Die EZB nimmt alle Sparer in Geiselhaft
Die EZB betreibt eine verantwortungslose, zutiefst unmoralische, ja eigentlich kriminelle Politik.
Er ist der neue «Super Mario». Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, ist ein Held, seit er bekanntgab, dass die Notenbank künftig unbegrenzt Staatsanleihen kaufen würde, um die Finanzierungskosten überschuldeter Euro-Staaten zu drücken. Von links bis rechts fanden sich anerkennende Stimmen – von «überfällig» bis «notwendig» reichten die Urteile der Politiker und Medien.
Richtig ist, dass die Finanzmärkte den europäischen Wohlfahrtsstaaten nur noch ungern zusätzliche Geldmittel zur Verfügung stellen. Nach langem Dornröschenschlaf haben die Anleihenkäufer begriffen, dass auch Mitglieder der EU vor dem Staatsbankrott nicht gefeit sind. Im Falle Griechenlands ist der Bankrott längst eingetreten – Portugal, Spanien und Italien sind weitere mögliche Bankrotteure. Und auch Frankreich wirkt finanziell zunehmend marode.
Die Reaktion der Anleger ist klar und vernünftig: Neue Gelder stellen sie nur gegen höhere Zinsen zur Verfügung. Schliesslich ist auch das Ausfallrisiko angestiegen – wie der griechische Schuldenschnitt vor wenigen Monaten eindrücklich bewies. Was aber, wenn die überschuldeten EU-Staaten höhere Zinsen nicht bezahlen können? Länder wie Spanien und Italien können höhere Zinszahlungen nur noch durch höhere Schulden stemmen. Ein Circulus vitiosus, der – wann bzw. wo endet? Genau, im Staatsbankrott.
Oder doch nicht? Hier kommt Mario Draghi ins Spiel: Wenn die Sparer nur mehr gegen hohe Zinsen bereit sind, Schuldpapiere zu kaufen, dann springt eben die EZB ein und unterbietet sie, indem sie diese Papiere unbegrenzt aufkauft. Das drückt die Zinsen und erleichtert den Staaten die Finanzierung.
Der Dumme ist am Ende, genau, der Sparer bzw. Anleger. Wenn die EZB Schuldpapiere kauft, dann bezahlt sie diese Käufe durch selbstgedrucktes Geld. Das zusätzliche Geld entwertet das schon vorhandene Geld durch Inflation. Die vielen Millionen Sparer, die auf Euro-Schuldpapieren sitzen, werden damit enteignet – alles, damit «Super Mario» Staatsschulden unter dem Marktzins finanzieren kann.
Die Anleger haben am Ende die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder sie fügen sich dem EZB-Diktat und kaufen EU-Staatsschulden zu tiefen, nicht risikogerechten Zinsen, oder sie werden längerfristig durch die Inflationspolitik der EZB enteignet. Mario Draghi nimmt die Sparer in Geiselhaft. Die Geisel ist dabei ihr angespartes Vermögen, zum Beispiel für die Altersvorsorge. Alles Geplapper kopfloser Experten und alles Aufatmen verzweifelter Politiker kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die EZB betreibt eine verantwortungslose, zutiefst unmoralische, ja eigentlich kriminelle Politik.
Und was ist mit der Schweiz? Hier haben Politik und Nationalbank dem Drängen der Lobbyisten nachgegeben und den Franken fest an den maroden Euro gekoppelt. Um die ständige Abwertung des Euro zu verhindern, kauft die SNB nun wie verrückt Euro-Schuldpapiere. Damit sitzt die Schweiz noch fester in Marios Geiselhaft als die meisten Sparer Europas. Denn wenn die EZB Staatsschulden kauft und den Euro so entwertet, dann sitzt die SNB auf wertlosen Papieren. Also bleibt nur: weiter Schuldscheine kaufen. Die Schweizer Bürger zahlen in jedem Fall drauf – und auch die Exportindustrie wird an der Entwertung des Frankens nicht ewig Freude haben.
Kaum ein Politikfeld ist heute so sehr von irreführendem Expertenlatein geprägt wie die Geldpolitik. Am Ende geht es aber um das Geld der Bürger – und da kennen Bürokraten, Konservative und Sozialisten europaweit keine Alternativen: Wenn sie es nicht freiwillig rausrücken, dann werden sie eben dazu gezwungen. Die neue EZB-Politik zeigt: Im Fall der Staatsfinanzierung ist die Zeit der Diplomatie vorbei. Jetzt geht es ans Eingemachte. Und manch Superheld entpuppt sich plötzlich als Superbösewicht. Fragt sich nur: wie lange werden die Bürger noch mitspielen?