Corporate Governance: Das subtile Spiel um Geld und Macht
Kurt Schiltknecht schreibt über Corporate Governance aufgrund eigener Beobachtungen und Erfahrungen; er war Mitarbeiter in der OECD, in leitender Stellung bei der Schweizerischen Nationalbank, der Bank Leu und der BZ-Gruppe. Zudem verfügt er über solide Kenntnisse der ökonomischen Theorie, die er sich – wie er im Vorwort schreibt – zunächst an der Universität Zürich, vornehmlich […]
Kurt Schiltknecht schreibt über Corporate Governance aufgrund eigener Beobachtungen und Erfahrungen; er war Mitarbeiter in der OECD, in leitender Stellung bei der Schweizerischen Nationalbank, der Bank Leu und der BZ-Gruppe. Zudem verfügt er über solide Kenntnisse der ökonomischen Theorie, die er sich – wie er im Vorwort schreibt – zunächst an der Universität Zürich, vornehmlich bei den Professoren F.A. Lutz und J. Niehans, dann beim Monetaristen K. Brunner aneignete. Seine Kenntnisse über die Rolle des Marktes und die Entwicklung einer tragfähigen liberalen Wirtschaftsordnung verdankt er den grundlegenden Werken F.A. Hayeks zu dieser Thematik. In Anlehnung an ihn spricht er sich für eine föderale Ordnung aus, weil sie den Einfluss einzelner Wirtschaftssubjekte und damit den Missbrauch von Macht einschränkt.
Corporate Governance befasst sich im weitesten Sinn mit der Frage, «wie die Macht in einer Unternehmung aufgeteilt, ausgeübt und kontrolliert werden soll». Es braucht Regeln, die den Wettbewerb begünstigen und Willkürakte staatlicher Behörden und einzelner Personen verhindern. Zudem muss in jeder Unternehmung die Zielsetzung klar definiert sein, um eine sinnvolle Diskussion über Organisation und Strukturierung der Corporate Governance zu ermöglichen. Bevor er auf die Kontroverse über Stakeholder Value oder Shareholder Value eingeht, zitiert er die für seine Ausführungen grundlegende Aussage des Nobelpreisträgers für Wirtschaftswissenschaften, des Geldtheoretikers Milton Friedman: «The social responsibility of business is to increase its profits.»
Damit ist klar, dass Schiltknecht mit Engagement für den Shareholder-Ansatz eintritt, weil mit diesem nicht nur die Aktionäre gewinnen, sondern weil die Volkswirtschaft insgesamt daraus Nutzen zieht: neue Arbeitsplätze werden geschaffen und höhere Löhne ermöglicht. Zwar führt die Gewinnmaximierung in bestimmten Fällen zu Entlassungen von Mitarbeitern. Zu dieser nachteiligen Folge bei Neustrukturierungen muss man stehen, aber sie macht Unternehmungen konkurrenzfähiger, und sie schafft so in der Folge neue Arbeitsplätze. Die Erhaltung nicht mehr wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstrukturen führt in der mittleren und langen Frist letztlich zu Produktivitäts- und Wachstumsverlusten. Daran können weder die Stakeholders noch die Shareholders ein Interesse haben. «Fortschritt, Wohlstand und Wirtschaftswachstum lassen sich weltweit dort beobachten, wo die Gewinnmaximierung nicht behindert wird.»
Die Regulierung und Einschränkung des freien Verkaufs von Eigentum, von Kapitalanteilen insbesondere, führen zwingend zu mehr Bürokratie und – was schlimmer ist – zu Wachstumsverlusten. Das spricht an sich nicht gegen die Kontrolle des Managements. Im Gegenteil! Durch kontrollierende Beteiligungen lassen sich Fehler vermeiden. Die vielen Kleinanleger interessieren sich für das Geschehen in der Unternehmung wenig; sie beschränken sich dabei in der Regel vornehmlich auf die Ankündigungen von Gewinnausschüttungen; sie haben daher im Gegensatz zu Verantwortlichen grosser Beteiligungen, die die Führung der Unternehmung kontrollieren, geringen Einfluss. Das kommt Managern entgegen; denn diese wünschen in der Regel keine Kontrolle durch die Aktionäre. Aber nicht nur etablierte Wirtschaftskreise wenden sich von Fall zu Fall gegen kontrollierende grosse Beteiligungen, sondern fälschlicherweise auch linke Parteien und Gewerkschaften, weil sie den Shareholder Value-Ansatz mit Entlassungen und unsozialem Verhalten gleichsetzen.
