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Corona lässt Schweizer Betongold bröckeln

Der Immobilienmarkt wird in der Pandemie gehörig durchgeschüttelt: Geschäfts-, Gastro- und Hotelimmobilien werden vom Staat gestützt, und die Preise für Wohneigentum und Logistikimmobilien explodieren.

Corona lässt Schweizer Betongold bröckeln
Giulia Dubler, Roland Füss und Alois Weigand, zvg.

 

Leere Büroräume in Zürich, verlassene Wohnungen in Genf, verwaiste Einkaufszentren in Basel, geschlossene Restaurantflächen in Lugano, stillgelegte Clublokale in St. Gallen: Die Covid-19-Pandemie hat sich auch auf dem Schweizer Immobilienmarkt bemerkbar gemacht. Nach rund anderthalb Jahren Coronakrise zeigt sich jedoch, wie unterschiedlich einzelne Immobilienarten in der Schweiz von der Pandemie betroffen sind. Welche Marktsegmente haben während dieser Krise den Spitznamen «Betongold» verdient und welche haben sich als «Katzengold» entpuppt?

Obwohl Lockdowns und Einschränkungen der Wirtschaftstätigkeit im Kampf gegen hohe Infektionszahlen effektiv sein können, gehen sie Hand in Hand mit einer nationalen beziehungsweise weltweiten ökonomischen Krise. Um diesen negativen Schock auf Angebot und Nachfrage abzufedern, hat sich die Schweiz zusätzlich verschuldet und eine Vielzahl von monetären sowie fiskalen Instrumenten eingesetzt. Trotz dieser weitreichenden Wirtschaftshilfen1 sank das Schweizer Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 um 3,3 Prozent. Zu diesem Abschwung haben auch Unsicherheiten im Schweizer Immobilienmarkt beigetragen, welcher beständig mit der nationalen Wertschöpfung verknüpft ist. Aufgrund der Heterogenität der einzelnen Immobilienarten muss hier jedoch differenziert werden – eine schwierige Aufgabe, da wenige öffentliche Daten zu Schweizer Immobilienmärkten verfügbar sind und keine Erkenntnisse aus früheren Epidemien oder Pandemien genutzt werden können. Einige Trends lassen sich gleichwohl identifizieren.

Geschäfts-, Gastro- und Hotelimmobilien stehen in der Pandemie an der vordersten Front und wären ohne Wirtschaftshilfen ein Verlustgeschäft für Investoren. Mieter dieser Liegenschaften müssen während der beiden Teillockdowns ab März und Dezember 2020 teilweise komplett schliessen und haben deshalb mit beträchtlichen Umsatzeinbussen zu kämpfen. Die staatlichen Rettungsmassnahmen sollen diesen Erwerbsausfall abfedern und die wirtschaftlichen Folgen minimieren. Dabei wandern Fixkostenzuschüsse oft direkt in die Taschen der Vermieter, welche folglich kaum auf Mieteinnahmen verzichten müssen. Bei Liegenschaften mit anteiligen Umsatzmieten, wie sie bei Handelsimmobilien üblich sind, übertragen sich die Verluste jedoch direkt auf die Immobilieneigentümer. Zudem sind in Einzelfällen Mietzinsstundungen und Mietzinszugeständnisse unvermeidbar. Vor allem für Investoren und Eigentümer von Geschäftslokalen in der Schweiz, wo es bereits zuvor ein Überangebot von Verkaufsflächen gab, ist dies eine wichtige Geste zur Mieterbindung. Dasselbe gilt für Vermieter von Gastronomieflächen, welche Schwierigkeiten hätten, neue Mieter zu finden.

Investoren werden daher Geschäfts- und Gastroimmobilien in Zukunft eher meiden. Unter Druck geraten diese zusätzlich durch den in der Pandemie erstarkten Onlinehandel, durch Essenslieferdienste sowie den Trend zum Selberkochen. Hotels haben darüber hinaus mit unsicheren Reisebedingungen zu kämpfen. Die Schweiz, als beliebtes Ziel für Gäste aus Übersee, ist hier besonders betroffen. Die während der Pandemie entstandenen Preisabschläge dieser drei Gewerbeimmobilienarten2 werden zumindest mittelfristig bestehen bleiben und erst langfristig mit der Entwicklung innovativer Konzepte und Geschäftsmodelle erneut erstarken.

