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Die Altersvorsorge ist ein generationenübergreifendes Projekt

Um das Dreisäulenmodell wieder auf eine sichere Grundlage zu stellen, müssen alle einen Beitrag ­leisten. Durch eine Entpolitisierung des Umwandlungssatzes liessen sich Verteilkämpfe verhindern.

 

Unser Vorsorgesystem kann als ein Aushängeschild der Schweizer Kompromissbereitschaft angesehen werden. Die Schweiz wird weit über die Grenzen hinaus für ihr ­bewährtes Dreisäulenmodell beneidet und in der Ausge­staltung des Rentensystems in anderen Ländern immer wieder als Vorbild herbeigezogen. In den letzten Jahren zeigte sich aber, dass dieses System reformbedürftig geworden ist: Der demografische Wandel aufgrund der sogenannten ­«Babyboomer-Generation» führt aktuell und in den nächsten ­Jahren zu einer Belastung des Systems, welches finanziert werden muss. Deshalb ist das Thema Rentenreform in Bundesbern ein Dauerbrenner und auch immer wieder ­Inhalt von Initiativen und Referenden, über die das Volk ­abstimmt.

Differenzierung nach Branche

Ein entscheidender Streitpunkt bildet dabei unausweichlich die Festlegung des Rentenalters. Die Angleichung des Rentenalters von Mann und Frau ist notwendig und in einem ersten Schritt zu vollziehen. Während diese Angleichung in Bundesbern eine relativ breite Unterstützung geniesst, scheiden sich spätestens bei der Diskussion über eine generelle Erhöhung des Rentenalters die Geister.

Tatsächlich ist diese Frage differenziert zu betrachten: Vergleicht man die Lebenserwartung bei der Einführung der AHV mit der heutigen Lebenserwartung, erscheint die Forderung nach einer generellen Erhöhung des Rentenalters nachvollziehbar. Wir sind heute auch länger gesund und arbeits­fähig als frühere Generationen. Das alters­bedingte Ende der Erwerbsfähigkeit ist heute weniger eine Frage des Jahrgangs als der Branche. Gerade Akademiker können und wollen heute länger arbeitstätig sein. Ihr Eintritt ins Erwerbsleben erfolgte meist später und ihr Pro-Kopf-Beitrag in die AHV ist überdurchschnittlich. Sie können also solidarisch die Renten ihrer Jahrgänger mitfinanzieren, die einer körperlich anspruchsvolleren Arbeit nachgehen und früher in den verdienten Ruhestand übertreten müssen.

Bekanntlich kämpfen wir bereits heute mit dem Problem der zunehmenden Arbeitslosigkeit von älteren Arbeitnehmenden. Dieses strukturelle Problem muss mitberücksichtigt werden: Wenn die länger dauernde «Arbeitspflicht» zu einer noch höheren Arbeitslosigkeit von über 60-Jährigen führt, wird sich die kürzlich eingeführte Überbrückungsrente als eine Art «Vorrente» respektive «Entlassungsrente» entpuppen, welche den Bund und somit den Steuerzahler rasch mehrere hundert Millionen Franken kosten wird. Ein Teil der Kosten würde sich also eher verlagern, als wirklich eingespart zu werden.

Aus diesen Gründen müssen wir die Vorteile einer Flexibilisierung des Rentenalters in Betracht ziehen. Denn letztlich ist die Pensionsfrage auch eine individuelle Frage: Ist man bereit, für eine höhere Altersrente ein paar Jahre länger zu arbeiten, oder will man sich den wohlverdienten Ruhestand auf Kosten einer etwas geringeren Rente verlängern? Diese Frage sollte in Zukunft jeder vermehrt für sich selber beantworten können, ohne auf systematische Vor- und Nachteile Rücksicht nehmen zu müssen.

Doch die Flexibilisierung des Rentenalters ist noch nicht die Lösung der bestehenden Finanzierungsprobleme. Schliesslich wird man auch bei einer Flexibilisierung kaum generelle Leistungseinbussen beim gleichen Pensionsalter hinnehmen wollen.

Die AHV profitiert dank der im Jahr 2019 vom Stimmvolk angenommenen STAF-Vorlage (Steuerreform und AHV-­Finanzierung) von einer zusätzlichen Geldspritze von rund 2 Milliarden Franken jährlich. Die Angleichung des Renten­alters für Frauen würde die erste Säule zusätzlich stabilisieren. Trotzdem werden wahrscheinlich weitere Massnahmen zur Deckung der Finanzierungslücke nötig werden. Klar ist, dass der von linker Seite geforderte Ausbau der AHV in dieser finanziellen Situation absolut inakzeptabel wäre. Noch höhere Lohnabzüge sind gerade für den Mittelstand und die Büezer unseres Landes einschneidend.

