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«Das Fiatgeldsystem ist eine
einzige grosse Lüge»

Bitcoin werde die Menschen vom Joch des Staates befreien, glaubt Ricardo Salinas. Der mexikanische Unternehmer warnt vor Deglobalisierung und hält die Wahl von Javier Milei für das Grösste, was seit Langem passiert sei.

«Das Fiatgeldsystem ist eine  einzige grosse Lüge»
Die Universidad de la Libertad in Mexiko-Stadt. Bild: Agustín Garza.

Lea aquí la versión español.

Bevor ich Ricardo Salinas treffe, schickt er mich auf einen ­geführten Rundgang durch die Universidad de la Libertad. Die Hochschule, die im vergangenen September ihre Tore ­geöffnet hat, ist das jüngste Projekt des umtriebigen Unter­nehmers. Er hat zuvor bereits eine Schule für Kinder bis zur Gymnasialstufe aufgebaut. Nach dem Gang durch den ­modernen Bau werde ich von Salinas in seinem Penthouse mit Aussicht über ganz Mexiko-Stadt empfangen. Der 68-Jährige ist freundlich und interessiert, äussert seine Meinung aber ­direkt und ohne Umschweife.

 

Señor Salinas, Sie haben die Universidad de la Libertad gegründet. Kann man Freiheit lehren?

Man kann und muss den Respekt vor der Freiheit und die Wertschätzung für die Vorteile der Freiheit lehren. Wir glauben, dass es ein recht einfaches Wertversprechen für die Freiheit gibt. Erstens: Es ist der ethische und moralische Imperativ für Menschen, frei zu sein. Der Mensch ist nicht dazu geschaffen, Sklave zu sein. Zweitens: Freiheit ist das, was Wohlstand schafft.

 

Wie wollen Sie das lehren?

Indem wir aufzeigen, dass Innovation nur in einem freiheitlichen Umfeld funktionieren kann. Darin wird Neues hervorgebracht, etwa fantastische Technologien, Fortschritte in der Medizin, eine höhere Lebenserwartung oder Nahrungsmittelproduktion. Diese nachweisbaren Fakten beweisen, dass die malthusianischen Argumente von Leuten wie Paul Ehrlich oder dem Club of Rome völlig falsch sind. Freiheit schafft Innovation und Wettbewerb. Und das wiederum schafft Wohlstand. Wir wollen das auf der praktischen Ebene vermitteln.

 

War es einfach, eine neue Universität aufzubauen?

Nein, es ist nicht einfach, es ist sehr teuer.

 

Was war die grösste Herausforderung?

Die Menschen. Ein grosses Problem war es, die richtigen Lehrkräfte zu finden. Wir suchten und fanden Unterstützung bei der Universidad Francisco Marroquín in Guatemala, die viel mehr Erfahrung hat. Das Bündnis, das wir mit ihr geschlossen haben, war für uns entscheidend.

 

Die ersten Studenten der Universidad de la Libertad haben ihr Studium im vergangenen September begonnen. Ihr Sohn ist einer von ihnen. Sind Sie zuversichtlich, dass er eine gute Ausbildung erhält?

Ich bin sehr zuversichtlich. Er war vorher an einer anderen Universität, und er war von diesem Modell ziemlich enttäuscht. Diese neue Universität gefiel ihm unter anderem deshalb, weil sie keine traditionelle Universität ist, an der man einen jungen Mann oder eine junge Frau aufnimmt und vier Jahre später mit einem Papier ausspuckt, auf dem «Ingenieur» steht. Bildung ist ein kontinuierlicher Prozess. Sie sollte als Gewohnheit gelehrt werden. Für junge Menschen ist es ein evolutionärer Prozess herauszufinden, was sie im Leben werden wollen. Ihnen neue Dinge zu eröffnen, die sie noch nicht kennen, ihre Neugier zu steigern, sie arbeiten zu lassen, während sie studieren: Das ist Bildung.

 

Sie sind nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, sondern auch jemand mit einem sehr reichen intellektuellen Wissen. Haben die Ideen, die Sie vertreten, Ihr Unternehmertum inspiriert? Oder hat – umgekehrt – Ihre Erfahrung als Unternehmer Sie zu Ihren Ideen inspiriert?

