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Der Unternehmer taugt nur als Bösewicht
Carsten Maschmeyer, fotografiert von Thomas von Aagh.

Der Unternehmer taugt nur als Bösewicht

Von «Bibi Blocksberg» bis zum «Tatort» wird in deutschen Filmen und Serien ein negatives Bild des Unternehmers gezeichnet. Mit der Realität hat das rein gar nichts zu tun.

Die Suche nach den Mördern führte ZDF-Inspektor Derrick in beinahe allen der 281 Folgen in die Münchner Villenviertel zu Unternehmerfamilien. Unternehmer schienen für einen Grossteil der Tötungsdelikte in und um München verantwortlich zu sein – ganz im Gegensatz zu den tatsächlichen polizeilichen Statistiken. Dieses Zerrbild starb nicht mit dem Ende von Derrick: Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft und das Vergleichsportal Netzsieger verglichen weit über 1000 Folgen der ARD-Krimiserie «Tatort» und mussten feststellen: Die mit Abstand mörderischste Berufsgruppe sind Unternehmer, Manager und Selbstständige. Dahinter folgten die Berufskriminellen, wobei sich der Verdacht aufdrängt, dass die «Tatort»-Drehbuchautoren zwischen Berufskriminellen und Unternehmern allenfalls graduelle Unterschiede wahrnehmen.

«Der Verdacht drängt sich auf, dass die ‹Tatort›-Drehbuchautoren
zwischen Berufskriminellen und Unternehmern allenfalls graduelle
Unterschiede wahrnehmen.»

Marktskeptische Brille

Diese Zahlen sind wiederum nicht verwunderlich, wenn man die Medienlandschaft für Kinder betrachtet. In der beliebten Hörspielserie «Bibi Blocksberg» wird ein bemerkenswertes Unternehmerbild vermittelt: Da gibt es den Bauunternehmer Schmeichler, der eine ganze Stadt betrügt, um Profite zu machen, indem er ein denkmalgeschütztes Gebäude abreissen und das «Schmeichler-Center» bauen möchte. Da gibt es den neueröffneten Supermarkt mit seinem egoistischen Geschäftsführer, der die Preise drückt und den liebgewonnenen Tante-Emma-Laden, der ohnehin kaum über die Runden kommt, aus dem Markt drängt. Und es gibt den amerikanischen Millionär, der in seiner Konsumfixiertheit einfach alles kaufen möchte, was ihm gefällt, selbst das städtische Rathaus.

«Bibi Blocksberg» ist da nicht allein. In keinem Kinderbuch ist eine populäre Figur Unternehmer oder selbstständig. Es gibt Feuerwehrmann Sam, aber keinen Gründer Sam. Ich wollte das ändern und veröffentlichte zusammen mit meinem Co-Autor Axel Täubert die «Start-up-Gang», das von Jugendlichen bei der Unternehmensgründung erzählt. Obwohl die Verkaufszahlen sehr gut waren und es auch in die «Spiegel»-Bestsellerliste kam, war in der Presse harsche Kritik zu lesen. Die «Süddeutsche Zeitung» war empört und empfahl das Buch Eltern, die ihre Kinder nicht als Menschen mit Herz und Verstand aufwachsen lassen, sondern sie zu Maschinen zur «zeitsparenden Herstellung von Prototypen für die deutsche Wirtschaft» machen wollten. Unternehmer zu sein und gleichzeitig Herz und Verstand zu haben, schien dem Rezensenten unvorstellbar.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat im Februar 2024 erhoben, wie Unternehmertum und Unternehmer in Schulbüchern dargestellt werden. Das Ergebnis war so erwartbar wie erschreckend: Marktwirtschaft und Unternehmertum werden fast immer durch eine ideologisch aufgeladene, marktskeptische Brille betrachtet. Verkürzt: Staat gut, Unternehmen böse.

Doch was darf man erwarten von den Verfassern der Schulbücher, die ja oft Lehrer sind? Sie haben sich nicht ohne Grund für eine Lebenszeitverbeamtung entschieden und nicht für einen Lebensweg als Unternehmer. Mit Sicherheit sind sie weder glaubhafte noch motivierende Vorbilder, Kindern und Jugendlichen das Funktionieren der Marktwirtschaft oder die Lust an der Unternehmensgründung zu vermitteln. In der Schule wird also das Fundament eines negativen Unternehmerbilds gelegt, das sich durch die deutsche Gesellschaft zieht.

Deutschland will alle Unterschiede einebnen

Ich habe die Vermutung, dass in kaum einem Land das Unternehmertum so negativ dargestellt wird wie in Deutschland. Die Gründe sind sicher vielfältig. Auffällig ist der politische Hang zum Abbau von Unterschieden, die wenig ausgeprägte Ungleichheitstoleranz. Schon Unterschiede zwischen Regionen und Ländern werden häufig mit viel Geld ausgeglichen. Der Auftrag des Deutschen Grundgesetzes, gleichwertige Lebensverhältnisse innerhalb Deutschlands herzustellen, wird oft als konstitutioneller Befehl verstanden, exakt identische Lebensverhältnisse herzustellen. Dabei können Unterschiede durchaus bereichern und einen Wettbewerb um die besten Lösungen fördern.

Folge davon ist auch die im OECD-Vergleich enorm hohe Quote an Steuern und Sozialabgaben – in kaum einem anderen Land bleibt vom Brutto so wenig netto übrig. Der Hang zur Nivellierung hat auch einen anderen Effekt: Selbstständige werden nur so lange geschätzt, wie sie nicht erfolgreich sind, sondern gerade so über die Runden kommen. Gründer sind nur so lange sympathisch, als sie mit wenigen Mitteln die Welt verbessern wollen, ohne dabei selbst etwas zu verdienen. Hat ein Start-up aber tatsächlich Erfolg, Umsatz und Gewinne, scheint es, als warteten viele nur auf das Scheitern der hochfliegenden Pläne.

Dabei sollten wir jedem, der sich als Gründer versucht, die Daumen drücken und mitfiebern. Schliesslich hängt ein grosser Teil unseres Wohlstands von Menschen mit eigenen Ideen und Leistungswillen ab.

«Wir sollten jedem, der sich als Gründer versucht, die Daumen drücken und mitfiebern.»

Hoffnung auf eine dritte Gründerphase

Früher wurde der Sohn des Fürsten selbst Fürst, egal, wie gut er dieser Aufgabe gewachsen war. Für alle anderen war ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Aufstieg so gut wie unmöglich. Das änderte sich mit der Gewerbefreiheit und der industriellen Revolution. Auf einmal konnten auch Handwerker oder Bauern durch Innovationen, Einsatz und eben Leistung ihr Leben verbessern – die Leistungsgesellschaft war geboren. Sie ist das Versprechen, dass Leistung das eigene Leben und das der Nachkommen nachhaltig verbessern kann.

Die Gründerzeit im 19. Jahrhundert hat viele Unternehmen hervorgebracht, die noch heute Hunderttausende beschäftigen und immense Steuern zahlen. Auch das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg war von dem Bewusstsein geprägt, dass mit harter Arbeit Ergebnisse geschaffen werden. Dieses Bewusstsein ist leider verlorengegangen.

Schaffen wir mit künstlicher Intelligenz, Automatisierung und Robotik eine dritte Gründerphase in Deutschland? Das wird nur gelingen, wenn wir Unternehmer als Verbündete sehen, die an der Zukunft des Landes arbeiten. Und wenn wir wieder akzeptieren, dass unternehmerische Leistung des einen nicht zu Lasten, sondern zum grossen Nutzen aller anderen ist.

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