China
Geburtswehen einer neuen Weltmacht
Über China, die aufstrebende Nummer zwei der Weltmächte, wissen wir zu wenig. Trennend waren und sind die geographische Distanz, aber auch die Sprache, ganz zu schweigen von der Geschichte und der Kultur des Landes, die sich beide fundamental von den unsrigen unterscheiden. Die Uhren ticken in China bis heute anders als im Rest der Welt: Wer morgens um 7 Uhr in Peking in einen Stadtpark kommt, findet ihn so voll wie in Paris oder Berlin an einem Sommerabend um 19 Uhr. Die Leute machen Tai-Chi, spielen Ball, hängen an einem Baum oder gehen einfach eine Weile rückwärts, das soll gesund sein. Doch gleich danach machen sie sich an die Arbeit, mit einer Mentalität, die im Westen im Rückzug begriffen scheint: Nach Kulturrevolution, Massenarmut, Hungersnot und sozialistischer Misswirtschaft will das Land zurück an die Spitze.
Wer in den letzten zehn Jahren einen Fuss auf chinesischen Boden gesetzt hat, weiss, welche Dynamik hier darauf wartet, auch weltweit zur Entfaltung zu kommen. Doch es ist keineswegs ausgemacht, dass China seine Herausforderungen bewältigt, ohne dabei vom Wachstumskurs abzukommen. Der Stichworte sind viele: Middle Income Trap, stark alternde Gesellschaft, tiefer werdende Stadt-Land-Gräben, platzende Immobilienblasen, überforderte Umwelt und ebenfalls zunehmende Wohlstandsträgheit.
Auf den folgenden Seiten berichten Kenner des Landes, mit wem wir es zu tun haben, wenn 1,4 Milliarden Menschen als «China» verallgemeinert werden. Während Syngenta-Verwaltungsrat Jürg Witmer jene beruhigt, die Angst haben vor chinesischen «Einkaufstouren» in hiesigen Wirtschaftszweigen, warnen Fabian Gull, Claudia Wirz und Wolfgang Hirn vor zunehmenden Überwachungsmöglichkeiten, der Macht der Soft Power und einer Gesellschaft ohne Werte – dem durchaus totalitären System der KP gegenüber moralisch beliebig eingestellt zu sein, ist keine Option. Ruedi Nützi fordert dazu auf, sich den Strategien «China 2025» und «One Belt, One Road» zu stellen und eine China-Strategie für die Schweiz festzulegen. Helwig Schmidt-Glintzer, Elisabeth Tester, Hans Groth und Wang Feng erklären Herkunft und Herausforderungen Chinas so, dass auch jenen, die sich bisher mit Verweis auf die «kulturellen und geographischen Distanzen» herausreden konnten, geholfen wird.
Wir wünschen anregende Lektüre!
Die Redaktion
Für die Unterstützung bei der Lancierung des Dossiers danken wir dem Verein Zivilgesellschaft.