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Das Etwas, das aus dem Nichts kommt
Eske Bockelmann, zvg.

Das Etwas, das aus dem Nichts kommt

Unsere Gesellschaft ist auf Geld angewiesen, um zu funktionieren. Es entsteht und vergeht auf wundersame Weise.

Finanzen, ja, bedeuten immer ein System. Und so kommt das Wort, das sie bezeichnet, auch erst um das Jahr 1600 auf – in Europa. Wieso das?

Betrachten wir es Schritt für Schritt. Wenn wir von «Finanzen» sprechen, auch in Wörtern wie «finanziell», «finanzieren» oder «Finanzmarkt», meinen wir stets jene zweite Seite von so recht allem, was es in unserer Welt gibt – zumindest wie wir sie heute kennen.

Kredite und Kartoffeln

Heute hat alles seine «finanzielle» Seite: Ob Kartoffeln oder Opernbesuch, Urlaub oder Kinderbetreuung, alles ist zusätzlich zu dem, was es ist, noch eine Summe Geld, die es jemanden kosten und damit zugleich jemandem einbringen soll. Alles zählt und berechnet sich, neben seinem Dasein als Kartoffeln oder was auch immer, in einer solchen Summe desselben einen. Und diese «finanzielle» Seite tritt zwar zum Dasein von allem und ­jedem nur als zweite Seite hinzu, zählt jedoch durchweg als die erste. Denn sie ist die bestimmende. Bei der Entscheidung, was sein muss oder nicht sein darf, entzieht sich nur weniges der Frage, wie es finanziell darum steht. Was angebaut oder was vernichtet, erhalten oder unterdrückt wird, was man in welcher Qualität produziert, mit welchem Grad an Obsoleszenz, ob vor Ort oder am anderen Ende der Welt, unter Einsatz von wie viel Gift und Verbrauch von wie viel Ressourcen, stets bestimmt darüber dasselbe eine: das Geld, worin all dies berechnet wird. Es muss sich finanziell rechnen. Das erweist Geld als System: als den inzwischen weltweit einen Zusammenhang, der bestimmt, wie es auf der Welt zugeht.

Was aber bestimmt umgekehrt das Geld? Geschöpft wird es mittlerweile ausschliesslich als Kredit. Auf ein Konto, das eine Geschäftsbank dafür bei einer Staats- oder Zentralbank halten muss, schreibt ihr diese eine Summe gut, unter gewissen Kautelen zur Sicherung des Betrags. Geld entsteht, indem eine Zahl auf einem Konto verbucht wird. Da werden nicht erst Münzen geprägt oder Scheine gedruckt, Geld ist in keiner Weise erst einmal «bar» und in der Gestalt von irgendeinem Etwas vorhanden, bevor es als Zahl auf einem Konto festgehalten wird. Nur umgekehrt kann sich die Geschäftsbank bei Bedarf von dem kreditierten Kontoguthaben einen Teil in Bargeld umtauschen lassen. Geschöpft wird Geld als Kredit, als pure Zahlungsverpflichtung: als Summe, die nur darin besteht, dass sie einer dem anderen schuldet und zurückzuzahlen verpflichtet ist. Bis zu ihrer Rückzahlung steht sie bei dem einen als Plus, bei dem anderen als Minus in den Büchern, sodass sie sich plus/minus schlicht zu null aufhebt. Insofern wird mit der Schöpfung von Geld gar nichts geschöpft. Und doch ist dieses Nichts wahrhaftig Geld – dank einer wundersamen Tatsache, die sich allein am Geld ergeben kann: eben weil es nicht in etwas besteht.

«Geld entsteht, indem eine Zahl auf einem Konto verbucht wird.»

Die Summe kreditierten Gelds steht bei Geber und Nehmer in den Büchern, unter den Passiva hier, den Aktiva dort. Und damit verfügen tatsächlich beide über dieselbe eine Summe: der Kreditnehmer als Guthaben, der Kreditgeber als Forderung. Auch als Forderung ist die Summe für ihn bereits aktiv Geld, sie steht ihm ja zu und er steht schon jetzt für sie gut. So verkehrt sich das Minus, mit dem die Summe bei ihm notiert ist, in ein zweites Plus. Und deshalb hebt sich die Summe, solange der Kredit läuft, nicht Plus gegen Minus auf, sondern besteht sie ­sogar doppelt: als Plus beim Nehmer und Plus beim Geber. Aus Plus-Minus wird Plus-Plus. Das klingt nach verkehrter Welt, ist aber – in Informationsbroschüren der Zentralbanken offiziell nachzulesen – die buchstäbliche Wirklichkeit des Geldes. Es ist seine grundlegende und ganz spezifische Wirklichkeit. Kein ­Etwas, keine Kartoffel, kein Hammer, kein Gold vermöchte zu entstehen, wie Geld entsteht. Mit dem Hammer, den einer dem anderen leiht, kann nur sein Empfänger einen Nagel in die Wand schlagen, nicht aber der, der den Hammer weggegeben hat. Vor allem aber könnte niemand, und wäre er der mächtigste Staat der Welt, einen Hammer oder eine Unze Gold allein dadurch entstehen lassen, dass er irgendwo «Hammer» oder «Unze Gold» notiert, und schon hätte sie jemand in Händen. Beim Geld verhält es sich so und nur beim Geld kann es sich so verhalten.

