Das rinke Lager wächst
Schweizer Medien und Wähler vergeuden zu viel Aufmerksamkeit mit Blicken auf die politischen Ränder
Die Schweizer Wahlen 2011 stimmten die bürgerlichen Wähler hoffnungsvoll. Dank der «neuen Mitte» um BDP und GLP schien das Zentrum gestärkt, Mehrheiten jenseits von Rot-Grün versprachen zum Normalfall zu werden.
Vier Jahre später präsentierte Politikwissenschafter Michael Hermann der erstaunten Öffentlichkeit in seinem «Parlamentarier-Ranking» ein gänzlich anderes Bild: Die letzte Legislaturperiode brachte einen unverhofften Linksruck. Mehr Regulierung, mehr Umverteilung, mehr Zentralisierung. Von der Energiewende über die Familienpolitik bis zum Finanzausgleich – die Anhänger des spendablen Zentralstaates setzten sich in allen Belangen durch. Und die «neue Mitte»? Sie politisierte in der Tendenz rinks. Also links, unter einem bürgerlich-rechten Mäntelchen.
Wenn es drauf ankam, standen CVP, BDP, EVP, CSP und auch Teile der FDP treu an der Seite der Sozialdemokraten. Liberale Reformen, Deregulierung, tiefere Abgaben? Mehr marktwirtschaftliche Frischluft im staatswirtschaftlichen, protegierten und kartellisierten Muff so vieler Schweizer Branchen – von der Landwirtschaft über Einzelhandel, Gesundheit, Verkehr, Energie bis Telekom? Weniger Anmassung und Entmündigung in Lebensbereichen wie der Ernährung, Vorsorge oder Familienplanung? Fehlanzeige. Die SP beklagt neuerdings dennoch einen «Rechtsruck». Ich behaupte: Schweizer Medien und Wähler vergeuden zu viel Aufmerksamkeit mit Blicken auf die politischen Ränder. SP und SVP zeigen klare Kante, provozieren und unterhalten, sicher. Doch die politische Musik spielt in der Mitte, hier fallen die Entscheidungen und entstehen Mehrheiten. Während die bürgerlichen Wähler noch verunsichert auf das Kasperltheater der Ränder blicken, werden in der unscheinbaren Mitte die Weichen gestellt. Auch 2015 wird da das linke Lager triumphieren – und die Weichen für die Zukunft stellen. Denn eine Mehrheit ohne die beherzten Umfaller der scheinbürgerlichen Mitte wird es auch in den nächsten vier Jahren nicht geben.