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Die Identitätspolitik erreicht die direkte Demokratie

Nach dem Ja zur AHV-Reform spielen die Verlierer die Geschlechter gegeneinander aus.

Die Identitätspolitik erreicht die direkte Demokratie
Bild: twitter.com/FemmesSPFrauen

Im Nachgang zur Abstimmung über die AHV-Reform spielen die Verlierer die Geschlechterkarte. «Alte, reiche Männer» hätten die Frauen und die Jungen überstimmt, lautete der Tenor zur politischen Linken.

Das ist gleich mehrfach falsch. Erstens steht die Aussage, gestützt auf eine Online-Umfrage im Auftrag von Tamedia, auf dünnem Eis. Der Befragung zufolge stimmten die unter 35-Jährigen zu 50 Prozent der Reform zu (mit einer beträchtlichen statistischen Unschärfe). Auch die angebliche Ablehnung durch mittlere Einkommensklassen liegt innerhalb des Unsicherheitsbereichs.

Zweitens machen die Frauen eine Mehrheit der Stimmbevölkerung aus. Hätten sie alle Nein gesagt, hätte die Reform keine Chance gehabt. Tatsächlich «gewann» der weibliche Bevölkerungsteil gleichentags die Abstimmung über die Verrechnungssteuer. Offenbar folgten die Frauen bei der AHV-Reform nicht so überzeugt dem Votum, das die Linke für sie vorgesehen hatte.

Drittens ist es eine bedenkliche Tendenz, einzelne Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. Die Identitätspolitik hat offenbar auch die direkte Demokratie erreicht: Die Stimmbürger werden nicht mehr als Individuen aufgefasst, die selbständig einen Entscheid fällen, sondern als Teil einer Gruppe, der bestimmte Interessen zugewiesen werden. So liess die SP verlauten, dass das Ja «ein Schlag ins Gesicht aller Frauen» sei. Sie schwang sich damit zur Wortführerin einer ganzen Bevölkerungsgruppe auf und implizierte gleichzeitig, dass die Frauen, die für die Sicherung der AHV stimmten, sich selbst ins Gesicht geschlagen hätten. Wer solche «Interessenvertreter» hat, braucht kein Patriarchat mehr. (lz)

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