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Das Ende von Bitcoin
UZH

Das Ende von Bitcoin

Viele hoffen darauf, dass die Kryptowährung die Welt erobert. Doch sie könnte auch still und leise sterben. Sechs Szenarien, die Bitcoin den Garaus machen könnten.

 

Bitcoin ist (bislang) eine grossartige Erfolgsgeschichte. Als ­Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007/08 hat ein bislang nicht identifizierter Informatiker mit Kunstnamen Satoshi Nakamoto ein Konzept für eine neue und völlig dezentrale Währung publiziert. Während sich anfänglich nur einige Computerspezialisten am Netzwerk beteiligten, ist Bitcoin inzwischen in aller Munde, und derzeit steigen sogar institutionelle Anleger wie ­Pensionskassen ein. Die Kursentwicklung von Bitcoin ist atem­beraubend: Während man vor einigen Jahren für 10 000 Bitcoin lediglich eine Pizza bekam, kann man sich heute mit ein paar ­Bitcoins eine ganze Pizzeria kaufen! Viele Leute, vor allem junge, sind mit Bitcoin enorm reich geworden. Ein Ende ist nicht in Sicht. Oder doch?

Da die gegenwärtige Euphorie blind für Szenarien macht, die das Ende von Bitcoin bewirken können, seien hier ein paar Gedankenspiele aufgeführt, die das Ende des Bitcoin bedeuten würden.

  1. Spekulation: Keine noch grösseren Narren

Es gibt viele Besitzer von Bitcoins, die nicht wirklich verstehen, was Bitcoins sind, aber darauf hoffen, dass sie ihre Coins zu einem ­höheren Kurs an Investoren verkaufen können, die nach ihnen auf den Zug aufspringen – ein klassisches Schneeballsystem. Den Nachzüglern geht es genauso: Sie hoffen wiederum, zu höheren Kursen an noch später hinzustossende Investoren verkaufen zu können. In der Wissenschaft umschreibt man diese Kette von Hoffnungen mit «Greater Fool Theory». Nur ist es bei Spekulationsblasen so, dass sich der Pool der möglichen Neueinsteiger irgendwann erschöpft und sich die Renditehoffnungen der früheren Einsteiger nicht mehr erfüllen. Dann realisieren diese, dass sie eigentlich etwas besitzen, das nur so lange Wert hat, wie jemand anders glaubt, dass es einen Wert hat. Es gibt keinen fundamentalen Anker, der den dann einsetzenden Kursverfall aufhalten kann. Sind wir schon an dem Ende der Spekulation angelangt? Ich befürchte nicht, da im Moment Bitcoins auch von institutionellen Investoren gekauft werden. Es kommt also noch ein grosser Schub von Nachzüglern. Doch eines Tages könnte kein grösserer Narr mehr bereitstehen, der Bitcoins gegen echte Werte eintauschen will.

  1. Verbot: Bedrohung der Geldhoheit

Bitcoin ist als ein Versuch gestartet worden, das Geldwesen zu revolutionieren. Deshalb muss man fragen, wann diejenigen, deren Aufgabe es ist, das Geldwesen zu organisieren, zum Gegenangriff übergehen und welche Angriffspunkte es für einen solchen gibt. Im Moment beträgt der Wert aller bislang vorhandenen Bitcoins etwas weniger als eine Billion Dollar, d.h. 1 000 000 000 000 Dollar. Das ist zwar viermal so viel wie der Bargeldumlauf in der Schweiz, aber nur ein Fünftel des Bargeldumlaufes in den USA. Zudem hat sich Bitcoin nicht als effizientes Zahlungsmittel herausgestellt, denn die Transaktionen sind relativ zu Cashkarten und Kredit­karten zu langsam. Dieses Problem hat auch das Bitcoin-Netzwerk erkannt und macht deshalb Ersatzbuchungen in sogenannten Lightning-Netzwerken, deren Saldi nur ab und zu in das eigentliche Netzwerk übertragen werden – erst dann sind die Buchungen wirklich gesichert. Die eigentliche Funktion von Bitcoin kommt in der Realität hingegen eher jener eines digitalen Goldes gleich – also eines Wertaufbewahrungsmittels. Im Vergleich zu Gold, dessen Gesamtwert auf 9 Billionen Dollar geschätzt wird, ist Bitcoin noch ein Zwerg. Aber es gibt viele Befürworter für Bitcoin, die darin einen Inflationsschutz sehen und das Szenario an die Wand malen, dass aufgrund der Geldmengenexplosion in der Finanz- und nun auch in der Coronakrise die Inflation unausweichlich sei und man sein Vermögen durch Kauf von Bitcoins sichern sollte.

