militäruniform jeweils wieder für ein Jahr gegen eine Nachtwächteruniform, in welcher ich mir das brotlose Leben eines jungen Künstlers verdiente. Auch als Nachtwächter absolvierten wir Wiederholungskurse, übten Rettungseinsätze für Brand- und Chemiekatastrophen und spielten die schrecklichsten Szenarien durch. Denn auch als Nachtwächter muss man ständig mit nächtlichen Alarmen rechnen. Ich war damals sowohl auf militärische wie auch auf zivile Einsätze bestens vorbereitet. Für jeden erdenklichen Ernstfall hatte ich Ordner mit Notfallplänen und Checklisten, ­deren Befolgung einen reibungslosen und erfolgreichen Einsatz garantierten.

Irrtum ausgeschlossen

Erst heute fällt mir auf, wodurch sich die militärischen von den zivilen Notfallplänen unterschieden. Nur die zivilen Notfallpläne sahen die Möglichkeit eines Fehlalarms vor. Dieses Szenario ist sogar das plausibelste, da es sich bei den meisten Alarmen um Fehlalarme handelt. Parallel zur Auslösung eines Einsatzes von Polizei, Feuer- oder Chemiewehr wird nach einer separaten Checkliste jeweils eine sofortige Überprüfung des Alarms durch einen Nachtwächter vor Ort ausgelöst. Ich mochte Alarme, weil sie für Nervenkitzel sorgten. Ich rannte quer durch Lagerhallen, sprang Treppenhäuser hoch und runter oder stieg vorsichtig im Schutzanzug mit dem Ammoniakspürgerät in finstere Kellergeschosse hinab. Denn die Mobilisierung der aufgebotenen Rettungskräfte darf erst abgebrochen werden, wenn der Nachtwächter vor Ort ist und Entwarnung gibt.

Als mir einmal an einem Sonntagabend gegen Mitternacht die Alarmzentrale einen Feueralarm aus dem Pneulager im Untergeschoss einer Lastwagenwerkstatt meldete, war mir klar, dass dies kein Fehlalarm sein konnte, denn um diese Zeit wäre da kein Mensch anzutreffen gewesen, und zudem kennt man als Nachtwächter neuralgische Stellen wie leicht überhitzende ­Maschinen oder beliebte Raucherverstecke. Und dieses Pneulager war definitiv kein solcher Ort. Ein Brand in einem Pneulager ist eine Katastrophe, weil ein Gummischwelbrand nicht zu löschen ist. Ich rannte durch Produktionshallen, sprang über Güterwagenkupplungen und erreichte über eine Aussentreppe das Pneulager, wo mitten in der Nacht zwei Lastwagenmechaniker auf je einer Kiste Bier sassen und auf einem Gartengrill Würste grillierten. Über Funk gab ich Entwarnung durch, und die Feuerwehr schaltete irgendwo auf halber Strecke die Sirenen aus, wendete und kehrte zu ihrem Stützpunkt zurück.

Die Wichtigkeit, einen Fehlalarm so schnell wie möglich zu erkennen, hängt mit dem immensen Schaden zusammen, den ein Rettungseinsatz auslösen kann. Zum Material- und Personalaufwand der aufgebotenen Rettungskräfte kommen ­potentielle Löschwasserschäden und Produktionsausfälle wegen Evakuierungen oder anderem. Zudem werden im schlimmsten Fall Rettungskräfte gebunden, die bei einem richtigen Notfall gebraucht würden. Und da Fehlalarme in der Praxis sehr häufig vorkommen, hat die empirische Überprüfung von Alarmen höchste Priorität.

Nach nicht erkannten und somit teuren Fehlalarmen rollen regelmässig Köpfe der obersten Verantwortlichen. Im freien Wettbewerb muss sich jede Autorität ständig der Realität stellen, denn sie kann für fahrlässiges Verhalten haftbar gemacht werden. Das gilt nicht für politische Autoritäten. Wer dem öffentlichen Recht untersteht, muss schon fast ein Kriegsverbrechen begangen haben, um zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Diese fehlende Haftbarkeit fördert eine gewisse Selbstherrlichkeit und macht realitätsblind.

Leider kann Realitätssinn nicht geübt werden. Keinem unserer Kompaniekommandanten wäre bei einem nächtlichen Alarm in den Sinn gekommen, einen Zug Radfahrer loszuschicken, um zu überprüfen, ob da wirklich Russen im Wauwilermoos gelandet seien. Ein Irrtum seitens der Übungsleitung stand nie zur Debatte.

Die Übungsleitung fehlt

Wer aus solchen Übungen die Annahme mit nach Hause nimmt, dass eine Situation so feststehe, wie sie von der Übungsleitung beschrieben wird, und diese Annahme mit der Selbstherrlichkeit einer für Fehler nicht haftbaren Autorität vereint, wird jede kritische Stimme als verschwörerisch betrachten.

