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Blogs, Rede & Widerrede

von zwei Lesern

Georges Bindschedler, Muri bei Bern

Leserbrief zu Max Frenkel «(K)eine nationale Trägodie» und Andreas Kley

«Wer schützt die Demokratie?» (Ausgabe Nr. 974)

Januar 2010

Die Annahme der Anti-Minarett-Intiative am 29. November 2009 wurde im Ergebnis von den Medien und den Politikern weitgehend als Überraschung gewertet. Ist dem auch wirklich so? Falls dies nämlich der Fall sein sollte, müssten alle unsere Politiker abdanken und das Weite suchen, hiesse es doch nichts anderes, als dass sie ihre Wähler und deren Anliegen nicht kennen und folglich auch ihre Aufgaben nicht wahrnehmen können. Ist die Überraschung aber vielleicht nicht doch eher eine gespielte, weil einerseits die Befürworter Angst vor ihrem eigenen Mut bekamen und die Stigmatisierung als fremdenfeindlich und intolerant fürchteten und die Gegner ja anderseits insgeheim doch auf das Zeichen hofften, das die Initiative geben würde? Oder anders gesagt: das Thema der Initiative ist die Moralisierung, die Tabuisierung, die Unehrlichkeit, ja die Lügenhaftigkeit der Politik und der Politiker.

Das Ergebnis der Volksabstimmung ist nicht nur Ausdruck unterschwelliger Ängste oder eines Unbehagens angesichts der Globalisierung und eines als feindlich erscheinenden – und tatsächlich ja auch in vielen Ländern intoleranten, despotischen und agressiven – Islams. Es ist eine Folge der Tabuisierung, Ideologisierung und Moralisierung unseres öffentlichen Lebens, wodurch die Meinungsäusserungsfreiheit empfindlich eingeschränkt wird. Die political correctness verbietet es, Tatsachen und Ideen freimütig anzusprechen und zu diskutieren, und derjenige, der es trotzdem wagt, wird mit wertenden Begriffen ausgegrenzt.

Kein Politiker stellt sich selbst in Frage. Auf einen Volksentscheid wird stattdessen heuchlerisch durch moralisierende und ideologisierende Mahnungen reagiert und durch das Ablegen von Schuldbekenntnissen, die das «empörte» Ausland – d.h. die dortige politische künstlich empörte Elite (denn die Wähler bringen wohl wesentlich mehr Verständnis auf) – beschwichtigen sollen. Ja, man geht sogar soweit, das Recht, über Dinge wie Minarette abzustimmen, als fragwürdig zu bezeichnen. Es werden die sogenannten Grenzen der direkten Demokratie beschworen – ein gefährlicher Gedanke, der schon am Ausgangspunkt vieler autoritärer Regimes stand. Statt des Führens einer Diskussion, erfolgt erneut Tabuisierung und Moralzensur.

Die Minarette werden hoffentlich in unserem Land zum Symbol der Meinungsäusserungsfreiheit. In diesem Sinne ist deren Verbot als Aufschrei des Schweizer «Muezzins» zu verstehen angesichts der Gefahren, denen die Demokratie durch Moralisierung, Tabuisierung und Ideologisierung ausgesetzt ist.

Hans Wyss, New York

Leserbrief zum Dossier «Eigenwillig! Die Stärken der Schweiz» (Ausgabe Nr. 972)

Dezember 2009

Die acht hochinformativen Beiträge des Dossiers «Die Stärken der Schweiz» heben die einzigartige Kombination von Faktoren hervor, die die Stärke der Schweiz im internationalen Konzert ausmachen und die sich zum «Sonderfall» summieren. Es erscheint mir lohnenswert, einen zusätzlichen, rein ökonomischen Faktor mit ins Spiel zu bringen. Professor Charles Kindleberger hat vor vielen Jahren gezeigt, dass kleinere Länder vom internationalen Handel mehr profitieren als grössere – ein Vorteil, den er als die «Bedeutung, unbedeutend zu sein» bezeichnete.

Konkret erwähnt dazu Fred Bergsten in der Dezember-ausgabe von ‹‹Foreign Affairs» die «aggressiven Eingriffe der Schweiz in die Devisenmärkte zur Schwächung des Schweizer Frankens [zur Exporterleichterung], ungeachtet der massiven Zahlungsbilanzüberschüsse». Dann erwähnt er analoge Schwächungsbemühungen Chinas, mit demselben Ziel der Exportförderung. Ohne Frage ist der Preis von Chinas beggar-thy-neighbour-Politik für den Rest der Welt weit höher als der von der viel kleineren Schweiz verursachte. Besser kann der Vorteil eines kleines Landes in der aktuellen Krise nicht verdeutlicht werden.

Die acht Beiträge des Dossiers haben die Integration der Schweizer Wirtschaft in der europäischen wie auch der Weltwirtschaft anschaulich gemacht. Doch solange sich die Schweiz die Fähigkeit zu unabhängiger Aussenwirtschaftspolitik bewahrt und sich nicht in die EU oder die Europäische Zentralbank begibt, wird das Land weiterhin vom Vorteil seiner Kleinheit profitieren können.

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