Der Kommunismus ist eine Zombie-Ideologie
Der Historiker Sean McMeeking legt eine umfassende Geschichte kommunistischer Theorie und Praxis vor.
Dass Sean McMeekin gern gängige Erzählungen in Frage stellt, weiss man spätestens seit seinem Buch «Stalin’s War», in dem er den sowjetischen Diktator als Haupttreiber des Zweiten Weltkriegs beschreibt. Die Publikation brachte dem amerikanischen Historiker den Vorwurf des Geschichtsrevisionismus ein.
Sein neues Buch «To Overthrow the World» ist nicht weniger provokativ. Das Werk ist über weite Strecken eine sorgfältig ausgearbeitete Geschichte der kommunistischen Ideologie und Herrschaft. Vor allem gegen Ende aber auch eine eindringliche Warnung. Wie der Untertitel «The Rise and Fall and Rise of Communism» klar macht, sieht McMeekin den Kommunismus alles andere als am Ende. Der chinesische Kommunismus erlebt aus seiner Sicht nicht nur in China ein Revival. Die Methoden des Regimes – seien es drakonische Covid-Restriktionen oder eine zunehmende staatliche Überwachung – verbreiteten sich auch im Westen immer stärker.
Diese Analyse ist korrekt, bloss fragt man sich als Leser, was an diesen Methoden genau kommunistisch ist. Zweifellos ist der Kommunismus eine autoritäre Ideologie. Wie McMeekins Buch klar macht, sind Kommunisten nie in der Geschichte durch freie Wahlen an die Macht gekommen. Der Umkehrschluss, dass Autoritarismus automatisch kommunistisch ist, überzeugt jedoch nicht. Es gibt genug Beispiele nicht-kommunistischer Regime, die autoritär regierten beziehungsweise regieren (Iran, Russland, Chile, …); auch im Fall von China ist fraglich, wie ausgeprägt die kommunistische Ideologie noch ist.
Diese Unschärfe ist eine Schwäche des Buches, das sonst eine präzise und gut geschriebene Übersicht über Aufstieg und Wandel einer tödlichen Ideologie bietet. (lz)