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Der Mietendeckel musste scheitern
Michael Voigtländer, zvg.

Der Mietendeckel musste scheitern

Der Berliner Mietendeckel ist ein Fiasko: Das Angebot im Wohnungsmarkt sinkt, die Qualität geht zurück, die Vermieter investieren nicht mehr. Besser räumt man Hindernisse für den Wohnungsbau aus dem Weg.

 

Berlin hat in den letzten 30 Jahren eine bemerkenswerte Transformation erlebt. Nach der Wiedervereinigung gab es zunächst kaum wirtschaftliche Aktivität in Berlin, die Arbeitslosenquote war hoch und die Perspektive trüb. Die Metropole entwickelte sich dann, auch durch die Verlagerung des Bundestags von Bonn nach Berlin, zunehmend zum politischen Zentrum. Viele Künstler und Kreative zog es an die Spree, die Wirtschaft jedoch hat Berlin auch noch Anfang der 2000er-Jahre gemieden. Erst vor gut 15 Jahren siedelten sich Unternehmen, vor allem aus der IT-Branche, in der Hauptstadt an. Mehr und mehr hochqualifizierte junge Menschen aus dem In- und Ausland zieht sie seitdem an. In nur wenigen Jahren zählte Berlin zwischen 40 000 und 50 000 internationale Zuwanderer.

Diese Entwicklung hat sich auch auf den Wohnungsmarkt ausgewirkt. Berlin weist seit 2005 von den deutschen Städten die stärksten Mietpreisanstiege auf. Insgesamt sind die Mieten in dieser Zeit um gut 50 Prozent gestiegen und gerade in zentralen Lagen noch stärker. Dennoch ist das Mietpreisniveau nach wie vor niedrig und liegt unter dem Niveau anderer Grossstädte wie Düsseldorf, Stuttgart und vor allem München, ganz zu schweigen von anderen europäischen Hauptstädten wie Paris oder London. Das macht den Standort für Immobilieninvestoren attraktiv, die darauf setzen, dass sich die Mieten langfristig an diese Niveaus anpassen.

Vom wirtschaftlichen Boom profitieren aber längst nicht alle Berliner. Die Arbeitslosenquote ist zwar gesunken, liegt aber immer noch über dem nationalen Durchschnitt. Wie in vielen Grossstädten steigen die Löhne der Hochqualifizierten schneller als die von Menschen im einfachen Dienstleistungssektor oder von Rentnern. Viele zahlungskräftige Haushalte wollen gerne zentral wohnen. Diese zentralen Lagen waren in Berlin lange günstig, weil die Mauer die Stadt teilte und Standorte in der Nähe der Mauer wenig attraktiv waren. Damit gibt es einen besonderen Aufwertungs- und Mietpreisdruck in den zentralen Lagen; die Sorgen und Ängste alteingesessener Mieter sind hier besonders stark.

Politisch steht Berlin deutlich weiter links als andere Grossstädte. Dies lässt sich zum Beispiel an den Grünen festmachen. Mancher Grüne aus Baden-Württemberg muss in der Bundeshauptstadt bei Veranstaltungen der eigenen Partei mit Buhrufen rechnen, weil er als zu konservativ gilt. Die Linkspartei ist seit 2003 Teil der seit langem links-grün dominierten Berliner Landesregierung.

Besonders radikale Antworten

Vor diesem Hintergrund erklärt sich, weshalb die Berliner Wohnungspolitik besonders radikal ist und international gleich zwei Initiativen viel Beachtung finden: zum einen die Initiative zur Enteignung grosser Wohnungsunternehmen, zum anderen der Mietendeckel.

Die 2017 lancierte Bürgerinitiative «Deutsche Wohnen & Co enteignen» hat sich zum Ziel gesetzt, die Wohnungen aller Wohnungsunternehmen, die mehr als 3000 Wohnungen in Berlin haben, zu enteignen. Diese Wohnungen sollen in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt und zukünftig von der Senatsverwaltung bewirtschaftet werden, wobei ein Mieterrat bei allen Entscheidungen ein Mitspracherecht hat. Die Initiative beruft sich bei diesem Vorhaben auf Artikel 15 des Grundgesetzes, der eine Enteignung aus Gemeinwohlgründen grundsätzlich erlaubt. Allerdings wurde dieser Artikel bislang noch nie angewendet.

