«Die Hörner von Kühen sind nicht unwichtig»
Gerhard Schwarz und Marc Bühlmann debattieren im ersten «Duell des Monats» über die Grenzen der direkten Demokratie.
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Braucht es höhere Hürden für die Volksrechte? Dieser Frage ist das erste «Duell des Monats» am Dienstagabend in Zürich gewidmet. Im gut gefüllten Saal des Zentrums Karl der Grosse debattieren der langjährige Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion, Gerhard Schwarz, und der Politikwissenschafter Marc Bühlmann. Moderiert wird das Gespräch vom stellvertretenden Chefredaktor des Schweizer Monats, Lukas Leuzinger.
In seiner Eröffnungsrede betont Schwarz die Notwendigkeit, die Zahl der für eine Volksinitiative erforderlichen Unterschriften zu erhöhen. Die Bevölkerung sei im Laufe der Jahrzehnte gewachsen, und dieses Wachstum müsse sich in den Hürden widerspiegeln, die regeln, worüber die Schweiz abstimmt. «Viele Initiativen wie diejenige von 2018 über die Frage, ob Kühe Hörner haben sollen oder nicht, sind nicht wichtig genug, um eine nationale Abstimmung zu verdienen, und wären bei höheren Anforderungen wahrscheinlich gescheitert», argumentiert der Ökonom. Er wünscht sich, dass mehr als die heute erforderlichen 100 000 Unterschriften nötig sein sollten, um eine Initiative vors Volk zu bringen.
Bühlmann kontert mit der Frage: «Wer entscheidet denn, welche Initiativen wichtig sind und welche nicht?» Bühlmann sieht keinen Anpassungsbedarf bei der Unterschriftenhürde. Die direkte Demokratie fördere eine demokratische Diskussionskultur, die in scheinbar sinnlosen Fragen Grundsätzliches erkenne. «Ob Kühe Hörner haben sollen, führt zu tierethischen Überlegungen», sagt Bühlmann, «und das ist nicht unwichtig.»
Schwarz warnt vor einer Überforderung der Stimmbürger. «Wir dürfen uns nicht von der schieren Zahl der Initiativen pro Jahr überwältigen lassen, denn dann können wir uns nicht mehr mit der ganzen Stofffülle richtig beschäftigen.» Bühlmann gibt zu bedenken, das Instrument der Volksinitiative ermächtige kleinere, weniger mächtige Gruppen in der Gesellschaft, ihre politischen Themen auf die Agenda zu bringen. Würde die Unterschriftenhürde von 100 000 angehoben, sei das weniger der Fall. Sein Kontrahent entgegnet, dass Initiativen häufig als Propagandainstrument von Parteien im Vorfeld von nationalen Wahlen eingesetzt würden.
Letztlich sind sich beide einig, dass die direkte Demokratie wichtig ist, sind sich aber uneins über die Menge der Initiativen und Referenden, die vors Volk kommen sollten. Neben der Quantität geben auch der Inhalt und die Umsetzbarkeit von Initiativen zu reden. Schwarz stört es zum Beispiel, dass die Masseneinwanderungsinitiative bis heute nicht umgesetzt wurde, worin ihm Bühlmann nicht widerspricht.
Nach einigen Fragen aus dem Publikum wird die Diskussion beim Apéro fortgesetzt. Das nächste «Duell des Monats» findet am 14. Mai statt – dann wird es ums Thema Fleisch gehen. (as)