Der Weg zum Bundesstaat
Innere Spaltungen und Druck von aussen prägten die Entwicklung von einem losen Staatenbund zur liberalen Demokratie: eine Chronologie.
1798
Mit dem Einmarsch französischer Truppen fällt die Alte Eidgenossenschaft in sich zusammen. Die Helvetische Republik, ein Einheitsstaat nach französischem Vorbild, entsteht.
1801
Napoleon Bonaparte (unten) stellt den Verfassungsentwurf von Malmaison vor, welcher der Schweiz eine eindeutig föderale Struktur gegeben hätte. Doch Unitarier und Föderalisten zerstreiten sich über die Umsetzung.
1802
Als sich die französischen Truppen im Sommer aus der Helvetischen Republik zurückziehen, bricht sich der Unmut über die Regierung erneut Bahn, und es kommt zu einem föderalistischen Aufstand, der als Stecklikrieg bekannt wird. In der Folge marschiert Napoleon wieder ein und verhandelt mit den Kantonen über eine neue Verfassung.
1803
Mit der Einführung der von Napoleon diktierten Mediationsakte wird der Konflikt zwischen den Unitariern und Föderalisten beendet, und die Kantone werden wieder selbständige Gliedstaaten. Mit der Mediationsakte wird ein einheitliches Grundgesetz erschaffen, im Kriegsfall kann ein Bundesheer aufgestellt werden, der freie Handelsverkehr wird gewährleistet, der Bund kann eine Aussenpolitik führen und den Schweizern wird eine minimale Rechtsgleichheit zugesprochen.
1813
Nach Napoleons Niederlagen in Europa und dem Rückzug der französischen Truppen über den Rhein wird die Mediationsakte durch die Tagsatzung aufgehoben.
1815
Am Wiener Kongress wird die Schweiz als neutrales Land anerkannt, und ein neuer Bundesvertrag wird auf Druck der siegreichen Alliierten (Russland, Preussen, Grossbritannien und Österreich) eingeführt. Dieser gibt den Kantonen ihre Souveränität zurück. In Bundesangelegenheiten wird nach dem Mehrheitsprinzip entschieden.
1830
In den grösseren Kantonen kommen liberale Forderungen für eine Verfassungsrevision auf. Die Konservativen wehren sich dagegen. Schliesslich wird in den Kantonen Tessin, Thurgau, Aargau, Luzern, Zürich, St. Gallen, Freiburg, Waadt, Solothurn, Bern und Schaffhausen eine liberale Kantonsverfassung eingeführt.
1832
Die Mehrheit der Tagsatzung stimmt einer erneuten Ausarbeitung einer Verfassung zu, die aber an den konservativen Kantonen scheitert. In den folgenden Jahren verschärft sich der Konflikt zwischen den Liberalen und Konservativen.
1845
Um sich vor den Liberalen zu schützen, gründen die katholisch-konservativen Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Zug, Freiburg und Wallis den Sonderbund.
1847
Im Sommer fordert die Mehrheit der liberal regierten Kantone eine Revision des Bundesvertrags von 1815 und die Auflösung des Sonderbunds. Es kommt zum Sonderbundskrieg; nach der Niederlage der konservativen Kantone wird der Sonderbund im November aufgelöst.
1848
Eine Kommission aus 23 Mitgliedern erarbeitet eine Bundesverfassung. Diese wird von der Tagsatzung und anschliessend in den meisten Kantonen vom Stimmvolk angenommen. Die Schweiz wird zum ersten demokratischen Bundesstaat in Europa.
1847
Mit der Totalrevision der Bundesverfassung wird das fakultative Gesetzesreferendum eingeführt, das erste Instrument der direkten Demokratie auf nationaler Ebene. Die erweiterte Gesetzgebungskompetenz des Bundes bildet die Grundlage für eine einheitliche Rechtsanwendung, das Bundesgericht wird aufgewertet. Die Grundrechte werden gestärkt: Die Kultusfreiheit gilt nun für alle Glaubensgemeinschaften, die Niederlassungsfreiheit wird erweitert; die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Handels- und Gewerbefreiheit sowie das Recht auf Ehe werden garantiert.
1891
Auf Druck von Katholisch-Konservativen und Sozialdemokraten wird die Volksinitiative auf Teilrevision der Verfassung eingeführt. Damit erhält die Verfassungsstruktur der halbdirekten Demokratie die Form, die sie im wesentlichen bis heute beibehalten hat.