Der Föderalismus ist klinisch tot
Wie beleben wir ihn wieder?
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Unter den Schweizer Mythen nimmt der Föderalismus einen Ehrenplatz ein. Während in Wirklichkeit die Zentralisierung von Jahr zu Jahr voranschreitet, werden die Vorzüge eines Systems, das eher ein Mythos als eine Realität zu sein scheint, immer noch gelehrt und gelobt. Insbesondere in der Romandie ist der Föderalismus «passé». Hier ist Genf der einzige Kanton, der zum Finanzausgleich des Bundes etwas beiträgt, alle anderen befinden sich im Lager der Empfänger. Letztere freuen sich regelmässig darüber, von der Verteilung «verwöhnt» zu werden. Mit anderen Worten, ihre fiskalische Attraktivität verloren zu haben und noch stärker von anderen abhängig zu sein. Seltsame Vision des Föderalismus…
Die gegenwärtige Krise bestätigt diesen grundlegenden Trend nur noch deutlicher. Mit kühlem Kopf scheint jeder zu verstehen, dass es unangemessen ist, Kantonen mit unterschiedlichen Realitäten die gleichen Massnahmen aufzuerlegen. Aber in der Praxis…? Wer glaubt, dass die kantonale Souveränität wichtig ist und dass die Probleme im kleinstmöglichen Rahmen gelöst werden sollten, schaut dem Ballett der Politiker aus der Romandie, die Bern bitten, einzugreifen und alles in die Hand zu nehmen, mit Kopfschütteln zu. Dieses Beispiel neben vielen anderen wird die Verhärtung der «Westschweizer Identität» gegenüber dem Rest des Landes weiter verstärken. Infolge der zunehmenden Mobilität zwischen den Westschweizer Kantonen und der schleichenden Zentralisierung der Zuständigkeiten zerbröckeln die kantonalen Identitäten, um einer neuen Opposition Platz zu machen, nämlich der des Westschweizer Blocks gegen die Deutschschweiz.
Der Graben ist nicht zuletzt auch sprachlich bedingt. Die verschiedenen Regionen des Landes scheinen einander nicht mehr wirklich zu verstehen, und noch trauriger: Sie scheinen sich kaum mehr umeinander zu kümmern. Letztlich besteht die Schweiz nicht aus einer Vielzahl von Kantonen, sondern aus Blöcken, die sich gegenüberstehen. Nur eine wirkliche Dezentralisierung in den Gemeinden und Kantonen, die sich von der regionalistischen und nationalen Logik entfernt, wird es ermöglichen, die Flamme des Föderalismus wieder zu beleben.