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Casting! Durchhalten!

Ja, da müssen Sie jetzt durch! Stellen Sie sich nicht so an! Eine Castingshow mehr oder weniger, das ist doch nicht zu viel verlangt. Ausserdem wird diesmal erfreulicherweise nicht gesungen, das ständige Brummen und Geträller war wirklich nicht mehr auszuhalten. In Milena Mosers Roman «Möchtegern» geht es unrhythmisch um die Suche nach dem Schweizer Schreibstar. […]

Ja, da müssen Sie jetzt durch! Stellen Sie sich nicht so an! Eine Castingshow mehr oder weniger, das ist doch nicht zu viel verlangt. Ausserdem wird diesmal erfreulicherweise nicht gesungen, das ständige Brummen und Geträller war wirklich nicht mehr auszuhalten.

In Milena Mosers Roman «Möchtegern» geht es unrhythmisch um die Suche nach dem Schweizer Schreibstar. Ohne blöde brummende Bässe und hysterische Kehllaute, sonst ist jedoch alles gleich: eine Jury kommentiert, die Kandidaten präsentieren und prostituieren sich vor den Kameras, obwohl die Siegerin schon längst feststeht. Eine hübsche Wilde ist es, man hätte auf sie wetten können, mit ihrem aufregend schiefen Gesicht, dem offenherzigen Auftreten und den schrägen Ansichten.

Das könnte eine weitere Satire auf eine weitere Castingshow werden. Jury und Kandidaten werden mit lustigen, leicht zu belächelnden Charakteristika gezeigt, sie haben das Potential zu gelungenen Witzfiguren: eifernde und verstummte Literaten auf der einen Seite, auf der anderen heimliche Poeten, dutzendfach abgelehnte Frustschreiber, esoterische Sinnsucher, verklemmte Neurotiker, urige Bergdörfler mit Akkordeon. Sie alle sind orientierungslos, geltungssüchtig und Dilettanten. Daraus hätte eine lustige Truppe werden können, doch die Zürcherin Moser traut sich nicht, hart mit ihrem Personal umzuspringen. Dem Roman fehlt ein gesunder Sarkasmus, eine Lust am Vorführen, am Veralbern und Blossstellen. Stattdessen wird Allerweltshumor geboten, faltige Chansonsänger becircen, Hausfrauen mit Putzzwang bezaubern, Schwule bedanken sich für die Chance zum öffentlichen Coming-out, und alte Scheunen brennen bekanntlich am besten. Man könnte also sagen, es ziehe alles nett, unaufgeregt und betulich am Leser vorbei.

Man könnte aber auch sagen, statt die Möglichkeiten bissiger Ironie zu nutzen, kuschele sich Moser unter die Decke wohlwollender Geschwätzigkeit und lasse den Roman erst in einen Streichelzoo – ach, was seid ihr alle doch für ganz, ganz Liebe – und dann in eine bis dort nur nebenbei mitgeschleppte Krimihandlung münden. Deren Lösung wird hier natürlich nicht enthüllt, aber ein kleiner Tip sei erlaubt: die detailliert ausgebreiteten Biographien der Putzfrau und des Briefträgers stehen in keinerlei Bezug zur Romanhandlung. Zu keiner von den vielen.

Milena Moser: «Möchtegern». Zürich: Nagel & Kimche, 2010

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