Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos
Der Staat gehört an die  kurze Leine
Picture provided by courtesy of Arnold Kling.

Der Staat gehört an die
kurze Leine

Zentralisierte Systeme funktionieren schlechter als dezentrale. Dennoch sind sie erstaunlich beständig. Wir müssen private Lösungen fördern und nicht auf staatliche Hilfe warten.

Read the English version here.

Dezentralisierte Systeme besitzen viele Vorteile gegenüber zentralisierten Systemen. Beispielsweise hat in der Landwirtschaft die dezentralisierte Marktwirtschaft der Vereinigten Staaten das zentralisierte Kommandosystem der Sowjetunion weit übertroffen.

Wirtschaftlicher und kultureller Fortschritt erfordert Experimente, Evaluierung und Evolution. Personen und Organisationen experimentieren mit neuen Produkten, neuen Dienstleistungen und neuen sozialen Normen. Die Ergebnisse werden ausgewertet. Wir behalten die besten neuen Ideen und verwerfen den Rest.

In allen drei Phasen des Prozesses funktioniert die Dezentralisierung besser. Märkte sind Regierungen vorzu­ziehen, wenn es um Experimente, Evaluierung und Evolution geht.

Der Wert der Vielfalt

Eine zentrale Regierung kann nicht annähernd so viele ­Experimente durchführen wie ein dezentraler Markt. Im Bereich der Hochschulbildung sind die Vereinigten Staaten weltweit führend geworden, weil viele verschiedene Colleges und Universitäten entstanden sind, die mit einer Vielzahl von Bildungsmodellen experimentiert haben. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es hier keine ­nationale Universität oder ein landesweit harmonisiertes System der Hochschulbildung. Stattdessen konnte sich eine grosse Vielfalt an Hochschulen und Universitäten ­herausbilden.

Im schweizerischen und kanadischen Gesundheits­system experimentieren die verschiedenen Provinzen und Kantone mit leicht unterschiedlichen Organisationen und Systemen. Im Gegensatz zum britischen National Health Service, der unter hohen Kosten und ineffizienter Versorgung leidet, ist in diesen Ländern die private Bereitstellung von Gesundheitsleistungen möglich.

Insgesamt lassen föderale Systeme mehr Experimente zu als zentralisierte Regierungssysteme. Darüber hinaus erlauben Märkte sogar viel mehr Experimente als föderale Regierungssysteme. Jeder einzelne Marktteilnehmer ist ein autonomer Akteur, der in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen und neue Dinge auszuprobieren.

Repression statt Selbstreflexion

Eine Regierung hat keinen natürlichen Mechanismus, um den Erfolg oder Misserfolg einer Initiative zu evaluieren. Tatsächlich arbeiten Beamte eifrig daran, solche Bewertungen zu vermeiden. Es liegt in der menschlichen Natur, ­Autorität ohne Verantwortung anzustreben. Amtsträger und Staatsangestellte erteilen gerne Anweisungen, solange sie keine persönlichen Konsequenzen tragen müssen, wenn etwas schiefgeht. Wenn eine Behörde bei der ­Erfüllung ­ihres Auftrags ineffektiv ist, behaupten ihre Vertreter, die Lösung bestehe darin, ihnen mehr Macht zu ­geben, und ganz sicher nicht darin, die Verantwortlichen zu entlassen.

In den Vereinigten Staaten hat die nationale Gesundheitsbürokratie während der Pandemie schlecht funktioniert. Der Vorschlag, Schulen zu schliessen, war besonders schädlich. Die Tests wurden durch bürokratische Machtkämpfe verzögert, und sie wurden nie wirksam umgesetzt, um die Verbreitung von Covid-19 zu verfolgen und zu kontrollieren.

«Amtsträger und Staatsangestellte erteilen gerne ­Anweisungen, ­
solange sie keine persönlichen ­Konsequenzen ­tragen müssen,
wenn etwas ­schiefgeht.»

Aber es liegt in der Natur der Sache, dass die Behörden keine Selbstreflexion betreiben. Unfähige Beamte werden nicht ersetzt. Anstatt Fehler zu erkennen und zu korrigieren, versuchten Beamte etwa, abweichende Meinungen zu unterdrücken, indem sie Kritik, die sich später als richtig herausstellen sollte, als «Desinformation» brandmarkten, zum ­Beispiel die Warnungen des Stanford-Professors Jay Bhattacharya, dass die Lockdowns Kindern schaden würden.

Der Markt verfügt über einen eingebauten Mechanismus zur Bewertung neuer Experimente. Wenn das Angebot eines Unternehmens für die Konsumenten attraktiv ist, dann wird das Unternehmen Gewinne erzielen. Wenn das Angebot den Verbrauchern nicht gefällt, wird das Unternehmen Verluste machen.

