Der Krampf lohnt sich
Selbständigkeit geht unweigerlich mit Risiken einher. Doch die Freiheit, die sie bietet, übertrifft den Komfort des Angestellt-Seins bei weitem.
Eine Freundin von mir befindet sich gerade in einem Sabbatical. Seit einem Jahr reist sie um die Welt, nun neigt sich ihre Auszeit dem Ende zu. Vor der Heimreise begab sie sich an einem exotischen Ort auf einen exotischen Trip (sie konsumierte Froschgift!) und stellte sich die Daseinsfrage, die sich auch darum drehte, ob sie zurück in den Job gehen oder den Sprung in die Selbständigkeit wagen soll. Also griff sie zum Telefon und rief mich an.
Sie ist nicht die erste, die mich deswegen um Rat gefragt hat. Weil ich vor sechs Jahren genau diesen Schritt getan habe, werde ich hin und wieder um meine Meinung gebeten, wenn jemand mit dem Entscheid ringt.
Ich sagte meiner Freundin, dass ich seither insgesamt nur fünf Wochen Ferien gemacht und meistens an den Wochenenden gearbeitet habe. Dass es die Schweiz Selbständigerwerbenden nicht einfach mache. Dass wir zum Beispiel Monat für Monat Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlen müssten, obwohl wir selbst keinen Anspruch auf Arbeitslosengelder hätten, wenn uns die Aufträge ausgingen. Ich erzählte ihr, wie ich am Anfang nervös war, weil ich nie genau weiss, wie viel und ob überhaupt im nächsten Monat Geld reinkommt, und dass ich noch immer weniger verdiene als früher.
Und dann sagte ich meiner Freundin: Es war der beste Entscheid meines Lebens, die Stelle zu kündigen und selbständig zu werden!
Denn der Krampf lohnt sich. Den Preis, den ich dafür erhalte, ist eine höhere Lebensqualität durch das Gefühl von Freiheit. Ich bin frei, meine Zeit einzuteilen; kein Chef sagt mir, von wann bis wann ich arbeiten muss. Ich bin frei, mir selbst auszusuchen, welche Idee ich weiterverfolge, an welchem Projekt ich arbeiten will. Ich allein entscheide, was ich wann wo tun will, ich kann arbeiten, wo es mir gefällt. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig und brauche niemanden zu fragen – ich kann es einfach tun.
Als ich mich selbständig machte, sagte ich mir: Wenn die Rechnung nicht aufgeht, suche ich mir wieder eine Anstellung. Doch schon nach zwei Wochen war mir klar: Ich setze alles daran, um nie wieder eine Angestellte sein zu müssen.