Die Entschädigung der Manager, die aktuell viel zu reden gibt, ist ein schwieriges Kapitel. Dem Verwaltungsrat kommt dabei wegen der Trennung von Eigentum und Management eine Schlüsselrolle zu. Gleichwohl betrachten Manager eben diesen Verwaltungsrat eher als Informationsbeschaffungsgremium und weniger als Führungs- und Überwachungsorgan. Das ist aus ihrer Sicht verständlich. Untersuchungen zeigen indessen, dass die Kontrolle einer Unternehmung durch die Aktionäre für die Strukturierung und auch für das Niveau der Management-Entschädigungen von grosser Bedeutung ist. Deshalb unterstreicht Schiltknecht in seiner Analyse den Wert von aktiven, kontrollierenden Grossaktionären. Selbst für sie bleibt aber das grundlegende Problem, CEO und Management sachlich korrekt zu beurteilen, unter anderem auch darum, weil es Jahre dauern kann, bis sich Management-Entscheidungen auf das Ergebnis auswirken. In der Pharmaindustrie benötigen die Abklärungen für ein neues Medikament in der Regel rund zehn Jahre bis zur Marktreife. Demnach wird ein neues Management vorerst von den Stärken oder Schwächen geprägt, für die eigentlich seine Vorgänger verantwortlich sind. Eine zuverlässige kurzfristige Bewertung der Unternehmensführung fehlt daher weitgehend. Dazu kommt, dass aussenstehende, «unabhängige» Verwaltungsräte auf Informationen angewiesen sind, die ihnen das Management aufbereitet und zur Verfügung stellt. Schiltknecht schlägt die folgenden Verbesserungen vor:
– Management-Entschädigungen müssen zu einem Thema der Aktionärsversammlungen werden. Die Rechte der Aktionäre sollten durch Abschaffung des Depotstimmrechts und der Stimmrechtsbegrenzungen gestärkt werden.
– Wirtschaftsführer sollten sich wieder vermehrt um die nationale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik kümmern. Ihre Entfremdung von der breiten Gesellschaft kann zu einer wirtschaftsfeindlichen Gesellschaft führen. Integrität und gesellschaftspolitische Verantwortung sind höchste Güter. Sie sollten von den Exponenten der Wirtschaft wieder vermehrt beachtet werden.
– Die Medien haben für gut informierte Bürger zu sorgen. Pressefreiheit und -vielfalt müssen erhalten bleiben. Die Konzentration im Medienbereich wirkt sich politisch und wirtschaftlich negativ für das Land aus.
– Unternehmungen sollen mit dem von den Aktionären zur Verfügung gestellten, knappen Produktionsfaktor Kapital effizient umgehen, damit der Investor einen guten Ertrag erhält. Dafür wie auch für eine angemessene Lohnpolitik der Unternehmung ist gute Corporate Governance eine wichtige Voraussetzung.
– Analog zu einer demokratischen Regierungsform sollten die institutionellen Voraussetzungen so geschaffen werden, dass die Aktionäre bei Versagen von Verwaltungsrat und Management die notwendigen Konsequenzen ziehen können.
Mit viel Sachverstand geht Schiltknecht in seinem Buch auf die facettenreiche Problematik der Corporate Governance ein. Auch im Rahmen konkreter Beispiele, die sich durch Kürze auszeichnen und gleichwohl das Wesentliche darlegen, lässt er sich nicht von nüchternen Erwägungen abbringen. Das Buch liest sich leicht, was bei dieser schwierigen Materie keine Selbstverständlichkeit ist.
Corporate Governance, das subtile Spiel um Geld und Macht, das so alt ist wie die Menschheit, bleibt aktuell und komplex wie eh und je. Mit seinem Buch trägt Schiltknecht wesentlich zum Verständnis dieser vielschichtigen Problematik bei.