…der (fehlenden) Männerbewegung
Seit Jahren wird das Thema «Mann» in den Medien und in der Wissenschaft gewälzt. Tut sich deswegen etwas? Hat die Diskussion etwas daran geändert, dass Männer heute das verletzlichere, schwächere und problematischere Geschlecht sind? Dass sie ungesünder leben, früher sterben, häufiger Selbstmord begehen und gewalttätiger sind? Kommen Jungen in der Schule heute besser klar als […]
Seit Jahren wird das Thema «Mann» in den Medien und in der Wissenschaft gewälzt. Tut sich deswegen etwas? Hat die Diskussion etwas daran geändert, dass Männer heute das verletzlichere, schwächere und problematischere Geschlecht sind? Dass sie ungesünder leben, früher sterben, häufiger Selbstmord begehen und gewalttätiger sind? Kommen Jungen in der Schule heute besser klar als vor zehn Jahren? Die Antwort ist: nein; alles beim Alten. Männer halten nach wie vor am Bild fest, sie müssten die Starken sein und dürften keine Probleme haben. Sie haben immer noch Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu spüren und – erst recht! – zu zeigen. Besser ist es, «Herr der Lage» zu sein und keine Schwächen zu haben. Und innerlich sieht es gerade umgekehrt aus: Männer sind überfordert, scheitern und verstummen noch mehr, obwohl sie Hilfe brauchen. Aber sie kriegen keine. Gleichstellungsfachstellen beschäftigen mehrheitlich, manchmal ausschliesslich, Frauen, die sich vor allem um Frauenanliegen kümmern. Ärzte diagnostizieren bei gleichen Klagen an Frauen häufiger Depressionen als an Männern.
Und Männer wehren sich gegen solche Zustände nicht. Weil sie ja keine Memmen und Heulsusen sein wollen. Frauen verlassen Männer, die es nicht mehr bringen, die unkommunikativ und erfolglos sind. Männer ertränken ihr Elend, kompensieren mit Extremsport, gehen in den Puff, und wenn gar nichts mehr geht, bringen sie sich um. Kein Hilfeschrei, allein mit ihrer Wut, ihrer Einsamkeit, ihrem Elend. Allenfalls dürfen sie mal für ein paar Wochen in eine Burn-out-Klinik, um danach wieder in der Tretmühle zu rackern. Es ist Zeit für ein neues Männerbewusstsein, höchste Zeit für Gefühlswahrnehmung, allerhöchste Zeit für Selbstreflexion. Deshalb ist die Zeit reif für eine Männerbewegung, die diesen Namen verdient: Wir reden nicht von kleinkarierten Exotenzirkeln, sondern von einer selbstbewussten, selbstkritischen und ehrlichen Auseinandersetzung, auch in den Medien. Ein grosses Interesse an einer solchen Bewegung haben übrigens zuvorderst die Frauen. Denn was haben sie davon, wenn die cleveren und gefühlvollen Männer aussterben?