Ideen sind die Grundlage von allem. Wenn man die falschen Ideen hat, ist man verloren. Deshalb sind Werte so wichtig. Ich hatte das Glück, in eine Familie hineingeboren zu werden, die einen tiefen Glauben an den Liberalismus hat. Mir wurde sehr früh der Wert des Lebens, der Freiheit, des Eigentums und der Anstrengung beigebracht, und die grosse Gefahr, die eine kollektivistische Mentalität für diese Werte darstellt. Es war also ein ziemlich natürliches Umfeld für mich. Mein Grossvater war ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Er hatte einen Freund, einen Ökonomen, der Ludwig von Mises nach Mexiko brachte, und mein Grossvater bezahlte diese Reise.

 

Sie sind ein grosser Investor in Bitcoin. Was fasziniert Sie daran?

Die Idee ist fantastisch. Bitcoin ist der nächste Schritt zur Befreiung der Menschen vom Joch des Staates. Das Fiatgeld – zusammen mit dem Bankwesen, an dem ich beteiligt bin – ist entscheidend dafür, dass der Staat seine Bürger beherrschen kann.

 

Sie ermöglichen es also dem Staat, seine Bürger zu beherrschen?

Ja, ich bin Teil dieses Systems. Man muss drin sein, um zu wissen, wie es funktioniert (lacht).

 

Glauben Sie, dass die Einstellung zu Bitcoin in stabileren Ländern wie den USA und der Schweiz, wo es hauptsächlich als eine Art intellektuelles Projekt gesehen wird, anders ist als in Ländern wie Mexiko, das noch vor relativ kurzer Zeit eine Hyperinflation erlebte?

Ja, das ist so. Aber das Problem ist nicht auf bestimmte Länder beschränkt. Auch Deutschland hat seine Erfahrungen mit der Inflation gemacht … Und das Problem ist auch nicht auf die Vergangenheit beschränkt. Die Leute von der Europäischen Zen­tralbank wie Christine Lagarde sind absolute Betrüger. Sie lügen die ganze Zeit. Das Fiatsystem ist eine einzige grosse Lüge! Sobald man Bitcoin entdeckt hat, versteht man, dass man sich von diesem Schema befreien und alle Vorteile dieser neuen Technologie nutzen kann. Aber das erfordert Bildung.

 

Die USA wollen ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von China verringern. Wird die mexikanische Wirtschaft von diesem «Nearshoring» profitieren?

Die Amerikaner sind wirklich eine Schande für die Welt; sie fördern überall Krieg und Gewalt. Leider leben wir direkt neben ihnen, was gute wie schlechte Seiten hat. Wir haben viele Möglichkeiten, aber wir erleiden auch viele Demütigungen. Der gegenwärtige Drang zur Deglobalisierung ist eine sehr schlechte Idee für die Konsumenten, sie wird viele Leben ruinieren. Globalisierung bedeutet, dass die Menschen frei sind, die Dinge zu wählen, die sie wollen, egal woher sie kommen. Die Deglobalisierung stellt die Gewalt des Staates in den Mittelpunkt. Für die Wirtschaft im Allgemeinen wird das nicht gut sein. Mexiko könnte vom Nearshoring profitieren, aber das war ohnehin schon der Fall. Als China in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren sehr billig war, spielten die Logistikkosten im Vergleich zu den Arbeitskosten keine Rolle. Heutzutage sind die Arbeitskosten in China recht hoch. Es ist also eine natürliche Entwicklung, dass sich ein Teil der Produktion nach Mexiko verlagert. Wir brauchten aber weder einen Handelskrieg mit China noch eine Deglobalisierung.

«Die Amerikaner sind wirklich eine Schande für die Welt; sie fördern überall Krieg und Gewalt. Leider leben wir direkt neben ihnen.»

 

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der mexikanischen Wirtschaft unter Präsident Andrés Manuel López Obrador?

Er war sehr gut darin, die enorme staatliche Verschwendung, die unverschämten Ausgaben der Parasiten im Staat zu reduzieren. Wir haben immer noch viele Schmarotzer, aber es sind weniger und sie fressen weniger. Er hat aber auch Fehlinvestitionen getätigt.

 

Zum Beispiel?

Zum Beispiel der neue Flughafen, das Eisenbahnprojekt auf der Yucatán-Halbinsel oder die neue Ölraffinerie. Das ist Kapital, das den Bach runtergeht. Versagt hat er auch bei der Kontrolle der Gewalt. In einigen Teilen des Landes werden an einem Tag hundert Menschen durch Bandenkriege getötet. Das schafft ein Gefühl der Angst. Und obwohl die Regierung die Nationalgarde eingesetzt hat, steht diese einfach nur da und tut nichts.

 

Lateinamerika hat eine reiche Geschichte linker Regierungen, aber es ist auch die erste Region, in der ein Libertärer zum Staatschef gewählt wurde, Javier Milei in Argentinien. Was halten Sie von ihm?