Wachstum ist zwingend

Aber wie gewonnen, so zerronnen: Als Kredit geschöpft, besteht dieses und alles Geld auch nur so lange, wie der Kredit ­besteht. Wird er wie vorgesehen zurückgezahlt, spannt sich keine Forderung mehr zu einem Plus auf und ist die Summe ­geschöpften Geldes, über die der Kredit lautete, kurzerhand «vernichtet». So heisst es offiziell und völlig korrekt. Es bedarf daher wahrer Kaskaden weiteren kreditierten Geldes, damit die korrekt bedienten Kredite das Geld nicht insgesamt verschwinden lassen, sondern stets ein bedeutendes Mehr an offenen Krediten für seinen Fortbestand sorgt. Und weil dafür das Bisschen an Zentralbanküberweisungen nicht ausreicht, muss das Kreditieren, ganz nach Wunsch und Wille des Staates, mit ­einem vielfach grösseren Volumen in der privaten Wirtschaft seine Fortsetzung finden: auf dass Geld Geld bleibe und, vor ­allem, mehr Geld werde.

Denn auch das muss sein, wo es mit Geld zugeht. Und auch das lässt sich sehr einfach daran zeigen, wie Geld geschöpft wird. Damit es als Kredit entstehen kann, muss ein Kreditnehmer das Interesse haben, die Zahlungsforderung einzugehen, die er zu begleichen haben wird. Und dieses Interesse kann nur sein, dass er mit dem kreditierten Geld auf irgendeine Weise zu mehr Geld kommt, als dessen Summe beträgt. Folglich kann die gesamte Nachfrage nach Geld und Krediten überhaupt nur anhalten, wenn anhaltend und von möglichst vielen – Miss­erfolge gilt es auszugleichen – Gewinn gemacht wird: Es muss allgemein jedem gelingen, mehr Geld zu erwirtschaften, als er Schulden aufgenommen hat und Kosten bei ihm angefallen sind. Damit Geld sei, muss es mehr Geld werden. Wenn sein berühmt-berüchtigtes «Wachstum» nicht gelingt, ist Krise oder, schlimmer noch, Crash. Denn dieses Ganze hat System: Es hat Geld zu seinem System.

Das unvermeidliche Tauschmittel

Warum aber hat die Menschheit sich und die Welt von dergleichen abhängig gemacht? Sie hat es nicht, sie ist es geworden. Ein Tauschmittel, das als Zahl in nichts mehr besteht, als dass es sich in alles tauschen lässt, besteht nur unter der historischen Voraussetzung, dass eine ganze Gesellschaft für ihr Überleben auf dieses eine Tauschmittel angewiesen ist: weil sie von Kauf und Verkauf lebt. Wenn sich dort alle, so wie wir heute, nur versorgen können, wenn sie alles Mögliche von ­anderen zu kaufen bekommen und umgekehrt anderen zu ­verkaufen haben, ist das dafür nötige Tauschmittel eine für alle unabdingbare Notwendigkeit. Wo jeder das Tauschmittel notwendig braucht, um zu überleben, besteht es in eben dieser Notwendigkeit und muss es deshalb in nichts sonst mehr bestehen.

Es besteht in nichts und entsteht insofern auch aus dem Nichts. Aber in dieses Nichts kann es erst dann zurückfallen, wenn seine Notwendigkeit schwände: wenn eine Gesellschaft so weit wäre, nicht mehr von Kauf und Verkauf zu leben. Dass eine Gesellschaft eben davon lebt, dazu kommt es – infolge aussergewöhnlicher Verschiebungen innerhalb der Bevölkerung – ein erstes Mal um etwa 1600 in Europa. Damals erst kommt es historisch zu Geld: dem System, wonach sich zuletzt alles auf der Welt in Geld rechnen muss. Und so kommt es damals auch zu der Notwendigkeit, dass wir heute von «Finanzen» sprechen müssen.

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Demonstration gegen die Corona-Massnahmen der deutschen Regierung im August 2020 in Berlin. Sie wurde organisiert von der von Michael Ballweg gegründeten Bewegung «Querdenken-711». Bild: Keystone/sulupress.de.
Plötzlich ohne Bankkonto

Ich organisierte Proteste gegen die Covidmassnahmen – dann verlor ich den Zugriff auf mein Vermögen und damit meine Firma. Jetzt bleiben mir nur noch Bitcoin und Bargeld.

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