Einbruch bei den Büros

Die Abstandsregeln, die Maskenpflicht am Arbeitsplatz, die anfängliche Homeoffice-Empfehlung und schliesslich die Homeoffice-Pflicht haben den Schweizer Markt für Büroimmobilien durchgerüttelt. Während der Covid-19-Pandemie haben sich Büroflächen als nicht sehr krisensicher entpuppt. Die Vorteile der Heimarbeit für Arbeitnehmer und kostengünstige Onlinedienste für Videobesprechungen haben die Zukunft des typischen Büroarbeitsplatzes in Frage gestellt – trotz der Diskussion um Produktivitätseinbussen. Viele Investoren und Eigentümer verunsicherte diese Entwicklung am Anfang der Pandemie. Geringere Renditeerwartungen lassen die Preise für Büroimmobilien sowie das Bauland für Büroliegenschaften einbrechen (Abbildung 1).

Im Verlauf der Pandemie hat sich der Abwärtstrend am Markt für Büroimmobilien jedoch schnell gedreht. Der Pessimismus der Investoren hat nachgelassen, als sich gezeigt hat, dass die klassischen Büroflächen durch Heimarbeit nicht komplett obsolet werden, Büroflächen wieder neuvermietet und erste Kaufverträge für Bürogebäude unterzeichnet werden. Trotz Aufwärtstrend wird das Vorkrisenniveau bei Preisen, Mieten sowie Renditen im Sommer 2021 nicht erreicht. Die Preise werden wohl noch lange unter den ehemaligen Spitzenwerten stagnieren. Was nämlich bleibt, ist ein Strukturwandel, der bereits vor der Pandemie begonnen hat und nun noch mehr an Fahrt gewinnt. Dem Aufruf nach mehr Heimarbeit werden Arbeitgeber nachkommen müssen. Für einige Arbeitgeber scheint die Heimarbeit aber auch eine lukrative Alternative zur Anmietung von teuren Büroflächen zu sein. Die Konzepte Office-Sharing und Co-Working-Spaces werden eine fixe Sitzordnung im Büro zunehmend verdrängen und dazu führen, dass Unternehmen pro Mitarbeiter weniger Bürofläche nachfragen. Gemäss Zahlen der Credit Suisse wird daher der Bedarf an Büroflächen in den nächsten zehn Jahren schweizweit um rund 10 Prozent schrumpfen. Die Leerstandquoten in zentralen Standorten wie Bern, Basel, Genf oder Zürich, wo das Angebot an Büroflächen trotz Pandemie bisher sehr knapp war, werden sich in der Zukunft nicht besorgniserregend erhöhen. An Standorten mit niedriger Lagequalität werden Büroflächen wohl aber häufiger und länger leerstehen. Leicht sinkende Preise könnten sich mittelfristig also wiedereinstellen.

Als wahrer «Goldbarren» hat sich während der Covid-19-Pandemie aber der stabile Wohnungsmarkt in der Schweiz entpuppt (Abbildung 2). Er wird in die Teilmärkte für Mietwohnungen und Wohneigentum unterteilt. Eigentümer von Mietliegenschaften haben dank Kurzarbeitsentschädigungen und sozialen Hilfsmassnahmen kaum Mietzinsausfälle zu verzeichnen. Sie müssen ihre Renditeerwartungen nicht schmälern. Lediglich in Einzelfällen und im unteren Preissegment, bei den Wohnungen für Geringverdiener, müssen Eigentümer mit Zahlungsschwierigkeiten seitens der Mieter umgehen und in Pandemiezeiten Kulanz zeigen. Ein tiefer Referenzzinssatz für Mietverhältnisse stützt zudem den Markt, in welchem der Wohnungswechsel für Mieter auch während der Pandemie problemlos möglich ist. Die Wohnungsnachfrage zeigt dabei aber eine leichte Veränderung. Wohnungen mit zusätzlichem Platz für Heimarbeit sowie einem Garten, Balkon oder Terrasse zur Erholung werden vermehrt nachgefragt. Diese Präferenz kann vor allem bei Mietwohnungen in Vorstädten oder ländlicheren Gebieten preislich erfüllt werden, weshalb viele bei zunehmender Heimarbeit eine längere Pendeldistanz zum alten Arbeitsplatz in Kauf nehmen. Eine Stadtflucht der Mieter ist dabei jedoch nicht zu erkennen. Dies hängt unter anderem auch damit zusammen, dass im Vergleich zu internationalen Metropolen die Schweizer Grossstädte eine relativ geringe Bevölkerungsdichte aufweisen, mit viel Natur umgeben sind und auch während der Pandemie eine hohe Lebensqualität bieten.

