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Der Dollar ist tot – lang lebe der Dollar!

Der Anteil des US-Dollars am Welthandel und an den Zentralbankreserven sinkt. Eine überzeugende Alternative der BRICS-Staaten ist aber noch nicht in Sicht.

Der Dollar ist tot – lang lebe der Dollar!
Bild: Unsplash.

 

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Der US-Dollar ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die wichtigste Reservewährung der Weltwirtschaft und nach wie vor die am häufigsten verwendete Währung im internationalen Handel. Die starke weltweite Nachfrage nach dem US-Dollar ermöglicht es den Vereinigten Staaten, aufgrund niedriger Anleiherenditen günstige Kredite aufzunehmen und die Währung für diplomatische Zwecke zu nutzen. Der weitverbreitete Einsatz von Finanzsanktionen als Instrument der Aussenpolitik durch die USA hat jedoch einige Nationen dazu veranlasst, nach Möglichkeiten zu suchen, mit alternativen Währungen zu handeln – ein Phänomen, das als Dedollarisierung bezeichnet wird.

So unterliegt beispielsweise Russland seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs im Februar 2022 dem strengsten globalen Sanktionsregime, das der Westen, angeführt von den USA, ­jemals verhängt hat. Es wurden Beschränkungen eingeführt, um Moskaus Zugang zum internationalen Finanzsystem und zu Bankkonten einzuschränken, die zur Finanzierung der Kriegsmaschinerie des Kremls notwendig sind. Es wurden auch Exportbeschränkungen verhängt, um die Fähigkeit Russlands einzuschränken, Güter zu importieren, die zur Ausrüstung eines modernen Militärs erforderlich sind, wie zum Beispiel Computerchips. Mehr als 30 Länder, darunter die USA, Grossbritannien, Kanada, Australien, Japan und die Staaten der Europäischen Union, beteiligen sich an diesem beispiel­losen Strafregime, indem sie Preisobergrenzen für die Energie­exporte Russlands festlegen, die Vermögenswerte der russischen Zentralbank einfrieren und den Zugang Moskaus zu SWIFT, dem wichtigsten internationalen Finanztransfer­system, einschränken.

Russisches Gas für Europa, russisches Öl für Indien

Bemerkenswert ist, dass Russlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 5,4 Prozent gestiegen ist. Damit setzt sich die robuste Dynamik des BIP nach dem Absturz im Jahr 2022 fort, wobei diese stark abhängig ist von staatlich finanzierten Investitionen in Waffen und Munition.

Das Wachstum wurde vom Gross- und Einzelhandel (11,4 Prozent), der Industrie (9 Prozent) sowie vom Baugewerbe (4,8 Prozent) angetrieben. Dass die Wirtschaft trotz anhaltender Sanktionen wächst, hat auch mit ihrer Zusammensetzung zu tun. Die staatlichen Unternehmen, die sich seit der Sowjetzeit kaum verändert haben, tragen etwa zwei Drittel zum BIP des Landes bei, während kleine und mittlere Unternehmen nur ein Fünftel erwirtschaften. Auch wenn diese Struktur dem Wirtschaftswachstum nicht förderlich erscheint, kann sie in schwierigen Zeiten als Stabilisator wirken, wie sich während der Covid-19-Lockdowns gezeigt hat.

Interessanterweise konnte Russland auch seine Flüssiggasexporte nach Europa aufrechterhalten. Indien fühlt sich daher in seinen Importen von russischem Öl bestätigt – trotz der westlichen Sanktionen gegen Moskau und des westlichen Drucks, diese Käufe einzuschränken. Die Regierung in Neu-Delhi hat zudem die Absicht bekundet, weiterhin russisches Rohöl nahe oder über der von der G7 festgelegten Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Fass zu kaufen. Gleichzeitig versucht sie, mit externen wirtschaftlichen Unsicherheiten klarzukommen. Das hat zu Spekulationen über die Auswirkungen eines solchen Dollar-unabhängigen Handels auf den Status der amerikanischen Währung als wichtigster globaler Reservewährung ­geführt.

Nichttraditionelle Reservewährungen profitieren

Aktuelle Daten aus der Currency Composition of Official
Foreign Exchange Reserves (COFER) des Internationalen Währungsfonds zeigen einen anhaltenden Rückgang des Anteils des US-Dollars an den Devisenreserven der Zentralbanken und Regierungen. Die verminderte Rolle des US-Dollars in den letzten zwei Jahrzehnten kam jedoch nicht den anderen grossen Währungen – Euro, Yen und Pfund – zugute. Profitiert haben stattdessen nichttraditionelle Reservewährungen wie der australische Dollar, der kanadische Dollar, der chinesische Renminbi, der südkoreanische Won, der Singapur-Dollar und die nordischen Währungen. Die Vorteile dieser nichttraditionellen Reservewährungen liegen in der Diversifizierung und der erhöhten Liquidität (oft durch neuartige digitale Finanztechnologien) sowie den relativ attraktiven Renditen.

Die Verlagerung hin zu diesen Währungen ist angesichts der Stärke des US-Dollars besonders auffällig und deutet möglicherweise auf eine Verlagerung privater Investitionen in auf Dollar lautende Vermögenswerte hin. Zugleich unterstreicht diese Schlussfolgerung, dass Wechselkursschwankungen einen deutlichen Einfluss auf die Zusammensetzung der Zentralbankreserven haben können.

