Die FDP war beim Klimagesetz gespalten – oder doch nicht?
Nachbefragungen zu Abstimmungen sind mit Vorsicht zu geniessen.
Kaum ist die Tinte auf den Abstimmungszetteln trocken, kaum sind die letzten Excel-Tabellen verschickt, machen sich Politiker, Experten und Medien daran, die Resultate zu interpretieren. Meist natürlich im Sinn des eigenen Narrativs. Munition beziehen sie dabei von Nachabstimmungsbefragungen, von denen es zum Urnengang vom 18. Juni zwei gibt: Die Leewas-Umfrage im Auftrag von Tamedia (eine reine Online-Umfrage) und die VOX-Analyse von GFS Bern im Auftrag der Bundeskanzlei, die Online- und Papierfragebogen kombiniert.
Die beiden Analysen stimmen in wesentlichen Punkten nicht überein. So schrieb Tamedia kurz nach der Publikation der eigenen Umfrage, die FDP-Anhänger seien beim Klimaschutzgesetz gespalten gewesen (51 Prozent Ja). Die VOX-Analyse kam dagegen zum Schluss, dass Freisinnige der Vorlage zu zwei Dritteln zustimmten. Überdies stellt GFS Bern einen deutlichen Einfluss des Bildungsniveaus auf das Stimmverhalten fest. In den Zahlen von Leewas zeigt sich das nicht in diesem Ausmass.
Auch bei der Vorlage zur internationalen Steuerharmonisierung unterscheiden sich die Ergebnisse: Gemäss Tamedia-Umfrage stimmten SP-Sympathisanten der OECD-Mindeststeuer stärker zu als SVP-Anhänger – ein überraschender Befund angesichts der Tatsache, dass die SP im Gegensatz zur SVP die Nein-Parole beschlossen hatte. Die VOX-Analyse kam dagegen auf eine deutlich stärkere Zustimmung der SVP-Sympathisanten.
Politische Umfragen sind generell mit Problemen behaftet; so fragt sich, wie repräsentativ die Stichprobe für die gesamte Wählerschaft (beziehungsweise jener, die an die Urne gehen) ist. Immerhin gibt es bei Befragungen, die vor einer Wahl oder Abstimmung publiziert werden, eine Plausibilitätsprüfung durch das tatsächliche Ergebnis. Bei Nachbefragungen fehlt eine solche. Entsprechend ist beim Konsum solcher Umfragen noch mehr als sonst ein kritischer Geist gefragt. (lz)