Darüber hinaus ist die Initiative eine Reaktion auf die Wohnungsverkäufe des Landes Berlin in den 2000er-Jahren. Angesichts leerer Kassen und trüber Ausblicke für die Bevölkerungsentwicklung in Berlin verkaufte die Stadt damals Wohnungsunternehmen wie die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) an internationale Beteiligungsgesellschaften. Diese Verkäufe werden aus heutiger Perspektive sehr kritisch gesehen, wobei allerdings die kommunalen Berliner Wohnungsunternehmen immer noch einen Marktanteil von mehr als 10 Prozent im Mietwohnungsmarkt haben, was im Rahmen dessen liegt, was auch in anderen deutschen Grossstädten in öffentlichem Eigentum ist.

Der Volksentscheid fand am 26. September 2021 statt – zeitgleich mit der Bundestagswahl. Im Vorfeld wurden der Enteignungsinitiative eher geringe Chancen eingeräumt. Es ist unklar, ob die Enteignung tatsächlich im Einklang mit der Verfassung steht, zudem müsste bei einer Enteignung den Unternehmen vermutlich eine Entschädigung in Höhe des Marktwertes gezahlt werden. Dabei könnte es um einen Betrag von 30 Milliarden Euro gehen – die Schulden Berlins würden sich damit verdoppeln. Da die Initiative die Mieten künftig nominal konstant halten und auch bei Modernisierungen weitestgehend auf Mieterhöhungen verzichten möchte, würden sich die Wohnbauten finanziell nicht selbst tragen. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass in diesen Wohnungen nur etwa 25 Prozent der Mieter als armutsgefährdet gelten – sie verdienen weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens. Über 40 Prozent der Bewohner verfügen sogar über mehr als das Durchschnittseinkommen. Sozialpolitisch wäre die Massnahme alles andere als treffsicher.

Wohnsiedlung in Berlin-Marzahn. Bild: Paul Langrock / Zenit / laif.

Wohnungssuchende haben das Nachsehen

Die Berliner Regierungskoalition sah sich angesichts der Initiative, die politisch im übrigen eng mit der Linkspartei verbunden ist, gezwungen, auf andere Weise in den Markt einzugreifen. Der am 30. Januar 2020 beschlossene Mietendeckel war die Konsequenz daraus. Der Mietendeckel sah vor, dass die Mieten in allen Wohngebäuden, die vor 2014 errichtet worden sind, eingefroren werden. Erst ab 2022 war ein Inflationsausgleich vorgesehen, aber nur bis zu einem Maximum von 1,3 Prozent pro Jahr. Darüber hinaus mussten Mieten abgesenkt werden, die als zu hoch angesehen wurden. Hierzu wurden Referenzmieten festgelegt, die zwar das Baualter und die Ausstattung analog zum Mietspiegel berücksichtigten, allerdings nicht die Lage. Dabei orientierten sich die Werte an 2014, die Höchstmiete wurde somit auf knapp 9 Euro pro Monat und Quadratmeter festgelegt.

Die Miete musste zum einen abgesenkt werden, wenn ein neuer Vertrag abgeschlossen wurde (zum Beispiel aufgrund eines Mieterwechsels) und die bisherige Miete über der Referenzmiete lag. Zum anderen musste die Miete auch bei bestehenden Verträgen abgesenkt werden, wenn sie 20 Prozent über der Referenzmiete lag. Hiervon profitierten vor allem diejenigen Mieter, die in eher teuren Vierteln lebten, da aufgrund der fehlenden Berücksichtigung der Lagen die Differenz zwischen Marktmiete und ­Referenzmiete sehr hoch sein konnte. Das Forschungsinstitut Empirica hat ermittelt, dass bei rund 50 Prozent der vor der Einführung des Mietendeckels abgeschlossenen Mietverträge die Miete 20 Prozent über der Referenzmiete lag und durchschnittlich um 25 Prozent reduziert werden musste. In begehrten Lagen wie Prenzlauer Berg oder Mitte konnte sich die Monatsmiete aber auch von 18 Euro auf dann 9 Euro pro Quadratmeter reduzieren.