Andererseits belegen statistische Tests keinen beschleunigten Rückgang des Reserveanteils des Greenback, was Behauptungen widerspricht, dass die westlichen Sanktionen die Abkehr vom US-Dollar beschleunigt hätten. Obwohl es möglich ist, dass die Länder, die aus geopolitischen Gründen eine Abkehr vom US-Dollar anstreben, keine Daten über die Zusammensetzung ihrer Reserveportfolios an COFER übermitteln, machen die 149 berichtenden Volkswirtschaften fast 93 Prozent der globalen Devisenreserven aus. Das deutet darauf hin, dass die nichtberichtenden Länder nur einen sehr geringen Teil der globalen Reserven halten.

Praktische Probleme einer BRICS-Währung

Mit seinem Angebot, die Entwicklung der BRICS-Währung voranzutreiben, hat Moskau versucht, die Aufmerksamkeit auf die Dominanz des US-Dollars zu lenken. Die wiederholten Täuschungsmanöver des Kremls wecken jedoch Misstrauen hinsichtlich der Standhaftigkeit Russlands in Bezug auf das Ziel ­einer gemeinsamen BRICS-Währung. Derzeit bestehen Unklarheiten in mehreren praktischen Fragen.

Ein Problem ist, dass die BRICS-Gruppe kein besonders starker Wirtschaftsblock ist. Sie versucht, den Wirtschaftsmoloch China mit dem aufstrebenden Indien und drei deutlich kleineren, vom Rohstoffexport abhängigen Volkswirtschaften zusammenzuführen. Die BRICS-Mitgliedstaaten unterscheiden sich erheblich in Bezug auf internationalen Handel, Wirtschaftswachstum und globale Integration der Kapitalmärkte. Vor allem aber führen Chinas wirtschaftliche Stärke und sein zunehmender Einfluss auf Russland dazu, dass die BRICS-Währung als potentielle Alternative zum US-Dollar nicht für einen vielfältigen Block wachsender Volkswirtschaften steht, sondern für ein einziges dominantes Land, China, das gigantische Mengen an Energie und Rohstoffen aufsaugt.

Trotz seiner Schlagkraft hat sich Peking jedoch als unfähig erwiesen, auch nur den Renminbi als brauchbaren Ersatz für den Dollar zu etablieren, geschweige denn eine BRICS-Währung. Zum Teil liegt das daran, dass die erfolgreiche Internationalisierung des Renminbis von Pekings Kosten-Nutzen-Analyse abhängt und der Anteil seiner Wirtschaft an der globalen Produktion und dem globalen Handel hoch genug sein muss. Ausserdem geniesst der Renminbi weltweit kein ausreichendes Vertrauen, da Peking Kapitaltransfers und die inländischen Finanzmärkte streng reguliert. Auch die indische Rupie kann nur schrittweise internationalisiert werden, da indische Finanzmärkte nur allmählich an Gewicht gewinnen und die indische Zentralbank vor der vollständig umgesetzten Konvertibilität von Kapitalkonten ausreichende Devisenreserven sicherstellen will.

Der «Forbes»-Chefredaktor Steve Forbes argumentiert, dass die Welt auf eine goldbasierte Währungsarchitektur zusteuere. Als Anzeichen dafür nennt er die Rekordkäufe von Gold durch Zentralbanken in den letzten Jahren sowie Experimente mit goldbasierten Staatsanleihen. Dieser Anstieg der offiziellen Goldnachfrage ist jedoch nicht so beispiellos, wie gelegentlich angenommen wird, da sich der Rückgang des Goldanteils an den offiziellen Devisenreserven vor mehr als einem Jahrzehnt umgekehrt hat. Die gestiegene Nachfrage hat nur deshalb für Aufregung gesorgt, weil sie vor dem Hintergrund eines anhaltenden Rückgangs des Anteils der globalen Goldreserven stattgefunden hat. Dieser Rückgang erstreckt sich über fast vier Jahrzehnte und gefährdet den Status des US-Dollars als globale Reservewährung nicht annähernd.

Sanktionssicherer Handel

Da es Länder gibt, die versuchen, in anderen Währungen als dem US-Dollar zu handeln, ist die Dedollarisierung kein Mythos. So haben beispielsweise Indien und Russland versucht, ihren Handel vor westlichen Sanktionen zu schützen, indem sie unter anderem den US-Dollar als Tauschmittel abgeschafft haben, und waren damit wohl auch recht erfolgreich.

Die Aufwertung des US-Dollars in den letzten Jahren hat das Ausmass der Abwanderung von auf US-Dollar lautenden Zen­tralbankreserven weltweit verschleiert, wobei der Greenback grösstenteils durch nichttraditionelle Reservewährungen ersetzt wurde. Es gibt jedoch keine glaubwürdigen empirischen Belege für einen beschleunigten Rückgang des Anteils des US-Dollars an den globalen Reserven. Das liegt zum Teil daran, dass es keine überzeugende und vertrauenswürdige globale Alternative zum US-Dollar gibt.

Der Dollar wird daher voraussichtlich die wichtigste Reservewährung der Welt bleiben, es sei denn, Washington setze ihn leichtfertig als Instrument für Finanzsanktionen in einem deutlich grösseren Umfang ein.

Aditya Bhan, zvg.

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