Die Notfallpläne, die als Reaktion auf das Coronavirus von den Regierungen und ihren Behörden befolgt werden, wurden an internationalen Fachkonferenzen entwickelt und haben ihren Ursprung in militärischen Übungen, die terroristische Anschläge mit biologischen Waffen simulierten. Weil die darin enthaltenen Szenarien bisher nur hypothetisch durchgespielt wurden, fehlt ein entscheidendes Szenario, nämlich die Möglichkeit eines Fehlalarms. Und wo ein solcher nicht vorgesehen ist, fehlen auch die Checklisten zur Erkennung eines solchen. Zudem dauerten die Übungen bisher jeweils immer so lange, bis die Übungsleitungen diese abbrachen. Und was unterscheidet den Ernstfall von einer Übung? Es fehlt die Übungsleitung. Somit ist absehbar, dass weder ein möglicher Fehlalarm erkannt noch dass die Übung abgebrochen werden wird, weil den Regierungen für den ersten Fall der Plan und für den zweiten die Instanz fehlt.

Alle bisher verfügbaren Daten deuten jedoch auf einen Fehlalarm hin, und zwar sowohl die Fallzahlen wie auch die Krankheitsverläufe und die Sterberaten. Die Nachtwächter, die gerannt sind, um nachzuschauen, und sofort Entwarnung gegeben haben, sind reflexartig als Verschwörer gebrandmarkt worden. Dies ist typisch für Szenarien, die bisher nur hypothetisch durchgespielt wurden. Denn weshalb sollten Fakten nicht ständig überprüft werden dürfen? Ohne ständige Überprüfung der Realität läuft in der Praxis gar nichts. Ganz anders sieht es bei Übungen aus. Während einer Übung wäre es absurd, die «Fakten» zu hinterfragen, da sie von vornherein fiktiv und Teil der Übung sind. Das heisst in jeder Übung muss angenommen werden, dass abweichende Stimmen verschwörerisch sind. Deshalb lautet eine der Fragen, die bei solchen Übungen immer wieder auftaucht, wie das Volk von der Notwendigkeit drastischer Massnahmen überzeugt werden kann, ohne dass polizeiliche Gewalt angewendet werden muss. Die Antwort lautet: Man muss die Leitmedien dazu verpflichten, den offiziellen Verlautbarungen absolute Priorität einzuräumen und abweichende Stimmen möglichst zu ignorieren.

Dass heute die wenigsten positiv Getesteten Symptome zeigen, ist nur eines vieler Indizien dafür, dass wir es mit einem Fehlalarm zu tun haben. Da aber ein solcher im Pandemieplan nicht vorgesehen zu sein scheint, kommt es zur absurden Situation, dass Gesunde als krank betrachtet werden müssen, um den Pandemieplan umsetzen zu können.

Der unsichtbare Feind

Hätte damals aus irgendeinem Grund ein Bataillonskommandant behauptet, diesmal handle es sich nicht um eine Übung, sondern es seien wirklich feindliche Luftlandetruppen im Wauwilermoos gelandet, dann hätten wir Radfahrer mangels sichtbarer Feinde in die Häuser eindringen, umfassende Personenkontrollen durchführen und feststellen müssen, dass im ganzen Wauwilermoos kaum einer Russisch spricht, worauf der Kommandant nicht drum herumgekommen wäre, die Parole herauszugeben, dass in diesem Fall sämtliche Personen, die sich im Wauwilermoos aufhalten, als potentielle Russen zu betrachten seien.

Um die nicht identifizierten Russen daran zu hindern, unbemerkt aus dem Wauwilermoos auszubrechen, müsste die lokale Bevölkerung eingekesselt und am Verlassen der Region gehindert werden. Da keiner daran zweifeln würde, dass es im Wauwilermoos von Russen wimmle, stiege die Angst unter den Einwohnern mit jedem Tag, an welchem kein Russe identifiziert werden kann. Um eine weitere russische Infiltration der lokalen Bevölkerung zu unterbinden, würde über ebendiese und zu ihrem eigenen Schutz eine Ausgangssperre verhängt. Öffentliche Begegnungsstätten würden geschlossen und Versammlungen unter Strafe gestellt. Auch würde die Zivilbevölkerung dazu aufgerufen, verdächtige Nachbarn bei den Behörden anzuzeigen. Unglücksereignisse würden als russische Sabotageakte betrachtet und von den Medien als Beweise dafür präsentiert, dass der Feind mitten unter uns weile. Da ein Krieg gegen einen Feind, der nicht tötet, unglaubwürdig ist, müssten bald alle Todesfälle im Wauwilermoos als Kriegsopfer in die Statistik eingehen. Und wer es wagte, zu behaupten, da sei gar kein Feind, würde sich angesichts dieser Kriegsopfer sehr verdächtig machen.

Gäbe es einen Grund, den Behörden zu misstrauen und sich zu fragen, ob da wirklich feindliche Russen unter uns sind? Ja. Aber was wäre, wenn die Behörden sagen könnten: «Schaut euch um. Es ergeht nicht nur uns so. Auf der ganzen Welt sind feindliche Luftlandetruppen gelandet und haben sich unbemerkt unter die Zivilbevölkerung gemischt. Man erkennt sie nicht, denn sie haben sich sehr schnell angepasst und sprechen jeweils die lokale Sprache. Aber es gibt überall Beweise für das Vorhandensein eines Feindes: Weltweit sterben Menschen. Jeden Tag. Und ausgerechnet die Schwächsten unter uns töten sie, die Alten und Kranken.» – «Und auch die Kinder?», fragen wir erschreckt. Aber Kinder sind gegen unsichtbare Gefahren zum Glück immun.

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