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Die drei Dimensionen

Leistung. Vertrauen. Sicherheit. Das sind die magischen Worte für das Swiss Banking der Zukunft. Überlegungen aus aktuellem Anlass.

Alle reden von Private Banking «made in Switzerland». Totgesagt, zur Neuerfindung gezwungen, dämonisiert und nun wieder hochgeschätzt. Dabei bemerkte bereits Don Fabrizio, Herzog von Salina und Protagonist im Roman «Il Gottapardo» von Giu­seppe Tomasi di Lampedusa, treffend: «Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, müssen wir zulassen, dass sich alles verändert.» Was genau an Veränderung bzw. an Renaissance zu leisten ist, will ich in diesem Artikel beleuchten.

Um – ohne Anspruch auf kunsthistorische Korrektheit – beim Vergleich mit der Renaissance zu bleiben: Es geht darum, aus einem eindimensionalen und stark reduzierten Zerrbild die klaren Konturen, mithin die Dreidimensionalität einer wichtigen Dienstleistung wieder freizulegen. Die Wirren und Irrungen der jüngsten Zeit haben dazu geführt, dass sich ihre Plausibilität nicht mehr von selbst versteht – auch in der Schweiz mit intakter Bankentradition nicht.

Das Zerrbild

Beginnen wir mit dem Zerrbild. Swiss Private Banking hat sich in der internationalen Wahrnehmung und – leider – teilweise auch im eigenen Selbstverständnis auf die reine Vermögensverwahrung reduzieren lassen. Dies ist einerseits im weitergefassten historischen Rahmen erklärbar, war unser Land doch einer der wenigen Standorte auf der Welt, an denen auch in düsteren Jahren des 20. Jahrhunderts die physische Integrität von Hab und Gut geschützt werden konnte. Dazu kam der Diskretionsschutz durch das Bankkundengeheimnis, das die Schweiz im internationalen Kontext auch im Fall von steuerlichen Fragen bzw. von Steuerhinterziehung geschützt und durchgesetzt hat. Diese Kombination hat dem helvetischen Private Banking über viele Jahrzehnte wesentliche Wettbewerbsvorteile verschafft, die sich die einzelnen Finanzinstitute nicht selber erarbeitet haben. Wie immer in geschützten Märkten mit hohen Eintrittsbarrieren hat sich dies über die Zeit nachteilig auf die Wettbewerbskraft der Unternehmen ausgewirkt. Damit einher ging die Reduktion des Bankkundengeheimnisses auf unterstellte Steuervorteile, und man verlor den breiteren und legitimen Kontext der finanziellen Privatheit aus den Augen.

Über die letzten Jahre sind nun verschiedene Veränderungen – teilweise schleichend und zu Beginn unbemerkt – schlagende Realität geworden:

Ein Private Banking, das sich bestenfalls auf den nominalen oder gar nur physischen Vermögensschutz beschränkt, ist heute passé. Es geht bildlich gesprochen nicht mehr um die Unversehrtheit des Schrankfachs, sondern um den Erhalt und wenn immer möglich um die Steigerung der realen Kaufkraft des anvertrauten Vermögens. Und das in einer Welt, in der die finanzielle Repression als – vornehm ausgedrückt – Mittel der Eigentumsübertragung zwischen Bürger und Staat weit verbreitet ist, Volatilitäten zugenommen haben und Währungsrisiken gestiegen sind.

Aber auch das rechtliche Umfeld hat sich verändert. Die ursprünglichen Rahmenbedingungen, wonach sich Rechtsstaaten nur dann gegenseitig rechtliche Unterstützung zukommen lassen, wenn vermutete Delikte in beiden Rechtsräumen mit adäquaten strafrechtlichen Konsequenzen geahndet werden, haben sich stark aufgeweicht. Im Rahmen der Bewältigung der Finanzkrise und der Schaffung der G-20 wurden diese Themen zwar scheinbar zunehmend auf eine internationale Meta-Ebene verlagert. Die Welt ist jedoch de facto deutlich multipolarer geworden, was nichts anderes bedeutet, als dass Ansprüche und Forderungen heute bilateral bzw. unilateral durchgesetzt und nicht über globale Standards und gesetzte Rechtsnormen eingefordert werden. Diese Veränderungen erschüttern einen wesentlichen Teil des historisch gewachsenen Swiss Private Banking in seinen Grundfesten: Ausrichtung auf blosse Vermögensverwahrung und Verlass auf eine rechtlich fast unbeschränkt durchsetzbare finanzielle Privatsphäre.

Wird dadurch nun alles anders oder muss alles (einiges) anders werden, damit Swiss Private Banking im Kern bleibt (wieder wird), was es immer war?

Swiss Private Banking kann im Kern auf eine einfache Formel reduziert werden: Kunden wollen Vertrauen, suchen Leistung und erwarten Sicherheit. Wer sein Geld einem Finanzinstitut anvertraut, investiert zuerst einmal Vertrauen in die Expertise seines Vermögensverwalters. Erwartet wird eine reale Verzinsung, also die Steigerung der Kaufkraft, über einen längeren Investitionszyklus hinweg. Zudem wollen die Kunden ihr Vermögen in Sicherheit wissen: sicher vor Betrug, sicher vor Unruhen und Veränderungen politischer Natur, sicher vor illegalem und illegitimem Zugriff, sicher vor neugierigen oder missgünstigen Blicken. Aus dieser nur vermeintlich trivialen kundenseitigen Erwartungshaltung lassen sich drei Erfolgsfaktoren ableiten.