Vom Bundesverfassungsgericht wurde der Mietendeckel im März 2021 für nichtig erklärt, letztlich aus rein formalen Gründen. Da es bereits eine bundesweite Mietenregulierung gibt, war das Land Berlin nicht berechtigt, die Mieten noch einmal selbst zu regulieren. Da das Gesetz für nichtig erklärt wurde, ist es so, als wenn das Gesetz nie gegolten hätte. Daher gilt sofort wieder die ursprüngliche Miete, auch können die Vermieter entgangene Mietbeträge zurückfordern. Gerade angesichts der Coronapandemie kann dies insbesondere für einkommensschwache Haushalte eine Belastung darstellen. Weil das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel nur aus formalen Gründen untersagt hat, gibt es nun Initiativen, den Mietendeckel bundesweit einzuführen. Zudem zeigen auch andere Länder Interesse an dieser Regulierung. Umso wichtiger ist es, die ökonomischen Effekte des Mietendeckels genauer zu betrachten.

Als Erfolg sehen die Initianten sicherlich an, dass die Wiedervertragsmieten – also Mieten für Bestandswohnungen, die bei einem neuen Vertrag aufgrund eines Mieterwechsels gezahlt werden – in der Tat gesunken sind, der reine Preiseffekt lag bei rund 10 Prozent. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Mieten in Wiedervertragssituationen auf den Referenzwert gesenkt werden mussten. Parallel zur Mietsenkung wurde aber auch das Angebot reduziert. Die Zahl der inserierten Mietwohnungen ist – bereinigt um andere Effekte wie die Coronapandemie – in Berlin um rund 50 Prozent zurückgegangen. Damit hat sich die Lage für alle Wohnungssuchenden verschärft, die Konkurrenz um die Wohnungen ist auch aufgrund der günstigeren Mieten noch einmal gewachsen.

«Vermieter reagieren auf solche Regulierungen

mit Verkauf, verringerten Investitionen

oder aber auch mit Umgehung.»

Dies ist eine typische Reaktion auf solche Mietenregulierungen. Häufig kommt es infolge eines Mietpreisstopps zu zahlreichen Verkäufen an Selbstnutzer, weil der erzielbare Verkaufspreis deutlich über dem Wert der kapitalisierten regulierten Mieten liegt. Auch die Vergabe ausserhalb von Plattformen, also über Bekannte und Freunde, wird häufiger, womit persönliche Netzwerke an Bedeutung gewinnen. Für Studierende und andere junge Erwerbstätige, die aufgrund der Studienaufnahme oder eines Arbeitsplatzwechsels neu in eine Stadt ziehen, ist das eine besondere Belastung. Im Fall von Berlin haben ausserdem viele Vermieter die Wohnungen leerstehen lassen, da sie auf eine für sie positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gesetzt haben.

Auch die Entwicklung der Kaufpreise spricht dafür, dass viele Marktteilnehmer damit gerechnet haben, dass das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel untersagt. Schliesslich haben die Kaufpreise nicht auf die Regulierung reagiert, das heisst, die Marktteilnehmer sind von weiter steigenden Mieten ausgegangen.

«Zerstörung einer Stadt»

Die Bereitschaft zu Investitionen hat merklich abgenommen. Bereits unmittelbar nach der Ankündigung des Mietendeckels gab es viele Stornierungen bei geplanten Modernisierungen, aber auch grösseren Instandsetzungen. Das stimmt überein mit den Erfahrungen aus anderen Ländern, die zeigen, dass die Qualität der Bestände drastisch zurückgeht, weil sich schliesslich die Qualität dem administrierten Preis angleicht. Drastisch hat es der schwedische Ökonom Assar Lindbeck in seiner Bewertung der umfangreichen Erfahrungen mit Mietpreisstopps formuliert: «In vielen Fällen scheint die Mietenkontrolle die effizienteste bekannte Methode zu sein, um eine Stadt zu zerstören – abgesehen von Bombenangriffen.» Ziele wie die energetische Sanierung des Bestands oder auch die Umsetzung von Barrierefreiheit im Bestand lassen sich mit solchen Regulierungen letztlich nicht umsetzen.

