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April 2009 Peter Sloterdijk, Philosoph, in seinem Buch «Du musst dein Leben ändern» (Suhrkamp) Diffuses Änderungsbedürfnis «Du musst Dein Leben ändern» «Es gibt im Augenblick keine Information im Weltäther, die nicht ihrer Tiefenstruktur nach auf diesen absoluten Imperativ zu beziehen wäre. Er ist der Ruf, der sich nie zu einer blossen Tatsachenfeststellung neutralisieren lässt, er […]
April 2009
Peter Sloterdijk, Philosoph, in seinem Buch «Du musst dein Leben ändern» (Suhrkamp)
Diffuses Änderungsbedürfnis
«Du musst Dein Leben ändern» «Es gibt im Augenblick keine Information im Weltäther, die nicht ihrer Tiefenstruktur nach auf diesen absoluten Imperativ zu beziehen wäre. Er ist der Ruf, der sich nie zu einer blossen Tatsachenfeststellung neutralisieren lässt, er bildet den Imperativ, der durch alle Indikative hindurchwirkt. Er artikuliert das Leitwort, das die zahllosen chaotischen Informationspartikel zu einer prägnanten moralischen Gestalt anordnet. Aus ihm spricht die Sorge ums Ganze. Es lässt sich nicht leugnen: die einzige Tatsache von universaler ethischer Bedeutung in der aktuellen Welt ist die diffus allgegenwärtig wachsende Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann.»
Herbst 2008
Sahra Wagenknecht, Kommunistin, in ihrem Buch
«Wahnsinn mit Methode. Finanzcrash und Weltwirtschaft» (Das Neue Berlin)
Der Markt als Richter
«Neue Formen der Spekulation und hochkomplexer Derivate, deren Struktur selbst ihre Schöpfer nicht mehr verstehen, sorgen seit Jahren für Schlagzeilen. Aber so lange sich mit all dem viel Geld verdienen liess, lohnte das Spiel, und die grenzenlose Freiheit der Märkte beziehungsweise derer, die sich auf ihnen austoben dürfen, galt als heilig. Erst seit der freie Markt dazu übergegangen ist, die Profite und Vermögen mit gleicher Brutalität wieder zu vernichten, mit der er sie einst hervorgebracht hatte, ist sein Ansehen rapide gesunken.»
2004
Roland Baader, Nationalökonom, in seinem Buch «Geld, Gold und Gottspieler.
Am Vorabend der nächsten Weltwirtschaftskrise» (Resch)
Die Droge Geld
«Die Wirtschaftskörper der westlichen Industrienationen sind reif für die Intensivstation. Zu lange hat man ihren Kreislauf mit der Droge fiat money traktiert und viel zu viel von den Giften Papiergeldkredit und Papiergeldschulden in sie hineingespritzt. Bei jedem Versuch der Junkies, einen heilsamen Entzug (Rezession) über sich ergehen zu lassen und bei jedem Fieberanfall mit hochschnellenden Marktzinsen hat man neue Drogeninjektionen verabreicht. Jetzt, nach fast einem halben Jahrhundert der politisch erzwungenen Sucht, sind die restlichen Marktkräfte, welche den Patienten «trotz allem» noch aufrechterhalten und gestärkt haben, erschöpft. Für die Katharsis, die nunmehr bevorsteht, wird ein hohes Fieber nicht mehr hinreichend zur Lebenserhaltung sein; es wird des Schüttelfrosts bedürfen.»
Mai 2009
Reinhart R. Fischer, Nyon, Leserbrief zur Kurzkritik von M.P. Lubinsky,
Nr. 968 «Schweizer Monatshefte», S. 54
Stil zeigen?
«Stil hat man, man zeigt ihn nicht. Wenn man ihn zeigt, hat man ihn nicht, vor allem dann nicht, wenn man jemanden, der etwas weniger davon hat, dies fühlen lässt, etwa indem man «darauf reagiert». Der Autor hat offenbar Elementares am Stil, etwa Takt, nicht begriffen.
Jedes Jahr gibt es im Buckinghampalast ein Dinner für die Träger des Victoria Cross, der höchsten Auszeichnung für persönliche Tapferkeit vor dem Feind. Viele der Eingeladenen stammen naturgemäss aus dem einfachen Volk. Einmal gab es Trauben zum Nachtisch und entsprechend eine Fingerschale mit etwas Wasser zum Spülen der Finger. Da trank einer der Gäste, damit nicht vertraut, seine Fingerschale leer. Sobald der König das bemerkte, tat er desgleichen, was die ganze Tafelrunde dazu zwang, es ihm nachzutun und damit den Gast vor einer Verlegenheit zu bewahren.
Umgangsformen sind nicht dazu da, um Leute zu klassifizieren, sondern um das Zusammenleben angenehm, reibungsarm und zivilisiert zu gestalten. Darum heisst Knigges Buch ja auch «Vom Umgang mit Menschen».»