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Die Heimatliebe der Schweizer Pensionskassen kann  ihre Versicherten teuer  zu stehen kommen
Bild: Unsplash, Claudio Schwarz/@purzlbaum.

Die Heimatliebe der Schweizer Pensionskassen kann
ihre Versicherten teuer
zu stehen kommen

Institutionelle Anleger gewichten einheimische Unternehmen in ihren Portfolios deutlich höher als ausländische. Dieser «Home Bias» kann aber kostspielig sein: Über einen Zeitraum von zehn Jahren summiert sich die Minderrendite im Vergleich zum Weltmarkt auf über 20 Prozent.

In den letzten 35 Jahren haben Investoren die internationale Diversifikation ihrer Portfolios stark vorangetrieben. Die systematische Übergewichtung von Anlagen aus dem Heimatland wird in der Fachliteratur als Home Bias bezeichnet und führt der Theorie nach zu schlecht diversifizierten Portfolios, was die Anleger langfristig Performance kosten sollte. Tatsächlich hat sich das Phänomen Home Bias in den vergangenen Jahrzehnten abgeschwächt und Investoren halten heute besser diversifizierte Portfolios. Während im Jahr 1989 nämlich britische, amerikanische und japanische Investoren noch rund 82, 98 beziehungsweise 94 Prozent ihrer Aktieninvestments in Unternehmen hielten, die in ihrem Heimatland domiziliert waren,1 ist der Home Bias heute kleiner.

Wie müsste ein Aktienportfolio ganz ohne Home Bias aussehen? Der Anteil Schweizer Aktien an einem marktwertgewichteten Aktienportfolio, das keinen Home Bias aufweist, wie zum Beispiel dem MSCI World Index, beträgt rund 2,5 Prozent. Unternehmen aus aller Welt wie dem übrigen Europa, Amerika und Asien füllen in einem weltweit gut diversifizierten Portfolio schliesslich den Rest des Portfolios aus. Bereits mit diesen 2,5 Prozent ist die Schweiz im Weltportfolio überrepräsentiert. Grund ist der hohe Marktwert der Schweizer Unternehmen. Der Anteil der Eidgenossenschaft am «Weltbruttoinlandsprodukt» beträgt lediglich rund 0,8 Prozent. Doch ein Blick auf die Portfolios institutioneller Schweizer Anleger zeigt, dass diese weiterhin einen starken Home Bias aufweisen.

So investieren institutionelle Anleger wie Schweizer Pensionskassen mit einem bemerkenswerten und potenziell kostspieligen Home Bias. In der Tabelle zeigen wir den Home Bias für 43 grosse Schweizer Pensionskassen. Spalte eins zeigt den Anteil von Schweizer Aktien in deren Aktienportfolios basierend auf öffentlich verfügbaren Informationen (Obligationen und andere Anlageklassen sind ausgeklammert). Im Durchschnitt aller 43 betrachteten Pensionskassen liegt der Anteil von Schweizer Aktien bei 30,8 Prozent. Manche Pensionskassen liegen weit darunter und andere auch weit darüber. Pensionskassen sind sich offenbar «uneinig», welchen Anteil des Aktienportfolios in die Schweiz investiert werden sollte.

Die Pensionskasse BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich investiert rund 11 Prozent des Aktienportfolios in der Schweiz. Relativ zum MSCI-Weltindex oder einem weltweit diversifizierten Portfolio entspricht dies bereits einer 4,4-fachen Übergewichtung von Schweizer Aktien. Trotzdem: diese Pensionskasse weist den geringsten Home Bias in unserer Stichprobe auf. Nur gerade 8 Pensionskassen weisen einen Anteil an Schweizer Aktien von unter 20 Prozent auf. 11 Pensionskassen investieren dagegen 40 Prozent oder mehr in Schweizer Aktien. Spitzenreiter ist die CPK Swatch Group mit einer Allokation von 58,6 Prozent in Schweizer Aktien innerhalb des Aktienportfolios. Dies ist eine 23,4-mal höhere Gewichtung von Schweizer Aktien relativ zu deren Gewichtung im MSCI World Index! Solche Werte sind schon deshalb auffallend, weil die moderne Portfoliotheorie eine klare Position zum Home Bias vertritt: In einer Welt ohne Anlagefriktionen sollten Investoren so breit wie möglich diversifizieren, um das Rendite-Risiko-Verhältnis zu verbessern.2 Mit anderen Worten: Auf risikobereinigter Basis ist zu erwarten, dass ein breit diversifiziertes Weltportfolio zumindest langfristig ein schlecht diversifiziertes Portfolio mit einem ausgeprägten Home Bias schlagen wird. Ein Blick auf die Performance eines Portfolios mit und ohne Home Bias ist deshalb an dieser Stelle angezeigt.

