Die Erbin Draculas
Dana Grigorcea: Die nicht sterben.
Die «Twilight»-Saga von Stephanie Meyer hat zuletzt das nicht totzukriegende Vampirgenre wiederbelebt. Seither gab es unzählige Bücher, Filme und Fernsehserien mit unsterblichen Blutsaugern, auch wenn diese Welle zuletzt wieder etwas abgeflacht ist. Die schweizerisch-rumänische Autorin Dana Grigorcea bezieht sich in ihrem neuen Roman «Die nicht sterben» direkt auf den wohl bekanntesten Vampirtext: Bram Stokers «Dracula» von 1897. Noch wichtiger ist für sie allerdings der historische Fürst Vlad III. Drăculea, der als «Pfähler» in die Geschichte einging. Der Woiwode des Fürstentums Walachei aus dem 15. Jahrhundert hatte schon Stoker angestachelt. Während in «Dracula» ein Rechtsanwalt aus London nach Transsylvanien reist, steht bei Grigorcea eine junge Frau aus Bukarest im Zentrum. Nach dem Kunststudium in Paris kehrt sie an einen Ferienort in den rumänischen Karpaten zurück, wo sie als Kind viel Zeit mit ihrer Grosstante verbrachte. Damals war Rumänien noch vom kommunistischen Diktator Nicolae Ceaușescu beherrscht, später leidet das Land an wirtschaftlichen Problemen und Korruption.
Wie im klassischen Schauerroman üblich, versteht es die in Zürich lebende Autorin gut, früh im Roman mit Andeutungen grausamer Ereignisse viel Spannung zu erzeugen. Sie lässt sich Zeit für die knoblauchhaltigen Gerichte einer rumänischen Kindheit, bevor es dann auf einer Bergwanderung zum ersten Todesfall kommt. Bald darauf findet sich eine übel zugerichtete Leiche beim Grab Draculas, das in der Familiengruft der Erzählerin entdeckt wird. Schauergeschichten behandeln meist tiefsitzende Ängste und verdrängte Wünsche. Auch in «Die nicht sterben» löst die Wiederkehr einer dunklen Vergangenheit in der Erzählerin beunruhigende Veränderungen aus. Gleichzeitig liefert das Vampirthema den Stoff für eine Krimi-Dorfposse: Der Fund des Grabs zieht Schauertouristen an, was durch den Bau eines Draculaparks finanziell ausgesaugt werden soll. Intensiv beschäftigt sich die Erzählerin zudem mit Vlad dem Pfähler, der als gradliniger Herrscher eine blutige Ordnung erschuf. Diese unterschiedlichen Ebenen der Geschichte werden zwar in der Figur der Erzählerin verknüpft, sie beleuchten sich gegenseitig aber zu wenig. Dennoch bietet der sprachlich hochstehende Text schauriges Lesevergnügen.
Dana Grigorcea: Die nicht sterben. München: Penguin-Verlag, 2021.