Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos
Das Grauen vor der Haustür
Hejo Emons (c) Britta Schmitz

Das Grauen vor der Haustür

Regionalkrimis sind eine Literaturgattung, auf die mitunter herabgesehen wird. Sie kommen auch bei jenen an, die eher wenig lesen.

 

Herr Emons, wie kamen Sie auf die Idee, Regionalkrimis zu publizieren?

Wir wollten Krimis publizieren, die Schauplätze beinhalten, welche die Leser kennen. Man geht morgens zum Bäcker und holt sich Brötchen und abends liest man in der Zeitung, dass eine Leiche vor just dieser Bäckerei aufgefunden wurde. Dieses wohlige Erschauern, selbst nochmals davongekommen zu sein, wollen wir in unseren Regionalkrimis auch hervorrufen. Unseren ersten Regionalkrimi «Tödlicher Klüngel» publizierten wir 1984 – und sogleich wurde der Autor, Christoph Gottwald, in den Medien als der «Raymond Chandler vom Rhein» betitelt. Angefangen haben wir zu zweit. Heute umfasst unser Team 32 Leute.

Ihre Geschäftsphilosophie?

Wir suchen Kriminalromane, die ungewöhnlich sind. An sich machen wir alles wie die grossen Verlage; der entscheidende Unterschied liegt an unserem Bezug zur Regionalität.

Brauchen die Leute diesen Kitzel vor der Haustüre, jedenfalls in der Fiktion, weil der Alltag sicherer und damit eintöniger geworden ist?

Die Welt wird nicht friedlicher. Es gibt in ihr viele Dinge, auf die der Mensch keinen Einfluss nehmen kann: Kriege, Umweltkata­strophen, aktuell die Coronapandemie. Der Leser sehnt sich aber nach einer Lösung für eine Welt, die aus den Fugen geraten ist.

Haben somit alle Emons-Krimis ein Happy End?

Viele, aber nicht alle. Wir geben das den Autoren nicht vor. Manchmal gehen Geschichten eben auch nicht gut aus.

Was zeichnet Ihre Leserschaft aus?

Wir haben ein sehr breites Publikum, und dazu gehören auch viele, die sonst nicht lesen. Vor einiger Zeit kam ich ins Gespräch mit einem älteren Herrn an unserem Bücherstand. Als ich fragte, welche Art Krimis er bevorzuge, antwortete er, dass er ausschliesslich Kölnkrimis lese. Das fand ich grossartig. Mit der Regionalität erreicht man ein Publikum, das normalerweise nicht in Buchhandlungen geht und auch sonst nicht so viel liest. Wir haben Menschen zu Lesern gemacht!

Aber Krimis seien doch gar keine richtige Literatur, finden einige.

Was ist denn richtige Literatur? Ich sehe das nicht so. Leider ist es aber schon so, dass wir in Deutschland eine Literaturkritik für den Kriminalroman haben, die auf Regionalkrimis herabsieht. Es passiert durchaus, dass die einflussreichsten Krimilektoren und Rezensenten in Deutschland von uns versandte Kisten mit Büchern ungeöffnet zurückschicken. Zu unserem Glück sieht das in der Schweiz anders aus.

Wie haben Sie die Coronakrise erlebt?

Die Buchläden waren zu, wir haben aber diese Einbussen wieder wettgemacht. Aktuell sind unsere Umsatzzahlen ein paar Prozentpunkte über dem Vorjahr. In Krisenzeiten wird eindeutig mehr gelesen.

Für Sie schreiben auch einige Bestsellerautoren.

Ja, viele haben bei uns begonnen. Aktuell im Programm haben wir Frank Schätzing, Friedrich Ani oder Volker Kutscher. Die Serie «Babylon Berlin», die auf Kutschers Buch «Der nasse Fisch» basiert, läuft seit 2017 im Fernsehen. Es ist eine der bislang teuersten deutschen Fernsehproduktionen.

Sind Kriminalautoren eigentlich Psychopathen, die ihre Fantasien beim Schreiben ausleben können und zu unserem Glück nicht im ­Leben?

Spannend wäre das. Wir hatten aber bisher noch keinen Fall von einem Autor, der kriminell geworden wäre. Die meisten sind doch ganz normale Menschen, die mit einer überbordenden Fantasie gesegnet sind.

Fragen Sie selbst nach Manuskripten?

Wir erhalten etwa 300 Einsendungen im Jahr und sortieren diese aus. Das ist ein aufwendiger Prozess, da alle eine begründete Antwort erhalten und die Manuskripte nicht einfach weggeworfen werden. Selbst gehen wir nicht auf Autoren anderer Verlage los. Es kommen aber Autoren von anderen Verlagen auf uns zu, oder ihre Agenten schlagen ihnen unseren Verlag vor.

Welche Eigenschaften muss ein Manuskript besitzen, damit Sie sich entscheiden, es zu publizieren?

Ausschlaggebend sind die ersten 35 Seiten. Wenn der Autor bis dahin keine Spannung erzeugt, dann erhält er eine Absage. Wichtig sind für uns aber auch Moden. Wenn das Thema eines Buches nicht en vogue ist, lehnen wir es ab.

Im Krimi «1949» des Schweizer Autors Philipp Gurt ist uns aufgefallen, dass ein guter Teil davon in Dialekt geschrieben ist. Achten Sie generell auf einen hohen Dialektanteil?

Nein, das entscheiden die Autoren. Es gibt Kölnkrimis, da kommt kein einziges kölsches Wort vor. Das richtige Verhältnis zwischen Dialekt und Deutsch zu finden, ist die Aufgabe des Lektorats.

Macht das Lektorat die Bücher auch noch etwas regionaler?

In den ersten Krimis wurde die Regionalität tatsächlich erst in der Bearbeitungsphase hinzugefügt. Heute machen wir das in diesem Ausmass nicht mehr, denn die Autoren wissen, was sie mitbringen müssen. Wichtig sind Details der Stadt oder der Region, um die es geht.

Wie sind die Aussichten für Ihre Firma? Junge Leute sind doch heute eher auf TikTok anzutreffen.

Die werden auch älter und beginnen zu lesen. Meine Prognose ist, dass das Buch weiterhin existieren wird, Hörbücher und E-Books aber immer populärer werden.

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!