Ansturm auf Zweitwohnungen

Die Eigentumswohnungen und Eigenheime in der Schweiz haben während der Pandemie zu einem Höhenflug angesetzt. Diese Entwicklung beschreiben manche Experten bereits als bedenklich: So ist etwa der Immobilien-Blasenindex der UBS gefährlich in die Höhe geschnellt. Dieser Anstieg ist vor allem nachfragegetrieben – wohlhabendere Personen, welche tendenziell weniger von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie betroffen sind und die strengen Kreditvergaberichtlinien der Banken erfüllen können, haben sich während der Pandemie den Traum vom Eigenheim erfüllt. Diese Eigentumswohnungen oder Eigenheime liegen oft ausserhalb der beliebten Ballungszentren. Dort sind die Kosten geringer, und ein zusätzliches Zimmer für das Homeoffice ist leichter zu finanzieren. Arbeits- und Wohnort entfernen sich also auch bei Eigenheimbesitzern. Im Gegensatz zu Mietern spielt in der Schweiz aber bei Wohnungseigentümern die lokale Steuergesetzgebung eine stärkere Rolle. Zusätzlich werden die Preisanstiege durch einen Ansturm auf Zweitwohnungen und -häuser in touristischen Regionen angetrieben. Luxusimmobilien in den Bergen oder am See werden immer begehrter, da ausländische Ferienziele aufgrund der Reisebeschränkungen schwer oder gar nicht mehr erreichbar sind. Als sicherer Hafen in Krisenzeiten hat die Schweiz im vergangenen Jahr zudem vermehrt ausländische Privatinvestoren angelockt. Diese wohlhabenden Familien erwerben Ferienresidenzen und Wohnhäuser im oberen Preissegment und kurbeln die Preisspirale weiter an.

«Der durch das Virus beschleunigte Boom im Onlinehandel

geht mit einem Nachfrageanstieg bei Lager- und

Distributionsflächen sowie Umschlagszentren einher.»

Eine Immobilienart, die ebenfalls von der Pandemie profitieren kann, sind Logistikimmobilien. Der durch das Virus beschleunigte Boom im Onlinehandel geht nämlich mit einem Nachfrageanstieg bei Lager- und Distributionsflächen sowie Umschlagszentren einher. Investoren hoffen deshalb auf anhaltende Preisanstiege sowie höhere Mieterträge. Diese Aufwärtstrends wurden zudem von einem schweizweit knappen Angebot an modernen Logistikflächen unterstützt. Neue Logistikimmobilien können erst langfristig geschaffen werden, da es oft an geeigneten Grundstücken fehlt. Die Ausweisung neuer Gewerbegebiete wird zudem durch strenge bürokratische Auflagen sowie den Widerstand der Bevölkerung erschwert.

Die Immobilienarten haben in der Schweiz also unterschiedlich auf die Covid-19-Pandemie reagiert und nicht im gleichen Ausmass von staatlichen Rettungsmassnahmen profitiert. Hinzu kommen langfristige Veränderungen und Trends, die sich in der Krise beschleunigt haben und nun den Immobilienmarkt auf den Kopf stellen. Die genannten Erkenntnisse aus den bisherigen Infektionswellen sind daher für Mieter, Eigentümer, Ökonomen und Politiker umso wichtiger, da sie den Schweizer Immobilienmarkt für die nächste Phase der Pandemie wappnen müssen.

  1. Die Rettungsmassnahmen während der Covid-19-Pandemie zielen darauf ab, den anfänglichen Schock in der Realwirtschaft und die Verluste der jeweiligen Marktteilnehmer abzufedern. Im Gegensatz zu diesen stehen die Rettungsprogramme während der globalen Finanzkrise 2008, welche das Ziel hatten, den Bankensektor zu stabilisieren und das systemische Risiko im Finanzsystem zu reduzieren.

  2. Der Markt für Freizeitimmobilien hat sich während der Pandemie ähnlich entwickelt. Diese Art der Gewerbeimmobilien umfasst unter anderem Veranstaltungszentren, Kinos, Erlebnis- und Thermalbäder. Die Krisenfestigkeit anderer Gewerbe­immobilien, wie Produktionshallen oder Fabriken, ist jedoch stark vom Einzelfall abhängig und wird von der Branche des produzierenden Unternehmens beeinflusst.

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