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Das Super-Wahl(betrug)-Jahr

2024 wählen weltweit so viele Menschen wie noch nie – doch nicht überall können sie auch mitbestimmen.

Das Super-Wahl(betrug)-Jahr
Bild: Freepik.

2024 werden weltweit so viele Menschen an Wahlen teilnehmen wie noch nie. In 40 Ländern mit insgesamt 3,2 Milliarden Einwohnern finden dieses Jahr Wahlen statt (im Januar haben bereits Bangladesch und Taiwan gewählt, im Februar Pakistan und Indonesien). Zu den wichtigsten Wahlterminen gehören:

  • März: Russland (146 Millionen Einwohner)
  • Mai: EU (448 Millionen)
  • Mai/Juni: Indien (1392 Millionen)
  • Juni: Mexiko (129 Millionen)
  • Oktober: Venezuela (28 Millionen)
  • November: USA (334 Millionen)

Hinzu kommen Südafrika und vermutlich Grossbritannien, wobei die Daten noch offen sind. Vorgezogene Wahlen in weiteren Ländern sind nicht ausgeschlossen, etwa in Deutschland.

Ein demokratisches Freudenfest? Kaum. Ein genauerer Blick auf die Länder, in denen 2024 gewählt wird, lässt vielerorts eine demokratische Farce erwarten. In Russland steht der Wahlsieger Putin schon im Voraus fest. Auch in Venezuela hat Präsident Nicolás Maduro nichts zu befürchten: Seine stärkste Gegnerin, María Corina Machado, ist von der Wahl ausgeschlossen.

Diese Beispiele zeigen den Wandel autokratischer Regime in den vergangenen Jahrzehnten: Unterdrückten Diktatoren früher ganz offen und schamlos ihre Bürger, geben sie sich heute Mühe, den Eindruck demokratischer Legitimation zu erwecken. Abgesehen von China und Nordkorea können die Bürger fast in allen Ländern wählen – doch lange nicht überall können sie auch mitbestimmen.

Fairer dürfte es in der EU zu und her gehen, wo im Mai rund 400 Millionen Bürger aufgerufen sind, das Europäische Parlament neu zu besetzen. Allerdings ist das EU-Parlament gegenüber dem EU-Rat noch immer relativ schwach. Die beschränkte Demokratie – die sich etwa auch im Papiertiger namens Europäische Bürgerinitiative zeigt –steht im Missverhältnis zur zunehmenden Bedeutung der EU, die immer mehr Kompetenzen von der nationalen Politik an sich reisst.

Sicherlich am spannendsten wird es im November, wenn in den USA ein neuer Präsident bestimmt wird. Die Auswahl ist allerdings betrüblich: Die gleichen zwei 80-jährigen Männer wie vor vier Jahren duellieren sich um das mächtigste Amt der Welt. Beide umweht der Dunst der Korruption, beide sind gesundheitlich angeschlagen und beide sind rekordverdächtig unbeliebt. Einer der beiden, Donald Trump, hat offengelassen, ob er eine Niederlage akzeptieren würde, und angekündigt, im Fall eines Sieges als Diktator zu regieren, wenn auch «nur am ersten Tag».

Es ist eine verkehrte Welt: In Diktaturen geben sich Politiker demokratisch, und in Demokratien kokettieren Politiker mit der Diktatur.

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