Ich bin ebenso besorgt bezüglich der unkonventionellen Geldpolitik, die zur Geldmengenexplosion geführt hat. Dennoch möchte ich in Erinnerung rufen, dass die Regierungen in solchen Zeiten zu Goldverboten griffen, um die Flucht aus dem Papiergeld zu stoppen. Die Geschichte der Goldverbote ist beeindruckend lang: Die alten Ägypter, die Griechen, Julius Cäsar, die Nazis und letztlich auch die USA versuchten sich im Verbieten von Gold. Dabei gab es in den USA 1933 ein Angebot der Zentralbank, in einer Übergangsfrist das Gold zu einem vorgegebenen Kurs anzukaufen. Wie das aktuelle Vorpreschen Indiens zeigt, könnten Staaten aber bei der Einführung eines Bitcoin-Verbotes allerdings weniger zimperlich sein.1 Staaten werden ihr Geldmonopol verteidigen. Die Frage lautet nicht, ob Bitcoin verboten werden könnte, sondern wie das Verbot durchsetzbar wäre. Ich hoffe, dass wir nach wie vor die Kontrolle darüber behalten, was wir auf unseren Computern und Smartphones speichern, ob Files, Bilder oder eben Bitcoins. Aber wenn man Bitcoins gegen Währungen tauschen möchte, die gesetzliche Zahlungsmittel sind, so kann man das nur an einer Börse, die ihren rechtlichen Sitz in irgend­einem Staat hat. Dort ist ein Angriffspunkt: Man könnte diese ­Börsen verbieten und den Kryptowährungen so den Schnauf ­nehmen.

  1. CBDC: Die Zentralbank-Alternative setzt sich durch

Zudem planen viele Zentralbanken, ihre Währungen zu digitalisieren, man nennt das CBDC, Central Bank Digital Currency. Wird ein staatliches Substitut zu Bitcoin geschaffen, kann es Kryptowährungen wie Bitcoin locker in den Schatten stellen: Viele Anleger werden einer Staatswährung jederzeit mehr vertrauen als einem von nichts und niemandem gestützten Projekt, von dem nicht mal der Erfinder bekannt ist. Im Moment gibt es einen Wettlauf der Zentralbanken, möglichst schnell eine digitale Währung herauszugeben; an vorderster Front ist dabei China, das sich dadurch erhofft, die Dominanz des Dollars zu brechen. In der Schweiz beobachtet man eher ein Zögern: Die SNB befürchtet, dass eine Digitalisierung des Schweizer Frankens zu einem weiteren Aufwertungsdruck führen könnte. Somit werden wir noch länger die bunten Zettel, die Orell Füssli druckt, in unseren Portemonnaies haben dürfen.

  1. Überregulierung: Bitcoin wird ausgepresst wie eine Zitrone

Eine nicht ganz so harsche Massnahme wie ein Verbot wäre eine Regulierung von Bitcoin. Staaten könnten wie im derzeitigen Finanzsystem Steuern (Vermögenssteuern, Transaktionssteuern, …) und Regeln gegen Geldwäscherei auferlegen. Die Begründung wäre dann, «gleichlange Spiesse» für das derzeitige Finanzsystem und seine Wettbewerber zu schaffen. Vielleicht erfinden Staaten sogar im Zuge der Klimaziele neue Steuern für Bitcoins, da die Aufrechterhaltung des Netzwerkes mit enormem Strom­verbrauch einhergeht. Doch auch eine sehr starke Regulierung könnte das Ende von Bitcoin bedeuten, da sich Transaktionen verteuern oder gar unmöglich werden, da die Urheber der Transaktionen nicht offengelegt werden können.