«Auf risikobereinigter Basis ist zu erwarten, dass ein breit diversifiziertes Weltportfolio zumindest langfristig ein schlecht diversifiziertes Portfolio mit einem ausgeprägten Home Bias schlagen wird.»

Der Home Bias hat Tradition

Die Tabelle zeigt die hypothetische kumulative Performance eines Investments von 100 Franken über die vergangenen zehn Jahre (2014‒2024) für reine Aktienportfolios unter Berücksichtigung des jeweiligen Home Bias und die daraus resultierende Minderrendite gegenüber einem weltweit diversifizierten Portfolio. Dabei nehmen wir eine Umsetzung der verschiedenen Länderallokationen mit Hilfe von kostengünstigen Exchange Traded Funds (ETFs) an.

Einschränkend räumen wir ein, dass es sich bei unserer Analyse um die hypothetische Performance handelt, bei welcher ein Renditeunterschied allein durch einen unterschiedlich starken Home Bias berechnet wird. Wir nehmen also an, dass in unserem Test alle Portfolios in die gleichen Einzeltitel investieren und sich die Portfolios lediglich durch eine unterschiedliche Gewichtung der Länder unterscheiden. So können wir den vermuteten Effekt des Home Bias messen.

Zugegebenermassen kann der Home Bias durch andere mögliche Performancetreiber, zum Beispiel die Titelselektion, weiter positiv oder negativ beeinflusst werden. Sollte der Home Bias über die Zeit stark schwanken, würde ein solcher Effekt in unserer Berechnung nicht berücksichtigt. Schliesslich nehmen wir an, dass die hypothetische Investition von 100 Franken während der 10 Jahre nie (teil)ausbezahlt wird und die Dividenden vollständig reinvestiert werden. Unsere Berechnungen sind als Richtwerte zu verstehen und stellen keine tatsächlich realisierte Minderrendite dar. Die Berechnung letzterer würde eine wesentlich umfangreichere Datengrundlage erfordern.

Tabelle: Home Bias im Aktienportfolio von Schweizer Pensionskassen

Im Untersuchungszeitraum von 2014 bis 2024 erreichte der MSCI-Weltindex einen kumulativen Wert von 237.40 Franken auf ein Investment von 100 Franken, die zu Beginn investiert wurden. Eine Anlage in den Swiss Performance Index (SPI) erreichte dagegen nur 175.90 Franken. Für ein Aktienportfolio, das Schweizer Titel höher gewichtet als deren Anteil im MSCI-Weltindex, ist demnach mit einer Minderperformance zu rechnen.

Für ein Investment von 100 Franken in ein Aktienportfolio und für den betrachteten Investitionszeitraum betragen somit die hypothetischen Kosten des Home Bias zwischen 11 und 35.90 Franken. Wenn wir davon ausgehen, dass die Aktienselektion der Schweizer Pensionskassen im Heimmarkt Schweiz nicht besser ist als ihre weltweite Selektion, dann hat der Home Bias vermutlich zu deutlichen Performanceverlusten geführt.

Das Bild bestätigt sich, wenn auch die kleineren Pensionskassen berücksichtigt werden, die nicht in unserer Stichprobe enthalten sind. Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge befragt in ihrem «Bericht zur finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtungen 2023» alle Pensionskassen auch nach ihrer Anlagestrategie. Demzufolge betrug Ende 2023 der durchschnittliche Anteil der Aktien Schweiz am Gesamtportfolio 9,9 Prozent, der Anteil aller Aktienanlagen 31,3 Prozent. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Anteil der Schweizer Titel am Aktienportfolio Schweizer Pensionskassen von 31,6 Prozent.

Der Bericht der Oberaufsichtskommission ist auch für frühere Jahre verfügbar. Für das Kalenderjahr 2014 beträgt der Anteil schweizerischer Titel 32,4 Prozent pro in Aktien investiertem Franken. Der Home Bias hat also in der Schweiz Tradition. Aus den Berechnungen in der Tabelle ergibt sich für die abgebildeten Pensionskassen über einen Zeitraum von etwas mehr als zehn Jahren eine kumulierte Minderperformance von durchschnittlich rund 21 pro investierte 100 Franken. Bedenkt man, dass die Schweizer Pensionskassen heute rund 350 Milliarden Franken in Aktienportfolios halten, so fällt diese hypothetische Minderperformance durchaus ins Gewicht.

Auch Schweizer Robo-Advisors sind bei Aktieninvestitionen geografisch unterdiversifiziert – Technologie schützte bisher offenbar (noch) nicht vor unterdiversifizierten Aktienportfolios. Für drei Anbieter, die ihre Anlagestrategie löblicherweise transparent auf ihrer Webseite darstellen, haben wir deren konservative und aggressive Anlagestrategie betrachtet. Die Aktienquote innerhalb der aggressiven Strategie bewegt sich in den Bandbreiten von rund 75 Prozent und 98 Prozent, innerhalb der konservativen Strategie zwischen 30 Prozent und 40 Prozent.

