Der Preis der Nachhaltigkeit
Renate Schubert, zvg.

Der Preis der Nachhaltigkeit

In der Theorie funktioniert die Einpreisung externer Effekte wunderbar. Ihre praktische Umsetzung stösst jedoch oft auf Widerstand.

 

Nachhaltigkeit ist ein schillernder Begriff – er umfasst nichts Geringeres als das Erreichen der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG), die die Vereinten Nationen 2016 ausgegeben haben und die sich auf die Bereiche Ökonomie, Ökologie und Soziales beziehen. Die 17 SDG gelten zunächst bis zum Jahr 2030. Ähnlich wie andere Länder hat die Schweiz eine «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030» und dazugehörige Aktionspläne entwickelt. Der Bundesrat hat die Strategie so formuliert, dass nachhaltige Entwicklung als wichtige Anforderung in allen Politikbereichen gesehen wird. Besonderen Handlungsbedarf sieht er in den Feldern «Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion», «Klima, Energie und Biodiversität» sowie «Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt». Bis 2030 soll sich vor allem der Anteil der Bevölkerung verringern, der unter der nationalen Armutsgrenze liegt. Negative Umwelteffekte, die durch die Nutzung fossiler Energieträger entstehen, sollen künftig vermieden werden. Im Aktionsplan 2021–2023 sind unter anderem Massnahmen zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in den Quartieren, zur Kontrolle der Effekte von Freihandelsabkommen, aber auch zur Entwicklung nachhaltiger Flugtreibstoffe vorgesehen.

Die Frage ist jedoch, wieso wir gerade im Umweltbereich noch so weit von der Erreichung der SDG entfernt sind, obwohl wir schon mehr als fünf Jahre an den SDG arbeiten und uns das Thema faktisch seit 1987 mit der Veröffentlichung des sogenannten Brundtland-Berichts beziehungsweise seit 1992 mit der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen zu Umwelt und Entwicklung intensiv beschäftigt. Ein Kernproblem scheint darin zu liegen, dass es zwar in der Theorie gute Lösungen für die erwähnten Umweltthemen gibt, deren praktische Umsetzung aber auf erhebliche Probleme und Widerstände stösst. Viele der theoretischen Lösungen, etwa die sogenannte Pigou-Steuer, stammen aus der Ökonomie und basieren auf Modellen, die davon ausgehen, dass wir uns im Sinne eines «Homo oeconomicus» verhalten, das heisst jeweils vollständig informiert sind, sehr schnell auf Veränderungen reagieren und bei anstehenden Entscheidungen jeweils diejenige Alternative wählen, die uns persönlich den grössten Nutzen verspricht. Dass solche Annahmen die Realität nicht wirklich abbilden, ist offensichtlich.

Was zu tun wäre

Was schlägt die Ökonomie nun vor, um Schädigungen der Umwelt zu verhindern? Ein zentrales Konzept ist jenes der negativen externen Effekte: Wenn es etwa um die Emission von Schadstoffen in Wasser, Luft oder Boden geht, stellen wir fest, dass diese Emissionen in der Regel nicht eingepreist sind. Wird beispielsweise Aluminium produziert, wird dabei CO2 in Luft und Atmosphäre emittiert. Da Luft und Atmosphäre aber uns allen gehören, müssen Produzenten – jedenfalls solange es keine entsprechende Regulierung gibt – für die durch die CO2-Emission verursachte Klimaschädigung und die damit zusammenhängenden Folgeschäden nichts bezahlen. Es findet da also etwas ausserhalb des Preissystems statt – daher der Begriff «externer Effekt». Wenn nun der Aluminiumpreis die durch die Emission von CO2 verursachten Schäden nicht mitumfasst, ist dieser Preis aus der gesellschaftlichen Perspektive betrachtet zu tief – eine wichtige Kostenkomponente neben den eingesetzten Rohstoffen, der eingesetzten Energie oder auch der eingesetzten Arbeitskraft fehlt nämlich im Preis des Gutes. Ist der Aluminiumpreis tiefer, als es eigentlich den Knappheitsverhältnissen in einer Gesellschaft entspricht, dürfte – jedenfalls aus ökonomischer Perspektive – die Nachfrage nach Aluminium höher sein, als sie es bei einem «korrekten» höheren Preis wäre. Dies bedeutet, dass mehr Aluminium hergestellt wird und mehr CO2-bedingte Schäden auftreten, als dies bei einem höheren Preis der Fall wäre.

«Zu glauben, mehr Nachhaltigkeit sei

umsonst zu bekommen, ist ein Irrglaube.»

«Korrekte» Preise hätten wir dann, wenn angebotene und nachgefragte Mengen genau dort übereinstimmen, wo die Gesellschaft mit all ihren Produzierenden und Konsumierenden eine Balance zwischen den Kosten oder Schäden und den Nutzen aus Produktion beziehungsweise Konsum eines Gutes oder einer Dienstleistung sieht. Die entsprechende Preis-Mengen-Kombination wird auch das umweltökonomische Optimum genannt. Interessanterweise liegt…

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Alexandra Janssen, Ökonomin,
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