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Bünzliges Bümpliz


Die afghanische Graffiti-Künstlerin «Shamsia» (aka Ommolbanin Hassani) ist im Westen sehr beliebt. Ihr Markenzeichen sind lebensgrosse Frauenfiguren in leuchtendblauen Burkas, die sie auf die grauen und durchlöcherten Mauern der afghanischen Hauptstadt Kabul sprüht. Der jungen Künstlerin und Kunstschuldozentin wird hoch angerechnet, dass sie zumindest den Anspruch der Frauen auf kulturelle Teilhabe und auf Nutzung des öffentlichen Raumes artikuliert. Mittlerweile ist sie deshalb mehrfach nach Westeuropa eingeladen worden, zuletzt von Terre des femmes in die Schweiz. Im Sommer 2013 stand ein Graffiti-Workshop mit Jugendlichen im Berner Vorort Bümpliz auf dem Programm. Die Veranstaltung drohte zunächst zu scheitern: Während das Sprühen in Kabul für Shamsia wegen möglicher gewalttätiger Übergriffe zu gefährlich ist, wirken in der Schweiz Ruhe und Ordnung als Hemmnis. Man erhielt keine behördliche «Bewilligung», eine Wand besprühen zu dürfen (schliesslich wurde eine mobile Stellwand auf einem Gartengrundstück dafür benutzt). Hier lag vielleicht der Fehler: um Erlaubnis zu bitten. Und hier kommt auch das Paradox der ganzen Aktion zum Ausdruck.

Graffiti waren ursprünglich Ausdruck von Rebellion und Selbstverwirklichung marginalisierter Jugendlicher, sie waren Ausdruck einer ästhetischen Revolte gegen den grauen, toten Funktionalismus urbaner Architektur. Heute sind Graffiti beliebte Kunstmarkt-Assets, sie sind im geschützten Raum der Sammlerdepots und Museen angekommen oder werden gar als pädagogische Massnahme den Jugendlichen anempfohlen – die Aura der Illegalität dient hierzulande nur noch als Geschmacksverstärker. Anders in Kabul: dort muss «Shamsia» bei ihren Sprühaktionen vor verständnislosen Landsleuten geschützt werden. Dass ihre Kunst im Westen unter musealem Artenschutz steht, wird so zum verzerrten Spiegelbild einer tödlichen Realität.

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