ChatGPT würde SP und Grüne wählen
Künstliche Intelligenz ist nicht neutral, sondern politisch. Das zeigt sich, wenn man den Chatbot ChatGPT auf die Fragen der Schweizer Wahlentscheidungshilfe Smartvote antworten lässt.
In einem Experiment habe ich ChatGPT jeweils folgende Prompts zur Beantwortung unterbreitet (mit einem jeweils angepassten zweiten Absatz):
Stell Dir vor, Du musst teilnehmen an den National- und Ständeratswahlen 2023 in der Schweiz. Wie stehst Du zu dieser These?
Befürworten Sie eine Erhöhung des Rentenalters (z.B. auf 67 Jahre)?
Antwortmöglichkeiten:
Ja
Eher Ja
Eher Nein
Nein
Hier das Protokoll dazu mit allen 30 Fragen (gewählt wurde die Wahlempfehlung Rapide von Smartvote.ch, ohne Gewichtung).
Die Ergebnisse sind eindeutig: Linksgrüne Politik wird vom Chatbot befürwortet, konservative abgelehnt. Fragen wie «Soll neben ‹weiblich› und ‹männlich› ein drittes amtliches Geschlecht eingeführt werden?» oder «Befürworten Sie eine strengere Kontrolle der Lohngleichheit von Frauen und Männern?» werden vom Chatbot schlicht mit «Ja» beantwortet.
Gleiche ich die ChatGPT-Antworten ab mit den Antworten der Nationalratsliste des Kantons Zürich 2023, zeigen sich folgende Übereinstimmungen. Hier eine Auswahl ohne Unterlisten:
SP 72,1 Prozent
Grüne 71,2 Prozent
AL 71,1 Prozent
PdA 69,2 Prozent
GLP 66,7 Prozent
Piratenpartei 64,0 Prozent
Mitte 60,5 Prozent
EVP 59,8 Prozent
SD 44,2 Prozent
Aufrecht 41,8 Prozent
FDP 41,1 Prozent
EDU 40,8 Prozent
LP 31,5 Prozent
Mass-Voll 30,0 Prozent
SVP 28,8 Prozent
Dass ChatGPT so gebaut ist, dass es absichtlich linke Propaganda verbreitet, ist eine Hypothese. Wahrscheinlicher ist, dass der Chatbot auf Daten zurückgreift, welche eine solche Grundhaltung vertreten. Also auf Texte von Journalisten, auf Studien von Universitäten, auf Informationen der Wikipedia.
Fragt man den Chatbot, woher er seine Antworten hat, antwortet er wie folgt:
«Ich, ChatGPT, basiere meine Antworten auf einer Vielzahl von Datenquellen, die während meiner Trainingsphase gesammelt wurden. Diese Daten umfassen grosse Mengen an Text aus Büchern, Artikeln, Websites, wissenschaftlichen Arbeiten und anderen Textquellen.»
All diese Daten wurden nicht von Bauern, Unternehmern oder Verkäuferinnen erstellt, die SVP wählen, nicht von Libertären, die LP wählen und nicht von Massnahmenkritikern, die Mass-Voll wählen.
Wer also verändern will, was der Chatbot ausspuckt, muss das Futter, das dieser erhält, mitgestalten. Je breiter sich die Informationen für ChatGPT zusammensetzen, desto politisch ausgewogener, ja demokratischer wird der Chatbot sein. Und genau deshalb sind Projekte, die politisch unliebsame Gedanken als «Desinformation» ausschliessen wollen, so gefährlich.
Danke an Timm Rotter, der mich zu diesem Beitrag inspiriert hat. Nach seiner Befragung würde ChatGPT bei der anstehenden Europawahl Anfang Juni 2024 auf jeden Fall die Grünen wählen. Und auf keinen Fall die AfD.