Deutschland steht weiter still

Die Christdemokraten haben die deutsche Bundestagswahl gewonnen. Der inhaltliche Top-Koalitionspartner von CDU und CSU – so hat das die NZZ ausgerechnet – ist mit 76 Prozent Übereinstimmung die AfD. In jedem normalen Land würde nun eine gemeinsame Regierung gebildet. Doch nicht in Deutschland. Hier wird Wahlsieger Friedrich Merz – weil FDP und BSW die 5-Prozent-Hürde nicht erreichen – eine Grosse Koalition mit der SPD eingehen. So bildet sich zum vierten Mal seit 2015, was die heutigen Probleme erst erzeugt hat. Es ist nicht nur eine Verliererkoalition (schlechtestes Ergebnis jemals für die SPD, zweitschlechtestes jemals für die CDU), sie hat auch inhaltlich kaum eine Grundlage. Das CDU-Programm stimmt lediglich 28 Prozent mit der SPD überein.
Unter Merz ist die CDU anders aufgetreten als bisher und machte im Wahlkampf den Anschein, in Sachen Migration und Extremismus stärker durchgreifen zu wollen. Doch in der Koalition mit der SPD wird sich die einst stolze Wirtschaftsnation weiter zugrunde verwalten. Sie steht still, und Stillstand ist Rückschritt.
Dennoch zeigt Merz grossen Gestaltungswillen. Er will, gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Macron, Europa zu alter Grösse und Wichtigkeit zurückführen. Doch die Funktionäre der EU überschätzen ihre eigene Stärke und unterschätzen Donald Trump. Der neue US-Präsident stellt nämlich die bisherige US-Aussenpolitik auf den Kopf und wird mit den Europäern – die sich in grossen aussenpolitischen Worten gefallen, aber zurückschrecken, sobald es um wehrhaftes Handeln geht – ganz anders umgehen als bisher.
An der Front sterben keine Europäer oder Amerikaner, sondern nach wie vor Ukrainer und Russen (und Nordkoreaner). Haben jene, die zynisch behaupten, die Ukraine sei vor allem ein Übungsfeld für den Westen, um neue Waffen in der Praxis auszuprobieren, vielleicht doch etwas recht? Einige Bürger jedenfalls wenden sich gegen den bisherigen aussenpolitischen Kurs; AfD, Linke und BSW, die einen baldigen Frieden fordern, haben bei der Wahl hinzugewonnen.
Die FDP dagegen, die sich in der Ampel-Koalition mit Aushängeschildern wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann stets für einen militärischen Sieg gegen Russland stark gemacht hat, der mit Waffenlieferungen aus dem Westen zu erreichen sei, hat es nicht mehr in den Bundestag geschafft. Strack-Zimmermann, die in der Niederlage nun auch noch den Parteivorsitz anstrebt, ist die Verkörperung dessen, was falsch läuft in der FDP: Rechthaberisch, aber dünnhäutig zeigte sie jeden Monat bis zu 250 Bürger an, was ihr hohe Einnahmen bescherte und ordentlich Wasser auf die Mühlen der Bürokratie schüttete. Das soll eine Liberale sein?
Ihren Untergang hat sich die FDP jedenfalls selbst eingebrockt. In drei Jahren Ampelkoalition hat sie vielen irren linken Projekten zum Durchbruch verholfen, und damit zu weiten Teilen eine Politik gegen ihre eigenen Wähler durchgesetzt. Eine Koalition mit SPD und Grünen einzugehen, war von Anfang an einfach nur falsch. Folgerichtig also, dass Christian Lindner nun abtritt.
Gestern noch lachte Merz, aber er lacht nicht lange. Geht’s wirtschaftlich (drittes Jahr der Rezession) und moralisch (häufigere Messerangriffe und Sexualdelikte) weiter abwärts unter der Führung der alten deutschen Volksparteien, und das ist zu erwarten, werden AfD und Linke auch bei den nächsten Wahlen deutlich hinzugewinnen. Impulsgeber des Wandels sind die Bürger im Osten der Republik. Und die Jungen: Die 18- bis 24-Jährigen wählten die Linke (27 Prozent) und die AfD (21 Prozent). Wahlsieger CDU erhält von ihnen gerade mal 12 Prozent.
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