Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos

Der Staat wächst mit jeder Krise

Thomas Studer und Christoph Schaltegger zeichnen in einem neuen Standardwerk nach, warum die Ausgaben des Bundes stetig zunehmen. Dagegen hilft direkte Demokratie.

Der Staat wächst mit jeder Krise
Bild: Die Staatsquote ist seit der Bundesstaatsgründung schrittweise gestiegen. Quelle: Thomas Studer und Christoph Schaltegger: Die Finanzgeschichte der Schweiz». Herder, 2025.

Die öffentliche Meinung war gemacht, als die Schweiz 1915 über eine Kriegssteuer abstimmte: Es ging um das Überleben der Nation. «Jedes Nein kommt einem Schuss in den Rücken unserer Armee gleich», mahnte die NZZ.

Entsprechend klar war das Ergebnis: 94 Prozent (!) der Stimmbürger stimmten der Kriegssteuer zu. Der Bund konnte so seine Ausgaben stemmen, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in die Höhe geschnellt waren.

Was niemand ahnte: Mit der vermeintlich «einmaligen» Kriegssteuer hatte das Volk einem Dammbruch zugestimmt: Erstmals konnte der Bund nun direkte Steuern erheben. Ein Privileg, das die Politiker nicht mehr hergaben.

Die Episoden, welche die Ökonomen Thomas Studer und Christoph Schaltegger in ihrer minutiös recherchierten «Finanzgeschichte der Schweiz» schildern, gleichen sich: In Krisenlagen werden dem Bund «ausnahmsweise» zusätzliche Einnahmen zugestanden. Doch das Provisorium bleibt, und so wird aus einer ausserordentlichen Zusatzabgabe eine dauerhafte Erhöhung der Staatsquote.

Die Autoren zeigen auch schön auf, wie die direkte Demokratie die Tendenz des Staats zur Ausdehnung wenn nicht verhindert, so doch gebremst hat. Die Einführung der Mehrwehrsteuer wurde dreimal (1977, 1979 und 1991) abgelehnt, und die zweimalige Verwerfung einer Bundesfinanzordnung (1950 und 1953) hatte zur Folge, dass die Steuersätze danach bescheidener angesetzt wurden. Nicht zu vergessen auch die Schuldenbremse, welche die Stimmbürger 2001 mit 85 Prozent Ja-Stimmen angenommen haben.

So hat der Staat zwar auch in der Schweiz ein Ausmass angenommen, das sich die Gründer des Bundesstaats 1848 nicht hätten vorstellen können – doch immerhin ist er etwas gesünder und weniger gefrässig als in den meisten anderen Ländern.

Das Buch von Studer und Schaltegger ist nicht nur ein veritables Standardwerk, sondern auch eine Warnung. In der Finanzpolitik gilt: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Das gilt es zu bedenken, wenn nun wieder über eine «temporäre» Steuererhöhung für die Armee diskutiert wird. (Lukas Leuzinger)

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!