Rule of Service

Eine ökonomisch und rechtlich kompetente Beratung in Kombination mit einem erstklassigen Service ist die Mindestanforderung, auf die sich Finanzinstitute besinnen müssen. Kundenberater, verschiedene Experten, elektronische Kanäle bieten dem Kunden einen 7x24h-Service. Der eigentliche Beratungsprozess findet seine Legitimität einzig darin, dass er auf die ganz individuellen Bedürfnisse des Kunden ausgerichtet wird. Nur wer jeden Kontakt mit seinem Vermögensverwalter, und sei er vordergründig noch so unbedeutend, als ein positives, fruchtbares Erlebnis erfährt, wird zum zufriedenen Kunden, der seine guten Erfahrungen weiterträgt. Dieses deutlich akzentuierte Dienstleistungsverständnis wird durch den Faktor «Swissness» zusätzlich verstärkt. Darunter fallen Aspekte wie die Mehrsprachigkeit in der Schweiz oder der Umstand, mit Genf und Zürich gleich zwei international anerkannte Finanzplätze zu beheimaten, genauso ins Gewicht wie unsere Standortattraktivität als anerkannte Health-Care- oder Tourismus-Destination.

Rule of Performance

Ein realer Vermögensanstieg, ja selbst der Vermögenserhalt nach Inflation und nach Steuern, ist nur mit einer konsequent agierenden Vermögensberatung und -verwaltung zu realisieren. Noch vor 10 oder 20 Jahren waren die Renditequellen für konservativ diversifizierte Portfolios relativ einfach mit hohen Anteilen erstklassiger Staatsobligationen und soliden Aktienwerten darstellbar. Mit dieser konservativen und nach Buy-and-hold-Manier umgesetzten Anlagepolitik wurden aufgrund der höheren Renditen, eines generell sinkenden Zinsniveaus und starker Aktienmärkte vernünftige Ergebnisse erzielt. Ganz anders zeigt sich die heutige Ausgangslage: Wir finden uns in einem Umfeld von rekordtiefen Zinsen wieder. Die klassischen Portfoliobestandteile aus dem Obligationenbereich generieren inzwischen deutlich mehr Risiko als Rendite. Zusätzlich sehen sich die Anleger mit verschobenen Volatilitäts- und Korrelationsmustern konfrontiert. Ein solches Umfeld erfordert neue Methoden in der Portfoliokonstruktion, eine aktive Bewirtschaftung des Vermögens bzw. des Risikos sowie eine globale Sicht auf die Märkte. Erfolgsfaktoren im Private Banking also, die von den Kunden mit Swissness genauso in Verbindung gebracht werden müssen wie die weltweit respektierte Leistungsstärke der Schweizer Uhren- oder Maschinenindustrie. Die Schweiz ist ein glaubwürdiger Standort für diese Vermögensverwaltungskompetenz, nicht zuletzt dank des grossen institutionellen Heimmarkts, dessen Volumen von gegen 800 Milliarden Franken bereits die notwendige kritische Grösse generiert. Zudem besitzt die Schweiz ein hohes Ausmass an Kompetenz in diesem Bereich und hat als kleines Land immer global gedacht und damit global investiert. Diese globale Sicht ist im modernen Vermögensmanagement unverzichtbar – und man findet sie nicht an vielen Finanzplätzen auf dieser Welt.

Rule of Law

Die attraktiven Rahmenbedingungen, die der Schweizer Finanzplatz bietet, wurden in der Vergangenheit bedauerlicherweise auf Fragen der Steueroptimierung reduziert. Dabei ging und geht es um weit grundsätzlichere substanzielle Werte wie die Rechtssicherheit, den Schutz von Eigentum oder den Respekt vor der finanziellen Privatsphäre. Diese plausiblen, bewährten und im globalen Wettbewerb entscheidenden Standortfaktoren fallen nicht vom Himmel, sondern entstehen in einem gesellschaftlich-politischen Konsens, den es sowohl im Innenverhältnis als auch im globalen Wettbewerb mit Vehemenz zu verteidigen gilt. Dabei geht es nicht nur um die Prosperität des Finanzplatzes an sich, sondern letztlich um den Schweizer Wirtschaftsstandort als Ganzes und damit um unsere freiheitliche Bürgergesellschaft. Es sei in diesem Zusammenhang bewusst erwähnt, dass dieser Teil der «Swissness» von keiner Branche und von keinem Unternehmen selber hergestellt werden kann. Vielmehr ist sie das Ergebnis unserer Bürger- und Zivilgesellschaft. Umso wichtiger ist, dass Unternehmen und Repräsentanten von Unternehmen weiterhin in diese Zivilgesellschaft investieren und am Milizsystem partizipieren. Löst sich die Bürgergesellschaft auf, geht auch die Swissness verloren.

Die Rezeptur des künftigen Erfolges

Swiss Private Banking hat Zukunft – sogar eine grosse Zukunft. Service- und Performance-Qualität sind die ureigene Hausaufgabe der Unternehmen – und die Schweizer Unternehmen sind notgedrungen leistungsorientiert. Die Grundvoraussetzungen in der Schweiz sind gegeben – insbesondere die grosse und qualifizierte Basis an Talent und die solide Bürgergesellschaft –, um global erfolgreich zu sein. Den Finanzakteuren muss es freilich in Zusammenarbeit mit einer vorausschauenden Politik gelingen, die Vergangenheit in Steuerfragen nachvollziehbar aufzuarbeiten, ohne die eigentlichen Kernwerte wie Rechtssicherheit oder Verlässlichkeit über Bord zu werfen. So wird wieder ein leistungsstarkes, wahrlich dreidimensionales Modell von Swiss Private Banking freigelegt, und die Renaissance wird gelingen.

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(c) Fotolia.
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