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Das Wüste lebt

Susy Schmid: «Das Wüste lebt». Muri: Cosmos, 2007.

…ein Mord in Marokko…

In Susy Schmids Krimi dreht sich alles um Schweizer in der Fremde. In einer marokkanischen Oase in der Nähe von Tinerhir kommt die Reisetruppe von «Unlimited», eines Schweizer Abenteuerreiseveranstalters, unfreiwillig zum Stillstand, als eine der Teilnehmerinnen, die noch dazu allen anderen Mitreisenden mit ihrer Saure-Zitronen-Mentalität ordentlich auf die Nerven gegangen ist, in ihrem Zelt erstochen aufgefunden wird. Mordwaffe ist das Küchenmesser der Ich-Erzählerin, der Köchin der Reisetruppe.

Einerseits ist jeder verdächtig, anderseits ist der Personenkreis stark eingegrenzt, schliesslich ist rundherum nur Wüste. Die detektivischen Aktivitäten der Köchin und der lokalen Polizei beschränken sich fast ausschliesslich auf Gespräche. Einige Knalleffekte später löst sich das Rätsel zum allgemeinen Wohlgefallen auf, die Lösung wird den Lesern retrospektiv in einem Gespräch zwischen zwei Figuren aufgetischt. Ein klassischer Kriminalroman a là Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle also, aus der guten alten Zeit, bevor die Hardboiled-Variante die Action ins Genre gebracht hat. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, fehlte dem Text nicht der Wille zum Tieferschürfen. Die Verhöre lassen die psychologische Qualität und das Mysterium der alten Klassiker vermissen. Alle Figuren, sogar die Ich-Erzählerin, bleiben an der Oberfläche haften. Wer anfangs unsympathisch war, bleibt es bis zum Ende, die Sympathischen sind wirklich gute Menschen oder zumindest ausreichend unterhaltsam. Überhaupt ist die Frage der Sympathie stark mit der Frage der Schuld verknüpft:

«Ich hoffe, es war kein Mitglied unserer Gruppe, das ich mag», antwortet June, eine Engländerin, die laut Klappentext auf Rätoromanisch fluchen kann, was sie im Verhör jedoch nur selten tut – auch hier die Idee stärker als die Ausführung. Keiner der Sympathieträger und schon gar keine der Sympathieträgerinnen ist zu irgendeinem Zeitpunkt wirklich verdächtig. Nicht einmal die Freude an der Reise wird den Figuren nachhaltig vergällt, dem exotischen Essen wird zugesprochen, der einzigartige Sternenhimmel über der Wüste wird gewürdigt und am Markt wird allerhand Kunsthandwerk, Gewürze und Duftstoffe eingekauft.

Auf der Plusseite gibt es in der Handlung immer wieder Überraschungsmomente. Es fällt auch auf, dass die Autorin die marokkanischen Figuren positiv besetzt, den Polizisten Witz, Bildung und persönliches Charisma zugesteht. Auch Claire, mit über 60 Jahren die älteste der Reiseteilnehmerinnen, wird keineswegs als langweilig eingestuft. Im Gegenteil, sie ist eine schillernde Figur. Angenehm, auch für einen Österreicher, liest sich die dezent Schweizer Färbung der Sprache, vor allem in der Figurensprache. Da wird «Znacht» gegessen, da hat wer «immer Flausen im Grind» und so weiter.

Trotzdem: der Krimi ist brav geschrieben und relativ einfach gestrickt, legt keine falschen Fährten, weil er gar keine Fährten legt. Es wäre besser gewesen, die Autorin hätte einen Reisebericht geschrieben; der Mord und seine Auflösung sind bestenfalls Beiwerk. Susy Schmid ist ziemlich sicher eine sympathische und interessante Frau, mit der man sich gern einmal länger unterhalten würde. Das Buch, allerdings, muss man nicht unbedingt lesen.

vorgestellt von Markus Köhle, Wien

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