Für zwei der drei Anbieter ist der Home Bias für das konservativere Portfolio stärker ausgeprägt. So sieht Kaspar& für die Strategie «Ausgewogen» eine Quote für Schweizer Aktien von hohen 50 Prozent vor (relativ zu allen Aktien im Portfolio), während diese für die Strategie «Kapitalgewinn» tiefere 26 Prozent beträgt. Mit Ausnahme des Portfolios «Risiko: 8», dem Musterportfolio von True Wealth, setzten Schweizer Robo-Advisors durchs Band auf einen hohen Anteil Schweizer Aktien, der stets über 20 Prozent liegt. Der Home Bias verursacht in diesen Portfolios einen hypothetischen Performanceverlust von zwischen 9.60 und 31 Franken pro 100 Franken investiertes Kapital und über einen 10-jährigen Anlagehorizont.

Und das Fremdwährungsrisiko?

Zugegeben: Aktienanlagen in Fremdwährungen sind einem zusätzlichen Währungsrisiko ausgesetzt. Dies verleitet manchen Investor dazu, einen Home Bias zu rechtfertigen. Diese Betrachtungsweise unterschlägt jedoch, dass dem höheren Risiko der Fremdwährung auch eine entsprechende Chance auf eine höhere Rendite durch die Fremdwährungskomponente gegenübersteht.

«Aktienanlagen in Fremdwährungen sind einem zusätzlichen

Währungsrisiko ausgesetzt. Dies verleitet manchen Investor dazu, einen Home Bias zu rechtfertigen.»

Wer die Fremdwährungskomponente vermeiden möchte, der kann mit Terminkontrakten das Währungsrisiko einer in Euro oder US-Dollar gehandelten Aktienanlage reduzieren oder gar eliminieren. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, spezielle ETFs und Fonds für währungsabgesicherte Aktienanlagen in globale Unternehmen zu nutzen, die eine bequeme Umsetzung der Währungsabsicherung bieten. Solche ETFs sind bezüglich Währungsabsicherung, aber auch hinsichtlich anderer Kosten meist sehr kostengünstig.

Die Betrachtung der Wertentwicklung des währungsgesicherten MSCI World ETF über den Beobachtungszeitraum verdeutlicht dieses Argument: Die kumulierte Wertentwicklung von 100 Franken in einem vollständig währungsgesicherten MSCI World ETF beträgt 201.70 Franken. Zwar machen sich die Kosten der Währungsabsicherung im Vergleich zum ungesicherten MSCI-Weltindex tatsächlich bemerkbar (201.70 versus 237.40 Franken) – dennoch verbleibt auch für die vollständig währungsbesicherte Alternative ein spürbarer Performancevorsprung gegenüber dem reinen Schweizer Aktienportfolio.

Der Mythos des «Stock Picking»

Sowohl die Finanzmarkttheorie als auch die empirische Evidenz zeigen, dass Investoren, die einen ausgeprägten Home Bias innerhalb der Anlageklasse «Aktien» umsetzen, ihre Anlagestrategie kritisch hinterfragen müssen. Nur Investoren, die eine nachweislich bessere systematische Titelselektion nachweisen können, welche die Minderperformance zum weltweit diversifizierten Portfolio auszugleichen vermag, können mittel- bis langfristig einen Home Bias vertreten. Aus der empirischen Forschung erschliesst sich jedoch, dass diesem «Stock Picking»-Mythos mit grosser Vorsicht begegnet werden muss und das Investieren in Einzeltitel wenig Aussicht auf attraktive Performance bietet.3

Eine zu starke Ausrichtung auf den Schweizer Markt hat in der Vergangenheit Performance gekostet. Evidenzbasiertes Investieren, welches sich laufend an den Kapitalmarkterwartungen hinsichtlich international attraktiver Anlageklassen ausrichtet und eine konsequente sporadische Neuausrichtung des Portfolios anhand dieser Erwartungen vollzieht, erscheint uns erfolgversprechender als die beobachtete Übergewichtung von Schweizer Aktien.

  1. Kenneth French und James Poterba: Investor Diversification and International Equity Markets. In: American Economic Review 81 (2), 1991.

  2. René Stulz: Portfolio Management in International Capital Markets: A Swiss Perspective. In: Financial Markets and Portfolio Management 1 (1), 1986.

  3. Vgl. z.B. Eugene Fama und Kenneth French: Luck versus Skill in the Cross-Section of Mutual Fund Returns. In: Journal of Finance 65 (5), 2010; Hendrik Bessembinder: Do Stocks Outperform Treasury Bills? In: Journal of Financial Economics 129 (3), 2018.

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