Defund the Steuerverwaltung!
Über die Überwindung staatlicher Repression.
Eines kann man den Jungsozialisten nicht verargen: Sie führen den Diskurs sehr grundsätzlich. Deren neuste Forderung lautet auf Abschaffung der Polizei. Begründet wird dies mit dem angeblichen Rassismus unserer Sicherheitskräfte. Kriminalität und Gewalt seien ohnehin Folgen des Kapitalismus – würde dieser überwunden, könnten «weniger repressive» Institutionen die Polizei ablösen. Ulkigerweise ist diese Argumentationskette zu grossen Teilen aus den USA importiert: «Defund the police!» ist dort eine beliebte Forderung von Aktivisten. Offenbar reicht die Soft Power der ansonsten als erzkapitalistisch verschrienen Amerikaner so weit, dass gar die Jungsozialisten von dort die Diskurse übernehmen, obwohl weder die Polizei noch die Rassismusgeschichte der USA mit der unseren direkt vergleichbar ist.
Dabei wäre es auch aus liberaler Sicht durchaus spannend, die Überwindung staatlicher Repression etwas grundsätzlicher anzugehen. Die Polizei ist hier aber das falsche Zielobjekt. Zum einen hat die relative Bedeutung der Sicherheitskräfte bereits massiv abgenommen: Heute entfallen auf öffentliche Ordnung, Sicherheit und Verteidigung zusammen nur noch wenige Prozentpunkte aller Schweizer Staatsausgaben. Zum anderen prägen Polizei und Armee kaum unseren Alltag, sondern kommen erst at last resort zum Einsatz, was auch von den meisten Liberalen begrüsst wird.
Es gibt viel wirkungsmächtigere staatliche Institutionen, deren «Defunding» vorstellbar wäre – allen voran die Steuerverwaltung: Sie steht am Anfang jedes staatlichen Zwangs, denn gratis ist auch für die öffentliche Hand nichts zu haben. Jungsozialisten und Liberale könnten also gemeinsam die Ablösung der Steuerverwaltung durch einen «weniger repressiven» Solidaritätsfonds fordern, in den alle für gesamtgesellschaftliche Aufgaben einzahlen könnten, wenn sie es denn freiwillig wollten. Schliesslich glauben sowohl Jungsozialisten als auch Liberale – zu Recht – an das Gute im Menschen.