Mohair, die Wolle der Angoraziege, wurde in den USA weiter subventioniert, auch als es längst keinen Bedarf mehr dafür gab. Bild: Alamy Stock Foto.

Subventionen sind hartnäckig

Dies bringt uns zum dritten Mechanismus des Fortschritts: Evolution. Staatliche Programme, die überflüssig geworden sind oder von Anfang an nicht geklappt haben, existieren weiter. Es gibt keinen Mechanismus, um ein Programm zu stoppen, wenn es erst einmal im Staatshaushalt verankert ist. Ein berüchtigtes Beispiel in den USA ist eine Subvention für Landwirte, um das Angebot an Mohair zu er­höhen, einer Wollart, die im Zweiten Weltkrieg für Armeeuniformen verwendet wurde. Schon bald nach Einführung der Subvention stellte die Armee die Verwendung von ­Mohair für ihre Uniformen ein, aber die Subvention wurde bis in die frühen 1990er-Jahre beibehalten. Selbst als die Subvention abgeschafft wurde, setzte man sie einige Jahre später in leicht abgewandelter Form wieder ein.

Auf dem Markt scheidet ein Produzent aus, wenn sein Produkt nicht mehr nützlich ist. Aber in der Regierung gibt es keinen darwinistischen Prozess, um nur die Programme zu behalten, die funktionieren, und diejenigen auszusortieren, die ineffektiv sind.

Auf dem Markt bleiben Strategien, die Geld verlieren, auf der Strecke. Unternehmen gehen pleite, wenn ihre Projekte nicht erfolgreich sind. Der evolutionäre Prozess dient dazu, den Fortschritt zu fördern.

Furcht vor dem Neuen

Wenn dezentralisierte Prozesse beim Experimentieren, bei der Evaluierung und Evolution zentralisierten überlegen sind, wie erklärt sich dann der starke Trend zur Machtzentralisierung? Weshalb erlassen Nationalstaaten auf der ganzen Welt so viel mehr Regulierungen als in der Vergangenheit?

Ein legitimer Grund für eine stärkere Regulierung ist die zunehmende Komplexität unserer Wirtschaft. Wir können nicht zum schlanken Staat von 1800 zurück­kehren, wenn wir mit einem Umfeld konfrontiert sind, das die Möglichkeiten von Flugdrohnen am Himmel umfasst sowie die Notwendigkeit der Zuweisung elektromagnetischer Frequenzen für verschiedene Kommunikationsdienste, die Auswirkungen neuer Technologien auf die ­Privatsphäre und die Risiken neuer Finanzinstrumente, von Credit Default Swaps bis hin zu Kryptowährungen.

Ironischerweise erfordert die dezentralisierte Innovation, die der Markt hervorbringt, neue Formen der Regulierung. Aber der Staat führt oft Vorschriften ein, die nicht notwendig sind und die weitere Innovationen ersticken.

Leider neigen Beamte dazu, die Gefahren neuer Technologien zu übertreiben. Sie schüren die Ängste der Bürger und nutzen diese dann aus, um mit harter Hand zu regulieren.

Ich glaube, dass wir als Bürger einen Weg finden müssen, um nicht unseren schlimmsten Ängsten vor neuen Technologien nachzugeben. Wir müssen das Vertrauen in unsere Fähigkeit bewahren, in unserer Eigenschaft als Individuen und Mitglieder von Organisationen zu handeln, um die Herausforderungen neuer Technologien zu bewältigen. Wir müssen dazu ermutigen, Probleme mit unternehmerischen Ansätzen des privaten Sektors zu lösen,
anstatt von der Regierung Antworten zu erwarten. In den ersten Wochen der Pandemie hatten private Labors beispielsweise wirksame Tests für Covid-19 entwickelt. Die US-­Behörde für Lebens- und Arzneimittel lehnte jedoch die Verwendung dieser Tests ab und bestand stattdessen auf einem von der Regierung entwickelten Test, der erst dann richtig funktionierte, als die Pandemie schon weit fortgeschritten war.

Ausserdem müssen wir versuchen, den Widerstand von Beamten zu überwinden, die nicht für den Erfolg oder Misserfolg ihres Handelns zur Rechenschaft gezogen werden wollen. Wir müssen Aufsichtsorgane einrichten, die eine Kontrolle über ansonsten unverantwortliche Bürokraten ausüben können. Diese Institutionen sollten über die Mittel verfügen, um die Leistung von Regierungsbehörden zu bewerten. Und wenn diese Kontrollorgane ernsthafte Probleme in einer Behörde feststellen, sollten die Verantwortlichen die betreffenden Beamten entlassen und echte Reformen einleiten. Die Stossrichtung solcher Reformen sollte sein, ineffiziente Beschaffungspraktiken, fehlgeleitete Regulierungen und Versuche der Behördenvertreter zur Unterdrückung von Kritik zu unterbinden.

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!