Noch dramatischer ist die Situation in der zweiten Säule. Grundsätzlich gilt bei der Pensionskasse das Kapitaldeckungsverfahren, wobei das einbezahlte Kapital am Kapitalmarkt angelegt und beim Pensionsalter als einmalige Ausschüttung oder als Rente ausbezahlt wird. Leider führten die ausstehenden Reformen des BVG in den letzten Jahren vermehrt auch bei der zweiten Säule zu einer Art Umlageverfahren wie in der AHV: Das heute einbezahlte Geld wird für die Deckung der aktuell fälligen Renten benötigt; ob und welche Leistungen die nächste Generation erhält, ist ungewiss. Dieser Missstand muss endlich korrigiert werden!

Anpassung an die Lebenserwartung

Die grosse Problematik liegt dabei im politisierten Umwandlungssatz. Dieser stammt ebenfalls aus Zeiten, in denen die Lebenserwartung noch deutlich tiefer war als heute, und ist deshalb nicht mehr zeitgemäss. Es ist für die Pen­sionskassen sehr schwierig, eine solch hohe Rendite auf dem Kapitalmarkt zu erzielen, um die Rentenzahlungen mit den nötigen Mitteln finanzieren zu können. Die Senkung des Umwandlungssatzes ist daher notwendig. Mittelfristig sollte aber generell über eine Entpolitisierung des Umwandlungssatzes nachgedacht werden. Es wäre durchaus sinnvoll und einleuchtend, wenn sich der Umwandlungssatz automatisch an die aktuelle Lebenserwartung anpassen würde. Diese Massnahme würde die Pensionskassen in kurzer Zeit wieder in die schwarzen Zahlen zurückbringen.

Bei der Revision der beruflichen Vorsorge nehme ich aber auch meine Generation, die jungen Arbeitnehmenden, in die Pflicht. Es wäre beispielsweise sinnvoll, wenn junge Leute bereits ab 20 Jahren (heute erst ab 25 Jahre) in das Rentenguthaben einzahlen würden. Wer früher spart, hat auch mehr Rentenguthaben im Alter. Gerade im Zusammenhang mit dem flexiblen Rentenalter wäre dies für all jene interessant, die schon früh ins Arbeitsleben einsteigen und dadurch mehr Kapital ersparen können, von welchem sie später ­entweder durch eine höhere Rente oder durch eine frühere Pensionierung profitieren können.

Nicht vergessen werden darf aber auch die Problematik der älteren Arbeitslosen. Die heutige Regelung sieht im Alter ansteigende Lohnbeiträge vor, wodurch ältere Arbeitnehmende massiv mehr in die zweite Säule einzahlen als ihre jüngeren Arbeitskollegen. Da die BVG-Beiträge zur Hälfte vom Arbeitgeber bezahlt werden müssen, werden ältere Arbeitnehmende automatisch zu teureren Angestellten. Diese Benachteiligung muss mit konstanteren Beitragssätzen für die verschiedenen Altersklassen korrigiert werden.

Die dritte Säule, die private Vorsorge, wurde von der Politik bewusst sehr liberal gestaltet. Das ist gut so! Durch Einzahlungen in die Säule 3a kann der einzelne Bürger seine Steuerbelastung senken, was einem klassischen Anliegen der SVP entspricht. Dadurch verfügt er über ein grösseres freies Vermögen, welches er nach seinen Bedürfnissen ausgeben kann. Verfolgt jemand das Ziel einer höheren Rente im Alter, können Vorsorgelücken durch Einzahlungen in die dritte Säule gedeckt werden. Eine andere Person, die pro­blemlos mit einer etwas kleineren Rente auskommt, kann das Geld stattdessen in den Lebensunterhalt investieren. Bei der dritten Säule gilt es zu prüfen, ob der maximal definierte Einzahlungsbetrag erhöht werden soll. Gerade aufgrund ­dieser Flexibilität sollten wir die staatlich regulierten zwei Säulen AHV und BVG auch weiterhin auf die notwendige Vorsorgesicherheit beschränken, den Zusatzbedarf aber konsequent der individuellen Gestaltung und der Eigenverantwortung überlassen.

Miteinander lohnt sich

Die Politik muss endlich ihre Hausaufgaben wahrnehmen und Reformen zustande bringen. Die Rentenreform ist ein Generationenprojekt, bei welchem alle Altersgruppen ihren Beitrag leisten müssen. Ein Miteinander lohnt sich: Denn nur eine nachhaltige Reform unseres Vorsorgesystems sichert die Renten der heute Arbeitstätigen und insbesondere der zukünftigen Generationen. Ich hoffe sehr, dass es uns als Parlament in dieser Frage gelingt, einen mehrheitsfähigen Kompromiss zu erarbeiten, mit dem wir die Erfolgsgeschichte des Dreisäulenmodells weiterschreiben können und mit dem es uns gelingt, Planungssicherheit für die Bevölkerung zu schaffen. Und mit dem es uns gelingt, bei der ansteigenden Lebenserwartung von einer Bereicherung und nicht mehr von einem Problem zu sprechen.

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