Aus ökonomischer Sicht ist der Mietendeckel – ebenso wie jede andere Form des Mietpreisstopps – zum Scheitern verurteilt gewesen. Vermieter reagieren auf solche Regulierungen mit Verkauf, verringerten Investitionen oder aber auch mit Umgehung. Kurzfristig mag eine solche Regulierung den Mietern mit laufenden Verträgen nutzen, doch mittel- bis langfristig sind alle Mieter von sinkendem Angebot und schlechter Qualität der Wohnungen betroffen. Vermeiden liesse sich das nur durch umfangreiche öffentliche Subventionen, diese Mittel könnten jedoch wesentlich besser genutzt werden.

Sinnvolle Ansätze

Der Ruf nach Mietpreisinterventionen bleibt dennoch populär, denn die Idee, Preisanstiege einfach zu verbieten, erscheint verführerisch. Nicht nur die Linke, sondern auch Bündnis 90/Die Grünen und die SPD sind im Bundestagswahlkampf 2021 mit dem Versprechen angetreten, auf die eine oder andere Art und Weise einen Mietpreisstopp durchzusetzen. Doch was ist die Alternative zu solchen Regulierungen, und wie sollte die Politik auf stark steigende Mieten reagieren?

Erstens ist es essenziell, den Wohnungsbau voranzubringen. In Berlin, München oder Hamburg ist der Wohnraum ebenfalls knapp, weil viele Menschen in die Städte gezogen sind. Die Wohnraumknappheit ist somit immer auch eine Nebenwirkung wirtschaftlichen Erfolgs. Schliesslich kommen die Menschen in die Grossstädte, weil diese gutbezahlte Arbeitsplätze, eine gute Infrastruktur und viele Freizeitmöglichkeiten bieten. Wohnraum in den Grossstädten zu schaffen ist eine Herkulesaufgabe angesichts des knappen Baulands. Daher gilt es die Kräfte zu bündeln, um vorhandene Flächen bestmöglich zu nutzen. Hamburg etwa hat gezeigt, dass bei ent­sprechendem politischem Willen auch Widerstände in einzelnen Bezirken überwunden werden können. Zudem gilt es Potenziale im Bestand zu heben, etwa indem Dachausbauten unterstützt oder die Schaffung von Einliegerwohnungen gefördert werden.

Zweitens muss die Kooperation mit den Umlandgemeinden gesucht werden, da diese oft über mehr Möglichkeiten verfügen, Bauland auszuweisen. Allerdings fehlt es den Umlandgemeinden häufig an Anreizen, den Wohnungsbau wirklich zu fördern. Hier ist die nächsthöhere Gebietskörperschaft gefordert, Interessen auszugleichen, aber auch durch einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs die Anbindungen zu verbessern.

Drittens sollte es gezielte Unterstützungen für die Haushalte geben, die mit den Wohnkosten überlastet sind. Auswertungen des sozioökonomischen Panels zeigen, dass dies weniger Haushalte sind, als man erwartet. Diese Haushalte müssen gezielt durch einen privilegierten Zugang zu Sozialwohnungen oder aber Wohngeld unterstützt werden. Sozialpolitisch war es ein grosser Fehler, dass das Wohngeld in Deutschland erst 2020 reformiert wurde. Eine frühere Anhebung der Sätze hätte die Lage deutlich entspannt.

Schliesslich können auch Mietpreisregulierungen temporär helfen, allerdings nicht in Form restriktiver Mietpreisstopps. International zeigt sich, dass moderate Formen, etwa Begrenzungen des Wachstums, deutlich weniger schädliche Wirkungen haben. Die Mietpreisbremse könnte ein solches Instrument sein, doch die Konstruktion ist letztlich zu kompliziert, weshalb Mieter und Vermieter die Massnahmen weitestgehend ignorieren. In einzelnen Metropolen in den USA zum Beispiel werden die Mietpreissteigerungen auf jährlich 5 Prozent plus Inflationsrate begrenzt. Eine solche einfache Regulierung kann den Druck auf die Wohnkosten senken, ohne schädlich zu wirken – zumindest, wenn zugleich tatsächlich neu gebaut wird.

Bedingt durch die Coronapandemie hat sich der Zuzug in die grossen Städte reduziert, was für den Wohnungsmarkt mit einer vorübergehenden Entlastung verbunden ist. Jedoch ist damit zu rechnen, dass die Zuwanderung bereits ab nächstem Jahr wieder anzieht. Somit gibt es nun etwas Zeit, die Wohnungspolitik noch einmal neu auszurichten. Es bleibt zu hoffen, dass diese Zeit gut genutzt wird.

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