Er ist ein echter frischer Wind in der modernen Politik. Seine Wahl ist das Grösste, was seit Langem passiert ist, denn er hat nicht nur eine sehr starke theoretische Basis als Ökonom, sondern auch die Fähigkeit, in der politischen Sphäre zu kommunizieren, die in unserer Bewegung schmerzlich vermisst wird. Die freiheitliche Bewegung besteht zu grossen Teilen aus monotonen Professoren, die an Universitäten reden. Sie bekommen nicht eine einzige Stimme. Milei bekommt Stimmen. Er zeigt uns, wie man es macht.

 

Sollte seine Politik, wie die Dollarisierung der Wirtschaft, in Mexiko übernommen werden?

Sie müssen den Kontext von Argentinien verstehen. Das Land ist wirklich ein hoffnungsloser Fall. Ich würde auf keinen Fall die Dollarisierung vorschlagen – ich würde sofort zum Bitcoin-Standard übergehen. Niemand würde eine abwertende Währung wie den Dollar übernehmen, der von den Fiatbetrügern in Washington manipuliert wird; es sei denn, man habe diese unglaublich schlechte Währung namens argentinischer Peso.

 

Im Buch «How Nations Fail» beschreiben Daron Acemoglu und James Robinson «extraktive» und «inklusive» wirtschaftliche Institutionen. Sie vergleichen Bill Gates und Carlos Slim, die damals reichsten Menschen der USA und Mexikos. Demnach werden in einem inklusiven System Leute reich, die innovativ sind, während in einem extraktiven System Leute reich werden, die ein staatliches Monopol oder etwas Ähnliches erlangen. Trifft diese Beschreibung die Realität?

Nein. Die amerikanische Wirtschaft wird von riesigen Konzernen beherrscht, die vom herrschenden sozialen und politischen System eingesetzt werden. Die Menge an Geld, die von der Regierung in diese riesigen Unternehmen fliesst, ist einfach ungeheuerlich. Mexiko ist sicherlich kein Wirtschaftsmodell, dem man folgen sollte, aber das hat auch mit der Geschichte zu tun. Das Land war 300 Jahre lang eine Erweiterung des spanischen Königreichs. Alles war verboten, für alles brauchte man eine Genehmigung des spanischen Königs. Wenn Sie kein in Spanien geborener Spanier waren, durften Sie in diesem Land nichts gestalten. Das endete erst 1820; es folgte ein Bürgerkrieg, der bis 1870 dauerte. Schliesslich gründeten wir eine föderale Repu­blik, aber sie beruhte auf einer Gesellschaft, die an den Imperialismus gewöhnt war. Die Tradition der Freiheit und der Innovation in Mexiko ist sehr schwach.

 

Es braucht Zeit, um eine Kultur der Freiheit aufzubauen.

Ja. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich kenne Bill Gates seit Langem, wir waren beide in der Computerbranche tätig. Er stammte aus einer reichen Familie und ging nach Harvard. Ich stammte aus einer Mittelklassefamilie, ich wurde nicht in Harvard aufgenommen. Aber das ist okay, so kam ich erst einmal zum Arbeiten. Alles in meinem Geschäftsimperium hat viel Mühe gekostet, um es aufzubauen. Mein Vater holte mich 1981 in sein Unternehmen. Nur zwei Jahre später mussten wir Konkurs anmelden. Der Wert des Dollars war von 20 Pesos auf 3000 gestiegen, und wir hatten Kredite in Dollar. Aber letztlich haben wir überlebt. Es ist also möglich, in diesem Land etwas zu erreichen. Carlos Slim ist fleissig und sehr fähig. Und er hatte das Glück, das Telekommunikationsmonopol zu behalten, das ihm die Regierung übertragen hatte. Er sollte es für 10 Jahre behalten – er behielt es für 30 Jahre. Wie ist das möglich? Weil die Regierung es zulässt.

 

Was ist die Verantwortung eines Unternehmers?

Die erste Verantwortung ist zu überleben. Viele junge Leute haben hochgesteckte Ziele, was die Rolle des Unternehmers angeht. Aber wenn man keinen Kunden hat, der für etwas bezahlt, kann man gar nicht erst existieren. Als Mensch hat man andere Dimensionen. Ich zum Beispiel liebe mein Geschäft, aber ich habe auch eine riesige Bibliothek, eine Kunstsammlung, eine Kulturinitiative. Ein Unternehmer ist nicht nur ein Unternehmer, sondern auch ein Mensch.

Ricardo Salinas, fotografiert von Jazmin Leuzinger.

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