Cla Biert, rätoromanisch und übersetzt
Cla Biert: «Das Gewitter/Betschlas malmadüras». Zürich: Limmat, 2009.
«Für die Übersetzung von ‹Pangronds› danke ich Dir. Sie vereinfacht mir die Arbeit. Denn drucken konnte man dies nicht. Gell, Du weisst, dass es nicht nur aus persönlichem Ehrgeiz ist, dass ich versucht habe, eine bessere Übersetzung zu verfassen?», schrieb Andri Peer um 1950 seinem rätoromanischen Schriftstellerkollegen Cla Biert (1920–1981). Es ging um die ersten deutschsprachigen Veröffentlichungen von Erzählungen Bierts. Die beiden eng befreundeten Unterengadiner hatten in den Vierzigerjahren als Schriftsteller debütiert, und dank Andri Peers Kontakten wurde nun auch Cla Biert über den rätoromanischen Sprachraum hinaus bekannt. Der «Schweizer Spiegel» brachte im folgenden Jahrzehnt immer wieder die eine oder andere Erzählung auf Deutsch, zunächst in Übersetzungen von Andri Peer, später – nach einem durchaus schmerzlichen Ablösungsprozess – von Oscar Peer, Iso Camartin oder Cla Biert selbst.
Der zweisprachige Erzählband «Das Gewitter/Betschlas malmadüras», der dieses Frühjahr als Auftakt einer Neuausgabe der Werke Cla Bierts im Limmat Verlag erschienen ist, versammelt zwölf Erzählungen. Wenn man liest: «Es rückt gegen Mitte Juni; die Kälber können schon ganz artig fressen», wünscht man sich, die (deutschen) Texte wären für die Neuausgabe etwas entstaubt worden, doch so oder so sind die unprätentiösen und doch poetischen Erzählungen lesenswert. In den meisten Erzählungen sind Kinder und Jugendliche die Protagonisten, weniger Einzelpersonen als die Dorfjugend als Ganzes. Mit einer feinen ironischen Distanz heftet sich der Erzähler den Jugendlichen auf die Fersen, beobachtet ihr Handeln und Verhalten auf traditionellen Festen und im Alltag. Dabei werden die Traditionen, die oft das Hauptthema einer Erzählung sind, nicht erschöpfend erklärt, und gerade dadurch überträgt sich der Zauber der althergebrachten Feste auch auf die Lesenden. Es sind Erzählungen aus dem Engadin an der Schwelle zur Moderne, aus einer verschwundenen bäuerlichen Welt. Geschrieben zu einer Zeit, als die leichte Erotik mancher Erzählungen noch Widerstand und Abdruckverbote auszulösen vermochte.