  1. Mining und Halving: Bitcoin stirbt den ökonomischen Tod

Eine subtilere Gefahr für Bitcoin ergibt sich aus der Art und Weise, wie die Bitcoin-Transaktionen verbucht werden: Alle 10 Minuten wird ein neuer Block zur Bitcoin-Blockchain hinzugefügt. So­genannte «Miners» konkurrieren darum, diese Verbuchung vornehmen zu dürfen. Um den Wettbewerb zu gewinnen, müssen sie ein mathematisches Rätsel lösen, das mit hohem Rechenaufwand und deshalb auch hohem Energieverbrauch verbunden ist. Die ­Belohnung für denjenigen, der zuerst das Rätsel löst, sind zurzeit 6,25 Bitcoins. Auf diese Weise werden neue Bitcoins geschürft. Aber das System ist so gestaltet, dass es maximal 21 Millionen ­Bitcoins geben kann. Im Moment sind schon 18 Millionen davon geschürft. Es verbleiben nur wenige Millionen Bitcoins zur Belohnung der Miner.

Um diesem sicheren Tod zu entgehen, hat Satoshi Nakamoto vorgesehen, dass etwa alle vier Jahre die Belohnung der Miner per Bitcoin halbiert wird – das sogenannte «Halving». Dadurch lohnt sich das Mining alle vier Jahre nur noch halb so viel wie zuvor – während sich die Stromkosten ja nicht automatisch halbieren. Dieser Belohnungsverlust kann dadurch aufgefangen werden, dass sich der Bitcoin-Preis nach dem Halving stark erhöht – so ­jedenfalls war es bei den vergangenen drei Halvings. Aber Preise an Finanzmärkten bestimmen sich durch Angebot und Nachfrage, und nicht durch Belohnungen, die für Miner anfallen. Das heisst, dieses Verdopplungsspiel könnte irgendwann nicht mehr auf­gehen – und Bitcoin stirbt den sogenannten ökonomischen Tod. Ein Ausweg hieraus wäre noch, dass Transaktionskosten erhöht werden oder dass Verbuchungen länger dauern. Damit jedoch wäre die Nutzung von Bitcoin zusehends teurer oder langsamer.

  1. Veraltete Technologie: Was, wenn Elon Musk umsattelt?

Bitcoin ist die erste Blockchain überhaupt. Inzwischen jedoch hat sich die Technologie weiterentwickelt, und Bitcoin ist zunehmend technologisch veraltet. Als Alternative zu nennen ist etwa die Ethereum-Blockchain, auf die inzwischen viele aus der ersten Generation der Bitcoin-Käufer umgestiegen sind. Ein Blick auf Coinmarketcap.com zeigt, dass es aktuell rund 9000 verschiedene Kryptowährungen gibt, die alle um Investments buhlen. ­Einige aus der Masse der zurzeit noch euphorischen Bitcoin-­Investoren werden auf Alternativen umsteigen. Elon Musk, der ja auch schon den Umstieg der Menschen von der Erde auf den Mars plant, hat zwar 1,5 Milliarden US-Dollar Tesla-Geld in Bitcoin ­investiert. Aber man kann sich leicht ausmalen, was mit den ­Hoffnungen der Bitcoin-Investoren geschieht, wenn ihr Guru plötzlich verkauft oder umsattelt.

Ich hoffe natürlich, dass das alles nicht so kommt, wie ich ­befürchte. Aber wer diese Risiken nicht im Blick behält, könnte eines Tages böse überrascht werden, da er viel Geld für eine krypto­grafische Folge von Zeichen bezahlt hat, die eigentlich nichts wert ist. Wie sagt man so schön: Den Letzten beissen die Hunde!

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